"Turks in Germany are a Time Bomb"

Nachrichten und Diskussionen aus dem prallen Leben.

Moderator: Moderatoren

Benutzeravatar
Waterhouse
Geschäftsmodell
Beiträge: 5382
Registriert: 03.09.2002, 15:26
Wohnort: Lakehurst

Beitrag von Waterhouse » 10.05.2013, 09:35

Herr Rossi hat geschrieben:Wirtschaftsflüchtlinge kommen (selbst aus dem EU-Ausland) nur dann ins Land rein, wenn sie einen Job/Einkommen nachweisen können.
Ist das so?
Optimismus ist nur ein Mangel an Information. (Heiner Müller)

Herr Rossi
Geschäftsmodell
Beiträge: 2753
Registriert: 10.03.2008, 13:07

Beitrag von Herr Rossi » 10.05.2013, 09:53

Ja ist so, wobei es natürlich im Detail etwas komplexer ist. Im Kern gilt aber: Du darfst dich nur dann länger in einem EU-Land als Ausländer aufhalten, wenn du dort auch ein Einkommen/Job vorweisen kannst. Von Rumänien nach Deutschland ziehen und H4 beantragen geht definitiv nicht. Für alle Einwanderer, die von außerhalb der EU kommen, gilt entweder das Asylrecht oder sie werden als wirtschaftlich erwünscht betrachtet.

Benutzeravatar
Toska
Geschäftsmodell
Beiträge: 2201
Registriert: 17.07.2007, 17:22
Wohnort: Armenia / Kolumbien

Beitrag von Toska » 11.05.2013, 02:05

Ja, das ist recht komplex. Kenne aus dem kolumbianischen Umfeld einige Fälle, in denen Europäer mit Latein-Amerikanischen Ehe-Partnern die Abgründe des EU-Einreiserechts zu spüren bekamen. Eine Freundin meiner Frau ist mit einem Holländer verheiratet. Seit mehreren Jahren versuchen Sie, für die Frau eine dauerhafte oder zumindest befristete Aufenthaltsgenehmigung in Holland zu bekommen. Da er selbständig ist und schwankendes Einkommen hat, ist das bislang abgelehnt worden. Sie darf maximal sechs Monate pro Jahr in Holland (oder der EU) bleiben. Halt 3-Monats-Visum, was einmal um drei Monate verlängert werden kann. Aber auch das ist schon abgelehnt worden. Mit diesem Touristen-Visum darf sie natürlich nicht arbeiten und eine gemeinsame Lebensplanung ist bei dieser Etappen-Ehe sowieso nicht möglich.

In Deutschland ist das bei Ehegatten-Nachzug etwas weniger strikt, aber die Hürden sind dennoch recht hoch. Schon ein Kurzbesuch von meiner Frau und mir bei der Familie in Deutschland (Weihnachten z.B.) würde Wochen der Vorbereitung erfordern. Inklusive mindestens einem persönlichem Termin bei Botschaft/Konsulat zwecks Visum-Anfrage, Bürgschaften, Einkommensnachweisen, gebuchtes Rückflugticket, Hotelbuchungen und/oder Bestätigungen der Familie, dass man in der Zeit des Besuchs bei denen wohnt und ähnliches. Egal ob Ausländerbehörde, Botschaft oder Konsulat: Letzten Endes ist es eine Ermessenssache des Sachbearbeiters, ob ein Visum erteilt wird, oder nicht. Einen gesetzlich geregelten Anspruch auf ein Visum gibt es nicht und es ist immer eine Einzelentscheidung nach Prüfung der Sachlage.
Rossi hat geschrieben: Dabei spielt übrigens die Sprache nur in sofern eine Rolle wie dies vom Arbeitgeber verlangt wird.
Kann man pauschal so nicht sagen und auch das liegt immer im Ermessen des Sachbearbeiters. Für einen ausländischen Arbeitnehmer wird ja in der Regel sowieso erstmal nur eine befristete Aufenthaltsgenehmigung von ein bis maximal drei Jahren ausgestellt. Wenn diese zur Verlängerung ansteht, wird ebenso wie bei der Erstaustellung eines Visum für den Ehegatten-Nachzug ein erfolgreiches Absolvieren des Sprachtests Deutsch Stufe A1 gefordert. Bei Ehegatten-Nachzug war es sogar bis Oktober 2012 so, dass der Test VOR Erteilung des Visums abgelegt werden musste. Das BVG hat diese Praxis aber dann kassiert und der Test darf nun auch nachträglich (aber zeitnah) in Deutschland abgelegt werden.

Dann wiederum gibt es Konstellationen, in denen die Hürden ganz niedrig liegen: Lebt bereits ein Teil der Familie in Deutschland (eingebürgert oder auch mit befristetem Bleiberecht) und muss ein anderen Teil der Familie nachziehen, geht es in gewissen Konstellationen erstaunlich einfach. Da die gesetzliche Krankenkasse in vielen Fällen auch für nicht erwerbstätige Familienmitglieder aufkommt, die dauerhaft im Ausland leben, spielt es dann keine Rolle mehr, wenn man z.B. die pflegebedürftigen Eltern nachziehen lässt. Ich will das keinesfalls kritisieren und halte das weder für schlecht, noch für problematisch. Das ist vielmehr soziale Gerechtigkeit und Vernunft. Dass auf der anderen Seite einem ausländischen Ehepartner eines Deutschen selbst bei einem Touristenvisum erstmal von Amts wegen Sozialschmarozertum unterstellt wird und man umständlich das Gegenteil beweisen muss, ist dann halt schon weniger leicht verständlich.

Wer sich mit Ausländerrecht und Sozialgesetzgebung auseinander setzten muss hat auf jeden Fall hinterher was zu erzählen. Meistens nichts gutes. :wink:
Grüße,

Toska
________________________________________
Optimismus ist lediglich ein Mangel an Information
2:191

Antworten