Heute gab es in Cartagena de Indias in Kolumbien einen Festakt, bei dem Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos zusammen mit dem Anführer der FARC Timoleón Jiménez (alias 'Timochenko') das Friedensabkommen unterzeichneten. Das soll einen Schlußstrich unter 50 Jahre "Bürgerkrieg" setzen. Über den Inhalt des 297-Seiten Traktates wurde seit 2012 auf Kuba verhandelt.
So ganz ist das aber noch nicht in trockenen Tüchern, denn es wird noch ein Referendum geben, bei dem jeder Kolumbianer zu dem Thema abstimmen darf. Es will zwar jeder Frieden, aber viele befürchten, dass die Kolumbianische Regierung zu schlecht verhandelt hat.Bei den Kämpfen zwischen staatlichen Sicherheitskräften, linken Rebellen und rechten Paramilitärs sind seit Mitte der 1960er Jahre über 220.000 Menschen getötet worden. Millionen wurden vertrieben.
Der Vertrag sieht eine Landreform, neue Ansätze im Kampf gegen den Drogenhandel und Entschädigungen für die Opfer vor. Die Rebellen der Farc ("Bewaffnete Revolutionsstreitkräfte Kolumbiens") sollen innerhalb von sechs Monaten ihre Waffen niederlegen, die Vereinten Nationen beaufsichtigen den Prozess. In den kommenden zwei Wahlperioden bekommen die einstigen Rebellen zehn Parlamentsmandate garantiert.
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2016 ... ergerkrieg
Die FARC hat militärisch seit den späten 90'ern kaum noch was auf die Reihe bekommen. Im Prinzip hatten sie sich in entlegene Gebiete zurück gezogen und waren ganz normale Kriminelle, die mit Schutzgeld-Erpressung, Waffen-Handel, Drogenanbau, Veredelung und Export Milliarden scheffelten. Ab und an hat man mal irgendwo in der Pampa einen Strom-Mast gesprengt und sich verpisst, bevor das Militär auftauchte. Oder ein paar Kids vorgeschickt, eine Patrouille der Armee oder einen Polizei-Streife zu massakrieren. Ab und zu durfte das Militär dann mal ein paar Abweichler hopsnehmen und alle waren zufrieden. Wirklicher "revolutionärer Kampf" wäre ja schlecht fürs Geschäft. Es gab also lange einen gewissen Status-Quo zwischen dem Militär und der FARC. Solange die FARC nicht zu frech wurde, hat man sie fernab vom Schuss in Grenzgebieten oder tief in der Wildnis ihr Ding durchziehen lassen. Für die Politik dürften auch immer wieder mal so manche "Kick-Backs" dabei gewesen sein.
Warum viele Kolumbianer jetzt auf die Regierung sauer sind, bzw. den Friedensvertrag mit Skepsis sehen? Geld. Der Mindestlohn in Kolumbien beträgt rund 1.200.000 COP (Kolumbianische Pesos). Das sind derzeit rund 364,- Euro. Wer rund 10-15 Jahre bei der Polizei, Feuerwehr oder als Lehrer arbeitet, bekommt mit etwas Glück rund 300.000 Pesos mehr und hat damit rund 456,- Euro im Monat. JEDER ehemalige FARC-Kämpfer bekommt als "Friedensdividende" 2.500.000 COP (760,- Euro) monatlich. Plus volle Rentenbezüge und Krankenversicherung. Egal ob er noch etwas dazu verdient, oder nicht. Zudem werden sie (und ihre Familien) bei der Zuteilung der knappen Schul- und Studienplätzen bevorzugt behandelt. Auch der öffentliche Dienst und die Privatwirtschaft ist angehalten, "Reinsertados" zur besseren Re-Integration bevorzugt bei der Einstellung zu behandeln.
Gerade an den Bildungseinrichtungen kommt es zunehmend zu Problemen, weil sowohl ein Teil der Schüler- und Studenten, aber auch Teile des Kollegiums aus "Reinsertados" der FARC bestehen. Zum einen ist deren Gewaltbereitschaft höher und zum anderen ist halt noch so manche alte Rechnung offen. Dadurch dass die "Reinsertados" in Festanstellung halt "Friedensdividende" plus Lohn bekommen, gehen sie mit rund dem Dreifachen nach Hause, als der Rest ihrer Kollegen. Und sind nach Erfahrung einiger Bekannten dann auch im Auftreten und in Sachen Arbeitsmoral deutlich entspannter, als der Rest. Es traut sich dann auch keiner, was zu sagen, denn das könnte blutige Konsequenzen haben.
Zusätzlich erhält die FARC einen Landkreis am Arsch der Welt, in dem sie schalten und walten kann, wie sie will. Der Vertrag sieht vor, dass die FARC dort alleine die Jurisdiktion hat und sich Polizei und Militär dort nicht einmischen. Die Stadt im Zentrum dieses Bezirkes wird auf Staatskosten ausgebaut und bekommt neue Schulen, Krankenhäuser und eine Universität. Die EU hat auch schon Gelder aus einem Fond in Höhe von 600 Millionen Euro zugesagt.
Das andere Problem sind die 10 Sitze im Parlament und in den Regional-Parlamenten. Die bekommen sie quasi ohne demokratische Legitimation durch Wahlergebnisse. Der politische Flügel der FARC (Unión Patriótica) ist extrem links und in etwa auf Linie mit den Irren, die Venezuela mit ihrem Sozialismus gegen die Wand gefahren haben. Die Befürchtung ist da, dass dieser Sozialismus langfristig auch Kolumbien blühen könnte. Die wirklichen Hardliner der FARC, welche weiterhin kriminellen Machenschaften nachgehen wollen, laufen sowieso zur ELN über. Somit dürfte sich in Kürze der Einfluss der ELN verstärken und die hatten bisher die brutaleren Schweinehunde.
Sollte das Referendum nicht im Sinne der FARC ausgehen, wird das natürlich auch Konsequenzen für die Sicherheitslage haben. Schauen wir mal, wie das ausgeht.
Lustiger Spaß am Rande: Als 'Timochenko' in Cartagena ans Podium trat und seine Rede abspulte (die live landesweit übertragen wurde), flog plötzlich ein Kfir Kampfjet der Kolumbianischen Luftwaffe tief und schnell über den Ort der Versammlung. Der Sound eines einzelnen General Electric J-79 Triebwerks dürfte allen bekannt sein, die sich noch an die Tiefflüge der F-104G "Starfighter" in Deutschland erinnern. Die Kiste flog vermutlich mit Mach 0.98, also knapp Unterschall. Aber dennoch schnell und tief genug, dass der Boden zitterte und das Podium wackelte, an dem sich 'Timochenko' festkrallte. Der sah für einen Moment aus, als würde er sich in die Hose scheißen.
Es dauerte fast 'ne Minute, bis er sich gefasst hatte und meinte dann: "Nett dass die Luftwaffe jetzt auch Frieden verteilt und keine Bomben schmeißt."
Dass bei so einem Event mit so viel Hochprominenz die Luftwaffe CAP fliegt, ist logisch. Aber in der Regel halt so, dass man sie nicht sieht oder hört. Das war eine ganz gezielte Provokation der Luftwaffe und das Timing war einfach nur perfekt.