Das Elend der Krisenländer

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Herr Rossi
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Das Elend der Krisenländer

Beitrag von Herr Rossi » 27.09.2013, 11:29

Ich glaube es war in der Welt, in der ein Artikel darüber erschien, dass Spanien angeblich die Krise hinter sich lassen würde.

Aktuell habe ich mal wieder ein paar Zahlen gewälzt. Guter Anlaufpunkt dafür ist immer wieder querschuesse.de. Passend dazu hat er sich die Zahlen zu den aktuellen Hypothekenkrediten und den fertiggestellten Wohnungseinheiten vorgenommen.
Was man anhand der Zahlen ganz sicher nicht sieht ist ein Ende der Krise. Vielmehr kann man von einem totalen Zusammenbruch des Marktes sprechen. Die Zahlen liegen weit unterhalb dessen, was die statistische Erfassung am Anfang der Erhebung in den 70er Jahren aufzeigt.
Hinzu kommt, dass die Banken schon wieder mit ihren Verfälschungen anfangen und Sicherheiten (in dem Fall von Immobilien) viel zu hoch bewerten, was widerum zu Ausfällen von dutzenden von Milliarden an Krediten führen kann. Das Spiel geht also weiter wie eh und je und unsere Politiker weigern sich wie immer auch nur darüber nachzudenken die Regeln zu ändern. Ehlend hoch zehn!

Da ich momentan auf La Palma / Kanaren bin kann ich mir das ganze Ausmaß an Wahnsinn übrigens schön vor Ort anschauen. Endlos viele von der EU geförderte Projekte, in die gigantische Millionensummen geflossen sind und teilweise noch fließen, stehen auf der Insel rum. An Sinnhaftigkeit braucht man da in vielen Fällen erst gar nicht zu denken. Teilweise fangen die Sachen bereits nach ein paar Jahren an wieder zu verfallen. Parallel baut man aber natürlich fleißig weiter an neuen Projekten. So hat hier die EU auf der Westseite mal eben 50 Millionen für einen Ausbau eines Hafens gewährt, damit dieser Kreuzfahrt- und Containerschiffe bedienen kann. Kommen werden die ganz sicher nicht... fassen könnten die Käffer mit ihren paar Tausend Einwohner sowas eh nicht.
Weiterhin sieht man hier an jeder Ecke nicht fertiggestelle Bauruinen und gefühlt steht jedes zweite Haus / Finka zum Verkauf oder will vermietet werden. Wenn man dann parallel mal bei den Immobilienhändlern nach Preisen schaut, dann will man zunächst seinen Augen nicht glauben. Da werden tatsächlich mal locker 200k EUR und mehr für schrottigste Immobilien aufgerufen. Wenn man das sieht und sich dann vorstellt, dass der Müll wahrscheinlich mit genau solchen Fantasiepreisen in den Bilanzen der Banken auftauchen, dann wundert einen gar nichts mehr...

Ich bin gespannt wie lange es noch dauert bis uns der Scheiß endgültig richtig um die Ohren fliegt. Ich finde es schon ziemlich erstaunlich, dass man so viele Jahre seit 2008 geschafft hat die Kernschmelze nach hinten zu schieben. Kommen wird sie aber ganz bestimmt.

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Malagant
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Beitrag von Malagant » 27.09.2013, 11:46

Ich glaube in Spanien ist (jetzt?) u.a. auch ein Änderung mit Immobilien und der Vererbung derer entstanden. So das Investoren später mal besagte Immobilien quasi an Vater Staat zurück geben bzw. sehr viel Steuern dafür bezahlt werden müssen. Keine Ahnung ob es stimmt.

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Beitrag von Toska » 30.09.2013, 02:50

Hi Rossi,

Mein Vater hat geschäftlich seit 35 Jahren mit Spanien zu tun und lässt dort Reisemobile fertigen. So in Schnitt ist er die ganzen Jahre über 10-20 mal pro Jahr dort in der Gegend zwischen Benicarlo und Alicante unterwegs. Ich war im Laufe der Jahre öfter mal mit und so mancher Urlaub wurde halt auch dort verbracht, weil man halt Kontakte dahin hat und weiß, wo die schönen Flecken sind.

Über spanische Immobilien könnte ich auch so das eine oder andere Husarenstück erzählen, lasse es aber. Lieber mal ein paar Fakten zu Spanien aus der Sicht der Latein-Amerikaner: Die Spanier sind - was die Latinos angeht - von einer gnadenlos versnobten Übererheblichkeit geprägt. Für die ist das halt alles "meuterndes Kolonisten-Pack", welches durch jahrhundertelange Inzucht mit den Indios total verkommen ist. Wickel das mal in ein paar Lagen "political correctness", aber unterm Strich ist es halt das Verhältnis der Spanier zu Kolumbien, Panama, Venezuela, Peru und halt den anderen ex-Kolonien hier.

Seit der Finanzkrise geben sich die spanischen Politiker hier die Klinke in die Hand. Inklusive dem spanischen Königshaus. Die sind sich nicht zu schade, trotz all dem Snobismus bei allen ex-Kolonien auf Knien um Unterstützung zu betteln. Das geht so weit, dass Spanien den ex-Kolonien Visa-freie Einreise nach Spanien angeboten hat. Was quasi ein Aufkündigen des Schengen-Abkommens bedeuten würde. Die kolumbianischen Familien sind recht groß und in jeder Familie ist mindestens irgend einer (und wenn es nur ein Cousin ist), der entweder in Spanien arbeitet, oder in Spanien gearbeitet hat. Allerdings hat sich der Trend seit 2007 auch gewendet. Mittlerweile leben und arbeiten fast mehr Spanier in Kolumbien, als Kolumbianer in Spanien.

Diejenigen Kolumbianer, die noch in Spanien Arbeit haben, leben auf ganz kleiner Flamme und halten ihr Licht unterm Scheffel. Bloß nicht auffallen, nirgendwo anecken und sehen, wie lange das noch gut geht. Die Anfeindungen sind dort halt auch temperamentvoll und extrem heftig. Teilweise reine Neidkultur gepaart mit altkolonistischem Rassismus. Das Spanisch der Latinos ist stark mit Wörtern durchsetzt, die auf muselmanischen Ursprung zurückgehen. Die Kontinental-Spanier haben irgendwann mal Tabula-rasa gemacht und den Wortschatz ausgemistet. Der Latino sticht mit seinem Spanisch-Dialekt dann halt sofort hervor und das kann selbst in guten Restaurants dazu führen, dass auf einmal der holländische Ehemann die Bestellung der kolumbianischen Frau aufgeben muss, weil der Kellner sie komplett ignoriert und tut, als säße sie nicht mit am Tisch.

Unterm Strich sind die Probleme Spaniens gewaltig. Man muss an sich jederzeit damit rechnen, dass die spanischen Banken kippen und das komplette Land in den Bankrott reißen. Derweil sitzt jeder dritte spanische Jugendliche arbeitslos auf der Straße. Beste Qualifikationen und Praktika garantieren auch da keinesfalls eine Chance auf eine Tätigkeit irgend einer Art. Der soziale Sprengstoff hat sich in Spanien bereits mehrmals lokal entladen und dabei fast bürgerkriegsähnliche Szenen produziert. Aber irgendwann fliegt es halt auseinander und weder die spanische Regierung noch die EU wird den Deckel draufhalten können.
Grüße,

Toska
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Beitrag von Herr Rossi » 30.09.2013, 08:08

@Toska: Die Mentalität kann ich mir gut vorstellen. Das passt schon! :P
Wobei das auf den Kanaren hier wahrscheinlich etwas anders aussieht. Hier sind Hunderttausende Richtung Latein-/Mittelamerika ausgewandert. Da dürften die Beziehungen etwas anders aussehen.
Was mich persönlich doch etwas verwundert ist die Tatsache, dass die Immobilienblase praktisch immer noch existiert. Sobald da endgültig die Luft rausgelassen wird, dann knallt es hier erst richtig. Gestern wieder gesehen: Schrottigste Bruchbude, 63qm Wohnung, 120k EUR... vollkommen wahnsinnig.

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Beitrag von Malagant » 30.09.2013, 09:23

Obwohl ich mir vorstellen kann, dass die Preise auf den Kanaren ja noch einmal andere sind als auf dem Festland. Ungeachtet dessen sind eben die hohen Steuern nicht gerade förderlich "fremde" Investoren in das Land zu locken.

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Beitrag von Herr Rossi » 30.09.2013, 17:28

Sind die so hoch? Hab da keine Ahnung von...

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Beitrag von Toska » 30.09.2013, 23:11

Herr Rossi hat geschrieben:@Toska: Die Mentalität kann ich mir gut vorstellen. Das passt schon! :P
Wobei das auf den Kanaren hier wahrscheinlich etwas anders aussieht. Hier sind Hunderttausende Richtung Latein-/Mittelamerika ausgewandert. Da dürften die Beziehungen etwas anders aussehen.
Kann ich mir gut vorstellen. Auf den Inseln sind die wohl etwas lockerer und Tourismus und Fremdenfeindlichkeit vertragen sich halt nicht. Würd' mich auch nicht wundern, wenn auf den Kanaren so mancher Kolumbianer jobbt. Die dürften sich da fast fühlen, wie auf San Andres. Das ist das Mallorca Kolumbiens und liegt auf halben Weg zwischen Panama und Kuba.
Herr Rossi hat geschrieben: Was mich persönlich doch etwas verwundert ist die Tatsache, dass die Immobilienblase praktisch immer noch existiert. Sobald da endgültig die Luft rausgelassen wird, dann knallt es hier erst richtig. Gestern wieder gesehen: Schrottigste Bruchbude, 63qm Wohnung, 120k EUR... vollkommen wahnsinnig.
Das wird halt künstlich aufrecht gehalten, so lange es geht. Hab da ein Beispiel: Auf der Route von meinem Vater liegt ein Grundstück an einem Berghang (fast Klippe). Prima Meerblick, allerdings hast du dort ohne Gleitschirm kein direkter Zugang zum Felsen-Strand. Da liegt halt unten noch etwas Vorland dazwischen und bis du mit dem Auto am von da am Meer bist, brauchst du ca. 15-20 Minuten über ein gewundenes Sträßchen. In näherer Nachbarschaft sind vereinzelt ein paar verfallene Steingebäude, die wohl irgendwann mal auf landwirtschaftlich genutzt wurden. Viel wächst da oben am Hang allerdings sowieso nicht mehr.

Irgendwann Anfang bis Mitte der 80'er ist ihm dort an einem teilweise ummauerten, teilweise umzäunten und unbebautem Grundstück das "Zu Verkaufen" Schild aufgefallen. Preis stand dran - umgerechnet 35.000 DM für 400m². Der Preis ging zwischendurch mal bis auf 200.000 EUR hoch, als gemunkelt wurde, dort oben würde ein Villenviertel entstehen. Ja nee, ist klar. OK, exklusive Lage mit Meerblick. Aber am Arsch der Welt. Seit ein paar Jahren steht eine Bauruine darauf. Sollte wohl 'ne Villa oder Finca werden. Man ist beim Mauerwerk noch nichtmal mit dem Erdgeschoss fertig geworden. Also kein Dach und sowieso kein Innenausbau. Mit der Ruine drauf soll der Spaß jetzt 249.000,- EUR plus Maklergebühr kosten. Strom, Telefon, Wasser, Abwasser? Nächste Anschlussmöglichkeit locker 2-4 Kilometer die Straße runter oder hoch. Wurde bislang nicht angegangen und hat vermutlich dem vorherigen Bauherren das Genick gebrochen.

Das sind halt so Baumaßnahmen ohne Sinn und Verstand. Dort das Nötigste hinlegen zu lassen, kostet sicherlich mal so eben um die 50.000 EUR, da man die halbe Pampa aufreißen und wieder zuschütten muss. Gegebenenfalls lässt sich die spanische Gemeinde dabei gleich noch die Straße mitbezahlen, dann kostet es auch gerne mehr. Ob und wie da der Müll abgeholt wird, ist auch unklar. Die Śpanier haben da total die Gier im Auge und hoffen einfach drauf, dass sich irgend ein Dummer findet. Da geht keiner freiwillig mit dem Preis runter, solange in der Nachbarschaft alles Vergleichbare auch so in etwa auf dem Niveau ist.

Der spanische Fabrikant meines Vaters wollte vor ein paar Jahren sein Werk erweitern und brauchte dazu halt benachbarte Flächen. Es war dann aber für ihn billiger, zwei Kilometer außerhalb von Ort auf der grünen Wiese neu zu bauen und die Firma zu verlagern, als die benachbarten Brachflächen rund ums bestehende Werk aufzukaufen und dort zu bauen. Das kann einem zwar auch in D-Land passieren, aber wenn dann ein Landwirt jenseits von 200 EUR pro Quadratmeter für eine strauchige Staubwüste haben will, dann ist das schon der reinste Wucher.

Klar, die spanische Immo-Blase wird platzen und sie hat derweil lange genug angehalten. Nur hoffen wohl alle darauf, vorher noch ihren Kram möglichst hochpreisig loszuwerden. Unter der Hand ist so manche "pseudo Luxusbleibe" dann für einen deutlich niedrigeren Preis zu haben, weil die privaten Eigentümer jetzt dann doch auf die Kohle angewiesen sind. Andererseits: Der Kram, der den Banken gehört - und das ist der Kernpunkt der Blase - bleibt hochpreisig und da wird nichts nachgelassen. Denn der "hohe Wert" der Immo ist Aktiva und das sieht in der Bilanz besser aus, als wenn es real bewertet würde.

Müssten die spanischen Banken alle ihre Immos neu und nach realistischem Marktwert bewerten, wären sie schon seit Jahren komplett weg vom Fenster. Das ganze ist halt ein einziger Riesen-Bluff. Der funktioniert nur so lange, bis einer "sehen will". Da die Banken sich alle gegenseitig Geld schulden, will halt keiner sehen, weil jeder genau weiß, dass das Luftschloss dann zusammen fällt.
Grüße,

Toska
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