Wo ja Wahljahr ist

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Toska
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Beitrag von Toska » 09.05.2013, 16:52

Herr Rossi hat geschrieben: Wenn du mich fragst, dann hast du das Kernproblem demokratischer Staaten damit in einen Satz gepackt. In der Theorie sollen Politiker die Interessen ihrer Wähler vertreten und in deren Namen bestimmte Ziele verfolgen. In der Praxis jedoch geht es nur um Sympathien, was zu den absurdesten Ergebnissen in Sachen Interessensvertretung führt.
Erklär mir mal bitte warum du Lafontaine für einen netten Typen halten musst, damit du ihn wählen kannst? Das ist absurd. Der Mensch hat null mit deinem persönlichem Umfeld zu tun. Er soll deine politischen Ziele umsetzen und wenn er das tut, dann hat er seine Aufgabe als Politiker erfüllt.
Eben. Und genau da hab' ich mit Lafontaine schon immer meine Probleme gehabt. Die hätte ich auch bei Franz Josef Strauß (um mal weiter zurück zu gehen), Helmut Kohl oder (in der neueren Vergangenheit) mit Gerhard Schröder gehabt. Mir ist klar, das ein Politiker in erster Linie Machtmensch ist. Wäre dem nicht so, wäre er Rechtsanwalt geblieben. Ist halt ein trauriger Fakt, der nicht zu ändern ist.

Wenn ich jedoch das Gefühl habe, dass der Politiker in erster Linie Politik macht, um seine eigenen Ziele zu fördern (und seinen eigenen Wohlstand zu mehren), als seinem Amtseid nachzukommen, dann bekommt er halt kein Kreuz. Höchstens dann, wenn er von allen das kleinere Übel ist.

Und nein: Von mir aus kann ein Politiker auch ein Kotzbrocken sein (siehe Joschka). Wenn ich inhaltlich einigermaßen mit ihm übereinstimme und den Eindruck habe, dass er kompetent und engagiert ist, dann ist das schon im positiven Sinne entscheidend für mich. Als Teilkriterium. Auswahl und Zusammensetzung der Führungstruppe ist nur ein Aspekt. Es nützt nichts, wenn die Partei tolle Frontleute hat, dafür aber abzusehen ist, dass sie sich im politischen Alltag (egal ob als Regierung oder als Opposition) als Chaostruppe entpuppen werden, die nichts auf die Reihe bekommt. Umgekehrt gilt halt auch: Was nützt mir 'ne gut organisierte Partei mit tollem Programm, wenn die Frontleute machtgeile Arschlöcher sind, die nichts gebacken bekommen?

Nur um das mal mit einem Beispiel zu untermauern: Siehe FDP. In der zweiten und dritten Reihe stechen einige Politiker ab und an mal positiv hervor. Was auch für andere Parteien gilt. Aber vorne weg hast du halt den ständigen Machtkampf zwischen dem inkompetenten Rösler und dem alters-senilen Rainer Brüderle. Aus dem Hintergrund funkt ab und an der schmollend abgesägte Westerwelle dazwischen und von entweder Kubicki, Lindner oder Schäffler gibt es jede Woche neues Störfeuer. Mit Kubicki stimme ich überraschend oft thematisch überein. Frank Schäffler würde ich eine kompetente Wirtschaftspolitik zutrauen, wenn er dürfte, wie er wollte. Aber ungeachtet jeglicher Einzel-Sympathien und gelegentlicher Übereinstimmungen mit einzelnen FDP-Politikern wäre und ist die FDP für mich dennoch komplett unwählbar.

Die FDP ist in vielerlei Hinsicht halt ein Negativ-Beispiel. Und das ohne jetzt nochmal die Themen wie Hotel-Steuer oder Pharma-Lobby aufzugreifen. Als Westerwelle den Parteivorsitz übernahm, ging es so richtig mit ihr bergab. Möllemann mischte damals ja auch noch mit. Westerwelle ist ein einigermaßen und moderat begnadeter Redner ohne viel Charisma. Dennoch ist er ein recht beachtlicher Oppositionspolitiker und hat (z.B. als FDP und Grüne regierten, oder in Opposition zur großen Koalition) oft und gerne den Finger in offene Wunden gelegt. Das gibt Achtungspunkte. Ich hatte noch nie FDP gewählt und hätte es auch 2005 nicht getan. Aber ungeachtet dessen war mir bei der Wahl 2005 klar, dass die FDP besser in der Opposition als in der Regierung aufgehoben wäre. Es gibt halt auch Parteien, die zum Regieren nicht taugen. Bei der FDP bekommt man das in dieser Legislatur-Periode mal wieder in aller Deutlichkeit vorgeführt. Bei den Piraten und anderen kann man es zumindest vermuten.

Ungeachtet allem: Ich denke die Wahl 2012 wird in vielerlei Hinsicht recht interessant werden. Wird es ein "weiter so" geben und bleibt die Republik der Sumpf, der er ist, oder gibt es genügend Andersdenkende, die endlich die Faxen dicke haben und mal "außer der Reihe" wählen, um "den da oben" einen Denkzettel zu verpassen? Vermutlich gibt es jedoch wieder eine halbgare Sache und dann gibt es wieder eine große Koalition.
Grüße,

Toska
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Beitrag von Herr Rossi » 10.05.2013, 07:57

@Toska:

Das kann ich inhaltlich alles nachvollziehen, nur verstehe ich nicht, warum du gerade in Lafontaine einen derartigen Politiker siehst? Sowohl in seinem Handeln im Saarland wie auch auf Bundesebene hat er praktisch immer seinen Kurs strikt durchgezogen. Die Aufgabe seines Amtes im Kabinett Schröder 1999 hat das zudem noch mal deutlichst unterstrichen. Er konnte seine Politik nicht umsetzen, also ist er gegangen.
Es wäre schön, wenn sowas häufiger in der Politik passieren würde. Stattdessen ergeben sich die meisten in endloser Kompromissfindung bis hin zu direkter Lobbypolitik, so dass inhaltlich oft nichts mehr von den eigenen Positionen erkennbar ist. Dazu zähle ich übrigens auch Joschka Fischer. In der Regierungsverantwortung hat es noch zum EEG gerreicht, allerdings wahrscheinlich auch nur, weil das ebenfalls ein Anliegen der SPD war... danach kam aber praktisch nichts mehr. Kriegseinsätze, Sozialabbau, etc... alles unter der Mitwirkung der Grünen und Joschka Fischer.

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Beitrag von cubi » 10.05.2013, 09:47

@Rossi

Nicht zu vergessen das Zementieren von Pseudomedizin und Esoterik im Gesundheitswesen. Das, und die bis dato nicht erfolgte Distanzierung von den Sklaverei-Gesetzen, macht die Grünen für mich unwählbar. Die tollen Errungenschaften in Sachen regenerativer Energie und Atomausstieg waren so gestaltet, das Schwarzgeld sie in kürzester Zeit komplett kassieren konnte!

Was Lafo angeht, stimm ich dir 100% zu.
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Beitrag von Toska » 11.05.2013, 02:41

Och, Leute. Lasst mir doch meine Feindbilder. :D

Man mag Oskar wegen seines Rücktritts für 'nen aufrechten Kerl halten. Auf der anderen Seite zeigt es aber auch die Abgründe seines Versagens auf. Er hatte halt in der SPD nicht den Rückhalt, den er für seine Politik brauchte. Zudem mangelte es ihm sowohl an Überzeugungskraft, als auch an Konsensfähigkeit, um seine langfristigen Ziele zu erreichen. Und ja: Vielleicht wäre es sogar für uns alle besser gewesen, wenn er nicht hingeworfen hätte.

Auf der anderen Seite ist er halt auch nicht der erste erfolgreiche und ambitionierte Landesfürst, der nach dem Wechsel in die Bundespolitik kapital scheiterte. FJS hatte das auch mal toll hinbekommen. Verbleiben wir einfach mal so: Den Oskar von heute halte ich für deutlich erträglicher, als den von anno-dazumal.

@Cubi:
An Joschka gibt es auch endlos viel rumzukritteln - logisch. Aber er konnte die Grünen halt auch in Gefilde peitschen, die ihm selbst nicht so ganz geheuer waren und sein Gesocks garantiert nicht hinwollte. Innenpolitisch waren die Grünen in der Zeit von Joschka (fast) ein Totalausfall - von zweifelhaften Anfangserfolgen mal abgesehen. Da hast du vollkommen recht. Ein Teil davon war auch einfach Blockadehaltung gegen den aufgezwungenen Außenpolitischen Kurs. Aber ich denke schon, dass Joschka in einer recht kritischen Zeit genau der Grüß-August (i.e.: Außenminister) war, den dieses Land brauchte. Über alles andere deckt man besser den Mantel des Schweigens.
cubi hat geschrieben:@Rossi
Das, und die bis dato nicht erfolgte Distanzierung von den Sklaverei-Gesetzen, macht die Grünen für mich unwählbar.
:lol:

Hast du kein Pinup-Poster von Claudia Roth bekommen? :lol:
Grüße,

Toska
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Beitrag von cubi » 11.05.2013, 09:19

nö! gemein! :cry:


Wobei die Eso-Kacke mir am meisten auf den Senkel geht!
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