10. Oktober 2008 – Morgens halb zehn in Deutschland oder: Wo ist meine Kohle
von Waterhouse
Der Aufschrei der geknechteten Kolumnenkonsumenten ließ die krisengeschüttelte Welt aus ihrer Umlaufbahn wanken: Eine Kolumne von LPWH und die Bankenkrise wird lediglich mit einem Halbsatz erwähnt? Schreiendes Unrecht, brennende Wut, tiefster Korruptionssumpf, der Kolumnist ist gekauft!
Der zerknirschte Schreiberling gibt alles zu und noch ein bisschen mehr und fleht um die Gnade seiner großzügigen, erlauchten Leserschaft. Ich brauchte das Geld – ganz, ganz ehrlich! Hier deshalb die Bankenkrisen-Sonder-Spezial-Extra-Hardcore-Porno-Mega-Giga-Ausgabe:
Die Gebetsmühle.
Omanipadmehum, so wiederkehrend wie das Mantra von Avalokiteshvara startet der Tag mit der Meldung, dass „der Dax/ Dow Jones/ Nikkei tief in Minus stürzt, fällt, schlittert, gerissen wird.“
Niemandem scheint aufzufallen, dass es da ein kleines Logikproblem gibt: Wenn sich ein Leitindex am Vortag auf eine schwindelerregende Talfahrt begeben hat und vergessen hat am Ende des Tages wieder die luftigen Höhen des Wilden Kaisers zu erklimmen, wie kann er dann am nächsten Tag schon wieder ins Minus stürzen? Er ist doch schon dort gewesen...
Die einzig vernünftige Reaktion kommt, völlig überraschend, aus Moskau. Dort macht die Börse einfach gar nicht mehr auf, um fallsüchtige Indices bereits vor dem Sprung ins Nichts zu verhindern. Nee, ernsthaft jetzt!
Das Problem.
Ebenso mantraartig wie eingangs beschrieben wird das Hauptproblem der Krise als „mangelndes Vertrauen“ ausgemacht. Die Banken trauen sich gegenseitig nicht mehr. Warum eigentlich nicht mehr? Da sich die internationalen Zocker und Zirkusartisten alle gut kennen, wissen sie auch genau, welche Tricks sie drauf haben und wie skrupellos sie ihre eigenen Mütter, Schwestern und Töchter als Rundum-sorglos-Paket an den Höchstbietenden verkloppen würden. Aber das war eigentlich schon immer so. Wieso also verlieren sie ausgerechnet jetzt die Nerven und unterstützen ihre Glaubensbrüder nicht mehr im Kampf gegen anarchistische Verstaatlichungsforderungen? Ganz einfach: Es ist ein Geschäft!
Muhammad Yunus, seines Zeichens hauptberuflich Friedensnobelpreisträger und neue Hoffnung der Klugscheißer meint: „Warum zahlen Firmen nicht in einen Fonds ein, der alle riskant gewordenen Papiere aufkauft? Ich kann mir sogar ein Geschäftsmodell dafür vorstellen.”
Die Rettung!
Ich hasse wiederholungen, aber auch in diesem Absatz muss ich die leiernden, repetitiven Konzentrationsübungen der Hindus und Buddhisten bemühen. Nahezu täglich wird die Rettung aus der Finanzkrise beschworen. Krethi legt diesen Fonds auf, Plethi kauft jene Privatbank, um die Einlagen zu retten, Hinz stützt jene Geldhäuser mit staatlichen Zuschüssen, Kunz druckt neues Geld und senkt Leitzinssätze. Und jede Idee wird als die neue große Hoffnung für den außer Rand und Band geratenen Turbokapitalismus kolportiert.
Die Revolution frisst ihre Kinder. Eben noch verbaten sich die Finanzjongleure aller Couleur jegliche Einmischung staatlicherseits. Die freien Kräfte des Marktes biegen alles wieder gerade und wenn man sie weiterhin frei spielen ließe, dann reguliert sich auch diese Krise von selbst.
Nun wimmern, heulen, kreischen sie allesamt zähneklappernd nach Hilfe, weil sich das phantastische kapitalistische System nicht mehr aus eigener Kraft aus dem Dreck ziehen kann und wenn nicht bald was getan wird, geht der gesamte Erdenball aber sowas von den Bach runter, aber Hallo. Zu leiden hätte dann das einfache irische Volk darunter.
Das einfache irische Volk: “Wieso jetzt wir?“
Der Kolumnist: „Weil ihr das so gut könnt!“
Aber ist das wirklich so? Würde das Volk darunter leiden müssen, wenn ein System gegen die Wand fährt, das seit jeher auf der rücksichtslosen Ausbeutung und zynischen Kapitalisierung eben jener armen Schweine beruht? Einem System, das absichtlich und mit Fleiß darauf aus- und angelegt ist, vor allem die Besitzenden noch reicher zu machen?
„Die Krise ist ein Übergangsphänomen, ein Korrekturprozess, der Überkapazitäten vernichtet. Und das ist gut so. Denn wenn man den "normalen Liquidationsprozess" behindert, dann würde das die Depression und den Preisverfall nur wesentlich verlängern.“ Könnte von LPWH sein. Ist es aber nicht. Ist von dem renommierten konservativen Ökonom Friedrich von Hayek. Damit kommentiert er den Aktiencrash von 1929.
Das Fazit!
Ein bisschen weniger operative Hektik, ein wenig mehr Laissez-faire und dem lächerlichen Vorbild Moskaus zu folgen wäre eigentlich die beste Idee.
„Nachdem in Deutschland die erste große Bank zusammengebrochen war, wurden die darauf folgenden Tage kurzerhand zu "Bankfeiertagen" erklärt, damit die Gemüter sich etwas beruhigen konnten. Auch jenseits des Atlantik musste man sich in bank holidays retten.“ Auch dies beschreibt eine Reaktion auf die große Krise Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts.
Allerdings ist das heute natürlich so gar nicht mehr möglich. Denn wenn die großen Macher einfach mal ein paar Tage die Füße still und die Großmäuler geschlossen hielten, könnten sie sich ja auch nicht mehr als die edlen Ritter im Kampf gegen den Rezessionsdrachen profilieren. Und so reden und versprechen sich täglich neue selbst- oder fremdernannte Kreuzzügler um Kopf und Kragen, ohne dass sich wirklich etwas Grundsätzliches ändern könnte, denn Vertrauen ist heiliges, etwas, das ausschließlich in den hohlen Köpfen der Menschen statt findet. Es kann weder herbeigeredet noch erzwungen werden.
Der große Sturm wird sich, wie alle aufgeblähten Nichtigkeiten, irgendwann selbst ausblasen. Er wird ein Trümmerfeld immensen Ausmaßes hinterlassen und heraus krabbeln werden die Überlebenden - mit vielen Hoffnungen für die Zukunft und großem Vertrauen in die Kraft ihrer Hände Arbeit. Hach, ... schön! Auch ein Kolumnist muss träumen dürfen.
Wie immer grüßt ein dankbarer Lawrence Pritchard Waterhouse mit den großen Worten des unsterblichen Dichterfürsten: „Mehr Licht!“
10. Oktober 2008 – Morgens halb zehn in Deutschland
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