Eben. Und genau da hab' ich mit Lafontaine schon immer meine Probleme gehabt. Die hätte ich auch bei Franz Josef Strauß (um mal weiter zurück zu gehen), Helmut Kohl oder (in der neueren Vergangenheit) mit Gerhard Schröder gehabt. Mir ist klar, das ein Politiker in erster Linie Machtmensch ist. Wäre dem nicht so, wäre er Rechtsanwalt geblieben. Ist halt ein trauriger Fakt, der nicht zu ändern ist.Herr Rossi hat geschrieben: Wenn du mich fragst, dann hast du das Kernproblem demokratischer Staaten damit in einen Satz gepackt. In der Theorie sollen Politiker die Interessen ihrer Wähler vertreten und in deren Namen bestimmte Ziele verfolgen. In der Praxis jedoch geht es nur um Sympathien, was zu den absurdesten Ergebnissen in Sachen Interessensvertretung führt.
Erklär mir mal bitte warum du Lafontaine für einen netten Typen halten musst, damit du ihn wählen kannst? Das ist absurd. Der Mensch hat null mit deinem persönlichem Umfeld zu tun. Er soll deine politischen Ziele umsetzen und wenn er das tut, dann hat er seine Aufgabe als Politiker erfüllt.
Wenn ich jedoch das Gefühl habe, dass der Politiker in erster Linie Politik macht, um seine eigenen Ziele zu fördern (und seinen eigenen Wohlstand zu mehren), als seinem Amtseid nachzukommen, dann bekommt er halt kein Kreuz. Höchstens dann, wenn er von allen das kleinere Übel ist.
Und nein: Von mir aus kann ein Politiker auch ein Kotzbrocken sein (siehe Joschka). Wenn ich inhaltlich einigermaßen mit ihm übereinstimme und den Eindruck habe, dass er kompetent und engagiert ist, dann ist das schon im positiven Sinne entscheidend für mich. Als Teilkriterium. Auswahl und Zusammensetzung der Führungstruppe ist nur ein Aspekt. Es nützt nichts, wenn die Partei tolle Frontleute hat, dafür aber abzusehen ist, dass sie sich im politischen Alltag (egal ob als Regierung oder als Opposition) als Chaostruppe entpuppen werden, die nichts auf die Reihe bekommt. Umgekehrt gilt halt auch: Was nützt mir 'ne gut organisierte Partei mit tollem Programm, wenn die Frontleute machtgeile Arschlöcher sind, die nichts gebacken bekommen?
Nur um das mal mit einem Beispiel zu untermauern: Siehe FDP. In der zweiten und dritten Reihe stechen einige Politiker ab und an mal positiv hervor. Was auch für andere Parteien gilt. Aber vorne weg hast du halt den ständigen Machtkampf zwischen dem inkompetenten Rösler und dem alters-senilen Rainer Brüderle. Aus dem Hintergrund funkt ab und an der schmollend abgesägte Westerwelle dazwischen und von entweder Kubicki, Lindner oder Schäffler gibt es jede Woche neues Störfeuer. Mit Kubicki stimme ich überraschend oft thematisch überein. Frank Schäffler würde ich eine kompetente Wirtschaftspolitik zutrauen, wenn er dürfte, wie er wollte. Aber ungeachtet jeglicher Einzel-Sympathien und gelegentlicher Übereinstimmungen mit einzelnen FDP-Politikern wäre und ist die FDP für mich dennoch komplett unwählbar.
Die FDP ist in vielerlei Hinsicht halt ein Negativ-Beispiel. Und das ohne jetzt nochmal die Themen wie Hotel-Steuer oder Pharma-Lobby aufzugreifen. Als Westerwelle den Parteivorsitz übernahm, ging es so richtig mit ihr bergab. Möllemann mischte damals ja auch noch mit. Westerwelle ist ein einigermaßen und moderat begnadeter Redner ohne viel Charisma. Dennoch ist er ein recht beachtlicher Oppositionspolitiker und hat (z.B. als FDP und Grüne regierten, oder in Opposition zur großen Koalition) oft und gerne den Finger in offene Wunden gelegt. Das gibt Achtungspunkte. Ich hatte noch nie FDP gewählt und hätte es auch 2005 nicht getan. Aber ungeachtet dessen war mir bei der Wahl 2005 klar, dass die FDP besser in der Opposition als in der Regierung aufgehoben wäre. Es gibt halt auch Parteien, die zum Regieren nicht taugen. Bei der FDP bekommt man das in dieser Legislatur-Periode mal wieder in aller Deutlichkeit vorgeführt. Bei den Piraten und anderen kann man es zumindest vermuten.
Ungeachtet allem: Ich denke die Wahl 2012 wird in vielerlei Hinsicht recht interessant werden. Wird es ein "weiter so" geben und bleibt die Republik der Sumpf, der er ist, oder gibt es genügend Andersdenkende, die endlich die Faxen dicke haben und mal "außer der Reihe" wählen, um "den da oben" einen Denkzettel zu verpassen? Vermutlich gibt es jedoch wieder eine halbgare Sache und dann gibt es wieder eine große Koalition.