Wenn ich mich recht entsinne: Unsere Presse hat doch erst darüber berichtet, als die Suppe in den USA hochkochte und die Auslandspresse schon mit dem Holzhammer auf VW einschlug.Icho Tolot hat geschrieben:Es liegt doch auf der Hand, dass die Presse, die sich durch Werbung finanziert, immer ein bisschen darüber nachdenkt, ob das eine oder andere Thema vielleicht den Kunden verärgert. Dies ist ein Phänomen, das durch die sinkenden Abonnenten-Zahlen verschärft wird. Die freie Presse ist nur dann frei, wenn die Leser journalistische Unabhängigkeit finanzieren.
Aber: wie sind dann kritische Artikel zum Beispiel zum Abgas-Skandal zu erklären?
Ich bin mit den genauen Anfängen des Abgas-Skandals nicht mehr so ganz vertraut, aber ich meine mich da an folgendes zu Entsinnen. Und lasse mich gerne berichtigen, wenn ich das falsch in Erinnerung habe:
- Verantwortlichen in der BuReg war bereits vorher bekannt, dass VW (und fast alle anderen auch) bei den Abgaswerten schummeln.
- Es war klar, dass dadurch sowohl der Käufer als auch der Staat beschissen wird und es zu Mindereinnahmen bei Steuern und Abgaben führt.
- VW machte sich dabei gleich an mehreren Fronten strafbar und sowohl Käufer als auch Staat hätten Regressanspruch.
Trotzdem entschied man, nicht genauer hin zu sehen. Wie weit unsere Presse davon gewusst hat (bevor das in den USA hochkochte) sei dahin gestellt. Selbst wenn: Die "etablierten" deutschen Medien hätten an einer investigativen Berichterstattung aus eigener Initiative wenig Anlass. Sonst verscherzt man es sich mit der VW-Anzeigenabteilung. Die Politik in NRW? So gut wie die mit VW "vernetzt" sind: Keine Chance. Gleiches gilt für andere Bundesländer mit Stammsitzen von VW-Marken oder mit der SPD am Ruder jenes Bundeslandes.
Sieht man ja auch jetzt wieder: In Deutschland wird die Schummelei für VW nahezu folgenlos bleiben. Die betroffenen Kunden schauen bei uns auch eher in die Röhre und weder Presse noch Politik juckt das sonderlich.
So ist es. Aber ich würd das nicht nur am VW-Skandal festmachen. Die Medien haben halt ihre Filterblasen und wollen es sich mit Geldgebern, Anzeigenkunden oder der BuReg nicht verscherzen, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Wenn alles nichts hilft, schiebt man "mangelndes öffentliches Interesse" an solchen Nachrichten vor.Icho Tolot hat geschrieben: Alles schicken ihre Lobby-Truppen los, um die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu formen, auch die selbst ernannten alternativen Bewegungen.
In Frankreich scheint es überall zu brennen und die Auslandspresse schreibt schon von "bürgerkriegsähnlichen Zuständen und Auschreitungen". Findet man in D-Land vermutlich weniger berichtenswert. Warum das so ist, darüber kann man nur spekulieren und es wird sicher weniger mit "Lobby" als mit regierungsfreundlicher Berichterstattung zu tun haben.
Die andere ganz große Filterblase der deutschen Berichterstattung sind ja generell alle Auslandseinsätze der BW. Insbesondere jene mit eindeutigem Kampfeinsatz. Sofern nicht ein Oberst mal wieder einen Luftschlag auf Zivilisten nicht mehr vertuschen kann, oder es so spektakulär knallt wie beim Karfreitagsgefecht, dass sogar die Auslandspresse darüber schreibt. Erst dann schwappt da was rüber. Dass jemand endlich auspackt, dass das KSK in Afghanistan für das US Special Forces Command "targeted killings" (wetjobs) ausführte? Ich rechne nicht mehr mit einer Berichterstattung darüber. Der Einsatz in Mali? Keinen Piep in der Presse - es sei denn der Bundestag verhandelt mal wieder wie viele geschickt und wie lange sie bleiben sollen. Da schnallt sich keiner den Stahlhelm auf und berichtet von vor Ort. Noch nicht mal aus einem relativ sicheren Hotel in der Hauptstadt Bamako.
Warum ist das so? Kein öffentliches Interesse vorhanden? Oder ist das auch wieder regierungsgefällige Berichterstattung? Ich denke schon, dass du auf jeden Fall Recht hast: Wenn die Presse nur der Leserschaft Rechnung zu tragen hat, dürfte auch die Berichterstattung etwas ausgewogener aus fallen. Zumindest würde man dann drüber lachen, wenn mal wieder ein CIA-Mitarbeiter oder jemand vom US Außenministerium einen Leitartikel einreicht, der dann unter dem Namen eines eigenen Redakteurs veröffentlicht wird. Oder wenn (wie neulich in einem aktuellen Beispiel von Fefe berichtet) Mitglieder von Unterorganisationen der Atlantik-Brücke als "freie Mitarbeiter" ihre Propaganda verbreiten dürfen.