Herr Rossi hat geschrieben: ↑12.09.2022, 09:56
Toska, ich traue mir zu all dem -wie gehabt- keine richtige Bewertung zu. Wenn du Recht hast mit den vielen Defiziten der russischen Armee, dann werden wir es sehen. Informationen oder Darstellungen zu Details von was auch immer vor Ort, bin ich extrem skeptisch gegenüber. Es tobt neben dem militärischen Krieg nunmal auch ein riesiger Propagandakrieg.
Ist klar. Allerdings zeigt die Rückeroberung von so viel Gebiet in nur fünf Tagen halt auch Tatsachen auf, die sich mit Propaganda nicht mehr wegerklären lassen. Da werden gerade harte Fakten geschaffen.
Herr Rossi hat geschrieben: ↑12.09.2022, 09:56
Ich habe auch etwas Zweifel daran, dass die erfolgreiche Offensive der Ukraine direkt das Ende des Krieges in Form einer russischen Niederlage einleiten wird. Ich sehe das eher als eine weitere Eskalation. Da andere das besser und fundierter analysieren können, hier mal ein Artikel, der das beschreibt, was ich aus meiner Laiensicht befürchte:
https://globalbridge.ch/krieg-in-der-uk ... ie-spitze/
Der Artikel ist von Gilbert Doctorow und das ist ein ziemlicher "Russland-Kenner". Schrieb unter anderem für Nationalinterest, Russia-Insider, Anti-War-Dotcom und andere Publikationen, die mir als
sehr Pro-Russisch aufgefallen sind. Wirf mal einen Blick auf seine
Publikationen beim Propaganda-Outlet Russia-Insider. Da sind so tolle Schmankerl bei wie
"Putin Is Soft. He Should Learn to Scare the West Like Khrushchev Did." OK, Doctorow sagt dann zwar in seiner Einleitung, dass er extra einen so "trolligen" Titel gewählt hat, um zu provozieren. Nur: Der Artikel IST dann DOCH genau das, was ich von einem Putin-Troll mit Doktor-Titel erwarten würde.
In dem von dir zitierten Artikel geht Doctorow insbesondere auf Wladimir Solowjow ein, der mit seiner Talkshow wie kein anderer ein öffentliches Einpeitschen in Russland betreibt. Ich hatte den die Tage ja auch schon mal verlinkt, weil er einen schönen Einblick in das bietet, was die Russen gerade in ihren Medien zu hören und zu sehen bekommen.
Ich finde es schon interessant zu sehen und zu lesen, was Putin-Trolle, "Putin-Versteher" und Russland-Sympathisanten gerade so von sich geben. Aber ich bin da vorsichtig, mich deren Schlussfolgerungen anzuschließen.
Herr Rossi hat geschrieben: ↑12.09.2022, 09:56
Russland, so Solowjow, sollte sich von der bisherigen Zurückhaltung befreien und die ukrainische Infrastruktur mit der doppelten Nutzung – zivil und militärisch – zerstören, die es bisher ermöglicht hat, westliche Waffen quer durch das Land an die Front zu transportieren. Das Eisenbahnsystem, die Brücken, die Elektrizitätswerke – sie alle sollten nun neu zu erlaubten Zielen werden. Außerdem sollte Kiew von Raketenangriffen und der Zerstörung der Ministerien und des Präsidialapparats, die für die Fortführung des Krieges verantwortlich sind, nicht länger verschont bleiben.
Da ist der Wunsch Vater des Gedanken. Die Russen tun all das schon seit Kriegsbeginn. Der Angriff auf Kiev als erste Kriegshandlung war ein geplanter Enthauptungsschlag und ging in die Hose. Seitdem hauen die auch wie bescheuert in die Infrastruktur der Ukraine rein, aber:
- Sie haben keine Präzisionsmunition
- Das was wirklich präzise war und Reichweite hatte ist nur noch in kleinen Mengen vorhanden
- Haben keine Lufthoheit für Penetrations-Schläge
- Artillerie und MLRS haben nicht die benötigte Reichweite
Von daher: Ohne auf Raketen aus dem nuklearen Arsenal zurückzugreifen (egal ob dann nuklear bestückt oder konventionell) haben die Russen da nichts mehr, was in nennenswertem Umfang eingesetzt werden kann, um diese feuchten Träume umzusetzen.
Nun stell dir mal im Gegenzug vor, jemand im ukrainischen Fernsehen würde fordern, "Seletsky sollte sich von der bisherigen Zurückhaltung befreien und die russische Infrastruktur (in Russland!) mit der doppelten Nutzung – zivil und militärisch – zerstören". Die Ukraine wäre mittlerweile dazu in der Lage auch Ziele tief in Russland zu beschießen. Das nur mal so nebenbei.
Herr Rossi hat geschrieben: ↑12.09.2022, 09:56
Daher: Ich halte es für einen Wahnsinn, in jeglicher Hinsicht. Es ist höchste Zeit, dass alle wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren. Aus diesem Konflikt entstehen nur immer neue Katastrophen. Wir wissen doch aus der Geschichte wie sowas enden kann. Ich will keinen dritten Weltkrieg, egal wer für welche Seite auch immer kämpft, ob es irgendwie berechtigt erscheint oder nicht.
Korea, Vietnam und Afghanistan haben auch nicht zum 3. Weltkrieg geführt, obwohl sich da jeweils andere atomare Supermächte in die imperialistischen Kriege einer anderen Atommacht einmischten. Und ja! McArthur hatte in Korea ernsthaft den Einsatz von Atomwaffen gefordert, als ihm die Chinesen den Arsch versohlten. Und wurde dafür sofort in Schimpf und Schande abgelöst.
Russland ist der Aggressor und hält noch immer ukrainisches Staatsgebiet und ukrainische Staatsbürger als Geiseln. Marcon telefoniert wohl täglich mit Putin und Scholz wohl auch öfter. Zudem laufen seit Wochen die Dialoge zwischen russischen und ukrainischen Diplomaten unter türkischer Auspice in der Türkei. Von daher: Wenn Russland einen Verhandlungsfrieden will, dann sollte dem doch nichts im Wege stehen.
Der Punkt ist, dass Russland keinen Verhandlungsfrieden will, solange es seine politischen und militärischen Ziele nicht erreicht hat. Ein Sieg Russlands (kriegerisch oder am Verhandlungstisch) wird keinen Frieden bringen, sondern nur eine Kampfpause. Danach geht es dann nahtlos weiter. Und nicht nur in der Ukraine.