Hallo allerseits,
Das mit dem Zerfall des Iraks ist halt so'ne Sache. Man erinnere sich an den "ersten Golfkrieg" (nach Zählung der USA). Da war noch Senior Bush (George H.W. Bush) und sein State-Department sagte dem Irak: "Der Grenzkonflikt mit Kuweit ist ein inner-Irakische Problem". Was Saddam als Hinweis verstand, in Kuweit einzumaschieren. Dafür bekam er dann von Bush eine auf die Mütze. Allerdings waren die USA damals so schlau, nicht in Bagdad einzumaschieren.
Gekonnt hätten sie es. Es war aber nicht gewollt, da man keinen Enthauptungsschlag gegen den Irak führen wollte. Deswegen wurde Saddam auch nicht gezielt abgemurkst - selbst als man die Gelegenheit hatte.
Junior Bush uns seine Neo-Cons waren halt so doof, um bei "Golfkrieg II" (wieder nach Zählweise der USA) Tabula Rasa zu machen. Saddam aus seinem Erdloch ausräuchern und aufknüpfen lassen.
Schlimmer noch: Man hat im Irak jegliche staatliche Ordnung zerstört: Armee, Milizen, Ministerien, Parteien, Regional-Regierungen, Bürgermeister, alle höheren Beamten und Polizei? Aufgelöst, zerschlagen, zerstreut.
Die erste neue Regierung des Iraks war fast ausschließlich mit Exil-Irakern besetzt, die man extra eingeflogen hatte. Kam beim Fußvolk im Irak auch nicht gut an, da die Jungs mittlerweile zu verwestlicht waren und ihr Bezug zum Land in Frage stand. Dann ist da noch das Problem, dass der Irak halt ein Konstrukt aus der Kolonialzeit ist und die Grenzen mal willkürlich gezogen wurden. Somit hat man es mit Sunniten, Schiiten und Kurden als Volksgruppen zu tun. Die Amis waren dann auch so doof, diesen Völkermix bei den Regierungsbildungen nicht repräsentativ abzubilden. Man hat es versucht, aber als die Kurden dann die Sitzung geschlossen verließen und nicht mehr zurück kamen, hat man es dann dabei belassen. Die Kurden wurden dann so gut wie ausgegrenzt und kochten dann bald im Norden ihr eigenes Süppchen. Sunniten und Schiiten? Die einen in der Regierung (ausschließlich) und die anderen schmollend am Rande.
Dazu halt lauter gut ausgebildete und motivierte Ex-Soldaten, Geheimdienstler und andere "schwer vermittelbare" Arbeitslose, die nach neuer Betätigung suchten und die wegen des Bannes der USA (und der neuen Verfassung des Iraks) nicht mehr in Regierung, Militär oder Polizei integriert werden durften. Die haben sich dann auch nicht auf Hartz IV ausgeruht, sondern gesehen, wie sie über die Runden kamen. Dass kriminelle oder radikale Kräfte dann Zulauf bekommen, ist klar.
Bush und die Neo-Cons haben es versemmelt. Obama hat mit dem vorzeitigen Abzug (ohne geordnete Verhältnisse zu schaffen) dann den Sargnagel reingeklopft. Die Frage war halt auch von Anfang an: KANN man im Irak geordnete Verhältnisse schaffen und wenn ja, hat man nicht schon unmittelbar nach Ende der Kampfhandlungen des Einmarsches schon soviel kaputt gemacht, dass da nichts mehr geht? Zumindest nichts mehr, was noch halbwegs einen pro-Westlichen Anstrich hat oder zumindest dem Anschein von Demokratie wagt? Die Antwort darauf ist vermutlich: Nein.
Der Irak ist nun ein Spielball der Nachbarn und Elemente aus Syrien, der Türkei (Kurden), des Irans und (natürlich) Saudi-Arabien mischen da mit. Gebirgsjäger hat das ganz gut zusammen gefasst, aber ich denke auch, dass nicht so ganz klar ist, wer genau hinter ISIS/ISIL steckt und aus welchen Töpfen die alles ihre Kohle, Waffen und Munition bezogen haben. Wie kohärent ist ISIS/ISIL? Auch das lässt sich so nicht genau sagen, da dort anscheinend auch verschiedene "Rebellen-Kräfte" und Milizen am Werk sind, die mal zusammen arbeiten und mal aufeinander ballern.
Muktada al-Sadr: Der war an sich schon in Rente. Hat aber jetzt nochmal aufgerufen, die "heiligen Städten" des Iraks gegen ISIS/ISIL zu verteidigen. Das ist allerdings auch einer aus der Pro-Iran Ecke und das noch nicht mal versteckt und verschämt. Er war 2003 bei Chamenei und Rafsandschani im Iran, um sich Order abzuholen. Er hat danach auf al-Jazeera Chamenei kritisiert, aber DEBKA hat das damals als Show-Einlage abgestempelt. 2007-2011 wurde es für al-Sadr im Irak zu heiß und er ging ins Exil in den Iran. So schlecht waren die Beziehungen zum Iran dann also doch nicht.
iran: der hat doch freie hand im irak. wo sind den die elitären revolutionsgarden um die schiitischen heiligtümer zu beschützen?
Der Iran hat angeblich bislang "nur" 100 Mann einer Spezialeinheit geschickt. Ob da noch mehr kommt oder sowieso mehr im Spiel ist, als zugegeben? Gute Frage.
Auf der anderen Seite: Als Mossul eingenommen wurde, hatten "die Rebellen" angeblich maximal 800 Mann im Einsatz. Ein Problem was der Irak (und nicht nur der!) mit seinem neuen Militär generell hat: Die kämpfen nicht. Die kapitulieren oder fliehen noch schneller als man das sonst den Franzosen nachsagt. Das sagt schon viel über die Struktur und die Motivation des Militärs aus und das ist nicht nur ein irakisches Problem, sondern ein generelles bei moslemischen/"arabischen" Armeen des nahen Ostens. Die Israelis haben das auch immer wieder beschrieben. Wenn die gegen ihre Nachbarn angetreten sind, hatten diese nur so lange Mumm, wie sie in der massiven Überzahl waren und mehr Angst vor ihren Offizieren (und Kameraden) hatten, als vor den Israelis. Sobald man ihnen in einem Sektor eine blutige Nase verpasste und am besten noch die Offiziere wegballerte, dann schmiss das Fußvolk die Knarren weg und rannte. Das mag feige klingen, aber es ist halt eine Motivationsfrage. Moslemische Armeen kämpfen generell nur, weil irgend ein Diktator oder Mufti es befohlen hat und man Ärger bekommt, wenn man sagt: "Macht ihr mal, ich bleib daheim". Dem individuellen Soldat geht es nicht besser oder schlechter, wenn seine Armee den Kampf verliert. Sofern er die Kämpfe überlebt. Wenn sie verlieren? Dann kommt bald die nächste Marionetten-Regierung oder der nächste Diktator. "Inshallah!" - so Gott will. Warum also den Helden spielen und sich verheizen lassen, wenn sich doch sowieso nichts wirklich ändert?
Die Rebellen haben da eine ganz andere Motivation und gehen mit dem entsprechenden Elan zur Sache. Wenn sie verlieren, ändert sich nichts. Wenn sie gewinnen, diktieren sie die Regel und Sahnen ab.
Wegen Rebellen/Terroristen/Freiheitskämpfern noch ein schönes Zitat von den "haben wir euch doch gleich gesagt"-Russen:
"Putin has repeatedly said there is no such thing as our terrorists and somebody else’s,” Putin spokesman Dmitry Peskov said. “One must not differentiate between them, deal with some and condemn others."
Ob er das vor oder nach der Krim gesagt hat, konnte ich nicht ausfindig machen. Aber es stimmt halt schon: Terrorist ist Terrorist. Egal, wer ihn gerade bezahlt. Früher oder später beißt er dann die Hand, die ihn füttert. Auch das liegt in der Natur der Sache.
Vielleicht sollte man wirklich nochmal so'ne Ladung Waffen abwerfen. Genau zwischen die "Rebellen" und die irakische Regierung und sich dann zurück lehnen und schauen, welche Regierung der Irak in zwei Jahren hat. Es bekommt halt jeder die Regierung, die er verdient.