Die Engländer kennen keine Limits mehr

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Herr Rossi
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Die Engländer kennen keine Limits mehr

Beitrag von Herr Rossi » 15.12.2013, 20:57

Fand es ja schon bezeichnend als man auf der Insel die Polizei zu einem Großteil privatisieren wollte, aber wer glauben würde, dass man dort aufhören würde, der ist falsch gewickelt:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/tech ... 39212.html
Nun gibt man also auch noch die militärische Technik in Privathand.
Ein echtes Trauerspiel. Dort war man mal Vorreiter in Sachen Demokratie und was bleibt von dem Land aktuell? Komplette Deindustrialisierung, eine Landwirtschaft, die nicht ausreicht, um das eigene Volk zu versorgen, ein einziger Wirtschaftsfaktor, das Bankenwesen, das eine kleine Oberschicht in Geld erstickt und eine Bevölkerung, die Beifall klatscht ob ihrer massiven staatlichen Gesamtüberwachung und das ganze wird gekrönt von einer negativen Handelsbilanz.
Briten, ihr wollt aus der EU? Warum eigentlich nicht? China würde euch sicher als Kolonie aufnehmen...

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Toska
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Beitrag von Toska » 16.12.2013, 04:15

Ja, die haben total abgewirtschaftet - keine Frage. Aber die Privatisierung dort wird nicht durchgehen.

Solange UK in den Kaufvertrag mit der F-35B eingebunden ist, wird die Privatisierung der Wartung nicht durchgehen. Das US-Militär und die US-Hersteller haben bei sensibler Hardware ganz klare Vorschriften, wenn diese bei Verbündeten eingesetzt wird. Im schlimmsten Fall erhält das britische Corps of Engineers dann weder Training noch Wartungsunterlagen oder Programmiergeräte für die Avionik der neuen Vögel und dann können sie außer Ölwechsel und Scheiben putzen sowieso nichts machen.

Die entsprechenden Politik-Darsteller bei den Briten wissen das sicherlich (mittlerweile) auch. Spätestens nachdem man es ihnen von der einen oder anderen Seite gesteckt hat. Die müssen halt sparen und da ist derzeit halt jede Schnapsidee irgendwo recht. Bis man ihnen halt steckt, warum das nicht geht, oder was das dann extra kostet.

GB ist leider in einige langfristige Militärdeals eingebunden. Die sind natürlich kostspieliger, als man sich das leisten kann. Zumal die Verträge allesamt halt auch so wasserdicht sind, dass man aus keinem mehr rauskommt, ohne fett drauzuzahlen. Aber so ein bisschen Großmachtgetue muss halt noch sein und so hat man mehr eingekauft, als man sich selbst in besten Zeiten hätte leisten können. 1982 hat man Argentinien ja gerade so noch abhalten können, sich die Falklands zu holen. Und hier und da sind noch ein paar Krümel vom alten Empire übrig, die man verteidigen muss. Die Atom U-Boote sind ein riesiger Kostenfaktor. Von der neuen Astute-Klasse hat man gleich sieben Stück geordert, die bis 2024 geliefert werden sollen. Stückpreis so um die Milliarde und wenns fertig wird halt gerne mehr.

Dann hat man die alten Träger ausgemustert und zwei neue angeschafft. Sollten so groß wie die Nimitz-Klasse der Amis sein. Keine STVOL-Träger, sondern CATOBAR-Träger für vollwertige Kampfflugzeuge. Man musterte Flugs die Harrier-Jumpjets aus und leaste schonmal eine Handvoll F-18 als Ersatz, da die bestellte F-35B ja noch nicht fertig war und wohl noch bis 2020 auf sich warten lassen. Dummerweise hat man sich beim Antrieb der Träger für Elektro-Antrieb entschieden, die Strom aus Gasturbinen bekommen. Also kann man keine Dampfkatapulte einbauen, weil es schlicht keinen Dampf an Bord gibt. Kein Problem, die Amis werkeln an Induktions-Katapulten. Also flugs sechs Stück bestellt und dann hintenrum umgefallen, als die Amis dafür zwei Milliarden USD wollten. Dann wollte man auf einmal nur noch einen Träger haben. Aber wegen des Kleingedruckten im Vertrages wäre eine Abbestellung teurer, als das zweite Ding doch zu bauen und es dann auf Halde zu legen. Jetzt baut man doch zwei Träger, jedoch wieder in STVOL-Konfiguration und bekommt dann 2020 eine Kombination aus Schiffen und Flugzeugen, die weniger leisten können, als das Altmetall, welches man gerade in Rente geschickt hat.

Beim Eurofighter war man auch ganz groß mit dabei und wollte 232 Stück haben (Option für 336) und bevorzugt beliefert werden. Als dann die Kohle richtig knapp wurde, wollte man nur 123 haben. Die Verträge waren aber so wasserdicht, dass UK halt mal wieder massiv draufbezahlt hätte. Also hat man die Eurofighter genommen und (bis auf eine Handvoll der neuesten Tranche) zunächst eingemottet. Die ersten 72 seiner Eurofighter hat GB mittlerweile an Saudi-Arabien verkauft, weil die UK-Variante der Tranchen I und II nur als Abfangjäger einsetzbar ist und nur mit Millionenaufwand auf den aktuellen Stand der Technik zu aktualisieren wäre. Selbst der Eurofighter der modernsten Tranche kann weder die neuen Meteor Luft-Luft-Raketen noch die Alarm Anti-Radiation-Missile einsetzen. In Sachen "Smart-Munition" ist der Vogel auch strunzdumm, es gibt keine konformen Treibstofftanks und kein Thrust-Vectoring und die Integration der Smart-Helmets kneift an allen Ecken und Enden. UK will den Vogel so schnell es geht loswerden. Aber selbst die Saudis wollen ihn nicht mehr, seit sie soviele F-15's bekommen können, wie sie per cash&carry bezahlen können.

Die Militärausgaben der Briten beliefen sich selbst in 2012 (nach harten Spar-Runden, die total an die Substanz gingen) noch immer auf 60,8 Milliarden USD. Damit liegen sie an vierter Stelle weltweit und zwischen dem, was Russland und Japan ausgeben. Zum Vergleich: Das entspricht dem Militärbudget von Südkorea, Australien und Türkei zusammen. Deutschland: 45,8 Milliarden USD. Im Vergleich Militärausgaben <-> BIP geben die Briten fast das doppelte von dem aus, was Deutschland für seine Trachtengruppe "Y-Reisen" ausgibt.

Zudem haben die Briten nur noch Krümel seines einst so berühmten militärisch-industriellen Komplexes. Selbst den hat man nicht vor der Pleite bewahren können und egal ob Rolls-Royce (Triebwerk-Sparte), BAE Systems, Westland Helicopters ... nach viel Konsolidierung, Quasi-Verstaatlichung, Merger und Privatisierung überleben die wenigen Rüstungsfirmen in UK nur, weil sie am Tropf hängen und von den Amis mit durchgefüttert werden, bzw. sowieso teilweise US-Investoren gehören.

Wie schlecht es den Briten geht, sieht man unter anderem daran, dass sich die Staatsverschuldung von 2007 bis 2011 verdreifacht hat. Die packen jedes Jahr 15-20% vom BIP auf die Staatsschulden drauf, während die Wirtschaftsleistung pro Jahr um bis zu 10% (wie z.B. 2009) sinkt.

Die sollten es besser sein lassen, weiterhin Empire spielen zu wollen. Mit etwas Arsch in der Hose würden die U-Boote reichen. Ggf. müsste man halt mal demonstrieren, dass die Trident-Raketen noch funktionieren. Es halt so wie Reagan machen, der wenige Tage vor Amtsantritt den Iranern ausrichten ließ: "Wenn die Botschafts-Geiseln bis zu meinem Amtsantritt als Präsident nicht frei sind, lasse ich als erste Amtshandlung Mekka in Saudi Arabien atomar bombardieren." Was die zweite Amtshandlung sein würde, brauchte er nicht zu sagen. Die Iraner ließen sich trotzdem ein paar Stunden zuviel Zeit und die B-52 waren schon unterwegs, als der Recall kam.
Grüße,

Toska
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Beitrag von Lord_Vader » 16.12.2013, 19:17

England kann nicht aus der EU heraus. Goldman Sachs hat es verboten.
<~>
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Beitrag von Toska » 16.12.2013, 20:29

Lord_Vader hat geschrieben:England kann nicht aus der EU heraus. Goldman Sachs hat es verboten.
Schau dir Italien an. Das wurde 'ne Weile direkt von Goldman Sachs regiert. Nicht durch Politik-Muppets, sondern direkt von ehemaligen Mitarbeitern aus den oberen Etagen: Romano Prodi, Mario Monti und heute Enrico Letta. Selbst der derzeitige Staatspräsident Giorgio Napolitano (strammer Kommunist!) wurde von Prodi vorgeschlagen. Frag sich mal einer, warum.

Dennoch: In Italien kocht es. Die Hoffnung der Politiker, es sei zu kalt zum demonstrieren, ging nicht auf:
Italien in Aufruhr: Bürger mit Mistgabeln gegen die Regierung

Die Demonstranten fordern außerdem einen grundlegenden Wandel des Verhältnisses Italiens zur EU. Wesentlich deutlicher fordern Sie eine Rückkehr zur Souveränität des italienischen Volkes und eine eigene Währung als Parallelwährung zum Euro. [...]

Quelle: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten ... regierung/
Und:
Italien: Polizisten nehmen Helme ab und folgen Demonstranten
Quelle: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten ... nstranten/
In Italien nennt sich die Protestbewegung "Forconi" (Heugabeln) und das ist nicht politisch motiviert oder angefeuert. Keine einzelne Partei macht da mobil. Es sind nicht nur die 27% Arbeitslosen oder die sieben Millionen Jugendliche ohne Arbeit, oder nur die Rentner, die wieder abgeschröpft wurden. Nicht nur rechte oder linke. In den System-Medien ließt man natürlich nichts davon. Bis auf von der Aktion, wo "Neo-Nazis" die EU-Flagge von der EU-Vertretung gerissen haben.

Die dortige derzeitige Unruhe wird natürlich auch von Beppe Grillo genutzt, dessen Forderungen allerdings im Vergleich zu denen der Demonstranten recht handzahm sind. Dennoch konnte auch er bei arschkaltem Wetter 200.000 Gefolgsleute auf die Straße bringen und ihnen verbal einheizen.

In Kernländern der EU (Frankreich, Großbritannien, Italien) wird seit einigen Monaten deutlich, dass es auf der einen Seite eine recht zahme politische Opposition gibt, die ebenfalls den Status Quo wahren will und Teile der EU abbauen möchte. Und Demonstranten, die gleich ganz Tabula-Rasa machen möchten. In der Presse liest man dann meist von ausländerfeindlichem rechten Gesocks, oder es wird einfach verschwiegen, dass plus hunderttausend Leute (z.B. in Mailand und Genua) auf die Straße gingen. Oder das Thema der Demonstration wird umgedeutet ("... demonstrierten gegen das Schulsystem").

Um zum Thema zurück zu kommen: Goldman Sachs mag die Politik und die Medien kontrollieren. Die Politik kontrolliert die Polizei und das Militär. Aber wenn die Polizisten die Helme abnehmen und mitmarschieren, dann kann Goldman Sachs machen, was es will. Sobald das bei mehr als einer Demonstration passiert und die dann aus dem Ruder läuft, wird es eng.

Es gibt 'ne Sache, die hab ich vor 25 Jahren mal bei einer Demo erlebt und das war schon 'ne extrem grenzwertige Erfahrung: Du kannst 'ne Demo ausrufen. Aber du kannst sie nicht kontrollieren. Es gibt eine Dynamik der Masse und das Ding kann wie ein Selbstläufer zu jedem Zeitpunkt aus nichtigstem Anlass in Richtungen eskalieren, die nicht vorhersehbar sind. Mich würde derzeit nicht wundern, wenn das Ende der EU nicht von Athen, London oder Madrid ausgeht, sondern die Sache in Mailand, Apulien oder Sizilien seinen Anfang findet.

Die Italiener wissen, wer sie regiert und die sie haben die Faxen dicke.
Grüße,

Toska
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