Gustavo Petros Kolumbien

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Gustavo Petros Kolumbien

Beitrag von Toska » 05.03.2023, 10:03

Ich dachte, ich schreibe mal was über Kolumbien:

Vor acht Monaten gab es hier einen Erdrutsch-Sieg für den extrem linken und sozialistischen ehemaligen M19-Terroristen Gustavo Petro, als er relativ unerwartet die Präsidentschaftswahl gewann. Es war an sich klar, dass die Leute von den bislang regierenden Uribisten (benannt nach einem Ex-Präsi Alvaro Uribe) die Nase voll hatten. Diese Republikaner waren schon immer eine durch und durch korrupte Bande von Verbrechern, die mal offen und mal verdeckt mit den Narcos zusammen arbeiteten und nur in Amt und Würden waren, um sich hemmungslos zu bereichern. Dennoch: Mit Sozialisten hat man es in Kolumbien nicht so, da man ja hautnah mitbekommt, wie das in Venezuela läuft.

Dennoch: Es war damit zu rechnen, dass Petro bei der Landbevölkerung, den Eingeborenen und den Verlieren der Globalisation im ländlichen Bereich gut Stimmen machen würde. Bei der Stadtbevölkerung dann aber weniger und der Wahlausgang in Bogota, Medellin und Cali würde dann die Waage wieder zu Gunsten der Uribisten tilten. Petro gewann jedoch mit einer knappten Mehrheit von 360.000 Stimmen.

Der Amtsantritt kolumbianischer Präsidenten ist normalerweise in der "Casa de Nariño" und ein Event nur für geladene Gäste und hohem Sicherheits-Zirkus. Petro dagegen hatte die Sache unter freiem Himmel zelebrieren lassen und daraus ein mehrstündiges Event gemacht, welches die Sicherheitsbehörden Blut und Wasser schwitzen ließ. Sowohl Polizei als auch Militärs standen Petro an sich feindlich gegenüber, aber die hat er fest mit eingebunden, sie gewürdigt und den Festakt erst mal für 45 Minuten anhalten lassen, bis das Schwert von Staatsgründer Simon Bolivar aus dem Museum geholt worden ist. Er hatte dessen Präsenz vom Amtsvorgänger verlangt, aber der hatte sich geweigert, das Schwert freizugeben. Die Brisanz war auch noch: Petro gehörte zu den ELN-Terroristen, die in den 80'ern das Schwert aus dem Museum geklaut hatten und es außer Landes schafften. Es war tauchte erst wieder auf, als die ELN und die kolumbianische Regierung in Kuba Frieden schlossen und wurde da feierlich von der ELN übergeben. Die Anwesenheit des Schwerts bei der Amtseinführung zu verlangen, die Zeremonie so lange anzuhalten (zehntausende Gäste anwesend - dazu Diplomaten und Würdenträger aus dem Ausland) und das Schwert dann feierlich den Militärs in die Obhut zu geben? Absolut geiler Schachzug, um "Hearts and Minds" zu gewinnen und alte Wunden zu schließen.

Die neue kolumbianische Vize-Präsidentin? Francia Márquez ist eine Afro-Kolumbianerin, deren Herzensangelegenheit die unterdrückten Eingeborenen und vor allem auch Frauenrechte sind. Absolute Schutzpatronin und eine Dame, die furchtlos austeilen kann.

Programm: Alles, was vorher in die Narco-Bekämpfung und die Bekämpfung des Terrorismus ging, solle nun dem Kampf gegen die Korruption dienen. Bildung stärken. Naturschutz und Ökologie. Raubbau ausländischer Konzerne an den Naturschätzen Kolumbiens einschränken. Stärkung der Wirtschaft. Reform des komplett maroden Gesundheitswesens. Und vieles mehr. Die Präsentation war bombastisch und mitreißend und selbst ein Sozi-Hasser wie meiner einer konnte da nur anerkennend nicken und ihm Glück wünschen. Der Pessimist in mir sagte sich jedoch schon damals: In der Verwaltung sitzen noch ganze Generation von Uribisten und die werden jede verdammte Änderung am Status Quo auf der Verwaltungsebene aussitzen, torpedieren oder pervertieren.

Nun zu den Ereignissen von dieser Woche:

Vorspiel: Petros Truppe ist schon seit Monaten an der Gesundheitsreform, die grundsätzlich darauf hinausläuft, die vor Jahrzehnten durchgeführte Privatisierung des Gesundheitswesens wieder zurück zu rollen. Die ganzen Splitter-Krankenversicherungen sollen in eine staatliche Versicherung aufgehen und bestenfalls noch Zusatzleistungen anbieten. Der Gesundheitsministerin Carolina Corcho wird bereits seit Mai eine "Terrorherrschaft" im Gesundheitswesen angedichtet, weil sie mit der Brechstange ihre radikalen Reformen durchbringen will und dafür auch über Leichen geht, wenn mal wieder einer aus ihrem Umfeld was durchsickern lässt. Und das passiert wohl ständig. Es zeichnet sich ab, dass die geplante Reform nur mit einigen Fantastilliarden an Abfindungen durch den Staat zu bezahlen ist, oder es auf Enteignungen hinauslaufen muss. Jeder weiß, dass das bestehende Gesundheitswesen absolut sterbenskrank ist und es so nicht weitergehen kann. Aber *diese* Reform mit der Brechstange ist vielen dann auch suspekt.

Bei der Bildung hat es dann auch geknallt. Petro hatte einen Bildungsminister ernannt, der in den acht Monaten seit Amtsantritt keine Zeit hatte, sich auch nur einmal mit den Vertretern der größten Lehrer-Gewerkschaften zu treffen, um sich deren Klagen und Wünsche anzuhören. Stattdessen gab es ständig "Nachjustierungen" und Änderungen im Bildungswesen und an die Anforderungen an die Lehrer, die alle auf die Palme brachten. Die Lehrer riefen daher Petro auf, den Minister zu entlassen und erinnerten ihnen daran, dass die Lehrer maßgeblich an seinem Wahlerfolg beteiligt waren und ihm weitere Unterstützung versagen würden. Es kam dann prompt zum Amtswechsel im Bildungsministerium.

Die Wirtschaftsreformen von Petro? Sagen wir mal so: Selbst in der eigenen Partei gab es keine Mehrheit dafür und man war auf Stimmen von Parlamentariern anderer Parteien angewiesen. Petros Umfeld hat dann eine Großdemonstration von Eingeborenen in Bogota auflaufen lassen, die FÜR die Reformen der Regierung demonstrierten. Nicht vor dem Palast der Vizepräsidentin (die ja für sie die Vorkämpferin ist), sondern vor dem Präsi-Palast. Und der konnte dann sagen: "Liebe Parlamentarier: Stimmt für meine Reformen, die Leute reißen mir sonst die Hütte ein." Das war so konstruiert und so dünn, dass alle mal gelacht haben und die Sache kam noch immer nicht zur Abstimmung, weil keine Mehrheit zu erwarten ist.

Unterm Strich kann man sagen, dass die Sozis bislang noch nichts - wirklich NICHTS - erreicht haben, was Wirkung zeigt. Rund 16-18% Inflation, Zinssatz auf Kredite von +60% Effektiv (kein WItz!), rund 25-35% Preissteigerungen seit Dezember 2022 (je nach Warengruppe) und ständige Demonstrationen, die immer wieder mal die Hauptverkehrswege lahm legen.

Na, wenigstens bei der Korruptionsbekämpfung und der Sicherheitslage im Land hat sich was zum positiven entwickelt? Öhm ... eher so: :toi:

Die ELN hatte sich ja "komplett" entwaffnet - als Folge des Friedensvertrages. Angehörige der ELN bekamen weitreichende Amnestien, Geld, Subventionen, Förderungen, werden bei Einstellungen bevorzugt behandelt, Stipendien für die Kids, bekommen für Gefängniszeiten extra Pensionen angerechnet und sind generell fein raus. Zudem wurden der ELN eine Anzahl von Sitzen im Parlament gewährt, die UNABHÄNGIG von Wahlstimmen sind.

Der Generalstaatsanwalt von Kolumbien klagte neulich im Radio, dass seine Behörde auf Präsidentialerlass hin teilweise Leute mit Verurteilungen wegen Genozid und Massenmord aus dem Knast lassen mussten. Als es um die Begnadigung von FARC-Terroristen ging, die eine vollbesetzte Bar mit Zivilisten in die Luft gejagt hatten, war das Faß beinahe zum überlaufen voll, zumal die auch noch Entschädigung für die Knast-Zeit bekommen sollten. Das kam definitiv nicht gut an. Zumal auch die Regierungsvertreter beim Vermittlungsgespräch keinerlei Anteilnahme für die Opfer oder deren Angehörigen hatten, sondern nur die Leiden der Häftlinge in den Vordergrund stellten.

Zudem stellte sich raus: Die ELN hat nicht entwaffnet. Da ist noch immer ein hartgesottener und gut organisierter Kern, der weiterhin sein Unwesen treibt und das reicht halt von Nacro-Trafficking, Geldwäsche, Prostitution, Korruption bis hin zu Auftragsmorden und der Eliminierung der politischen Opposition oder von "Mitbewerbern" in ihren "Wirtschaftszweigen". Teilweise haben die einfach die Fahnen gewechselt und sind jetzt bei der FARC, teilweise sind das auch 1:1 noch dieselben alten ELN-Kader wie vorher.

Diesen Montag war dann der Doppel-Whopper in den Nachrichten:

Im Norden Kolumbiens ist eine recht große Gruppe von Eingeborenen. Die haben extrem viele Freiheiten und auch ihre eigene Polizei, Polizeihoheit und Gerichtsbarkeit. Nimmt die kolumbianische Polizei einen Eingeborenen in flagranti fest, muss sie ihn der Eingeborenen-Polizei übergeben und der wird dann von deren separaten Gericht abgeurteilt. Oder halt direkt laufen gelassen - was auch oft genug passiert. Weil: War halt Rassismus und der Bub war ja soooo benachteiligt, der konnte ja sowieso nicht anders.

Die Eingeborenen der Region hatten fett gegen einen Minenkonzern demonstriert und wollten von dem Straßen in ihrer Region gebaut haben. Die wollten davon nichts wissen und dann kam es halt auch zu Gewalttaten und Anschlägen gegen die Firma und deren Mitarbeiter. Also rückte die ESMAD (Anti-Demo Polizei-Spezialeinheit) und die reguläre Polizei an, um die Sache zu "deeskalieren". ESMAD deeskaliert an sich wie ein Elefant im Porzellanladen und es kam zu ziemlich üblen Szenen. Endresultat: Die Eingeborenen-Polizei stellte sich auf Seite der Demonstranten und sowohl ESMAD als auch kolumbianische Staatspolizei wurden festgesetzt und entwaffnet. Ein Beamter wurde sogar abgestochen und man hat ihn verbluten lassen. Insgesamt befanden sich dann 79 Polizeibeamte in Geiselhaft. Während des Stand-Offs hatte es frenetische Hilferufe der Beamten an ihre Leitstellen und auch an die Militärs gegeben, die natürlich geleaked wurden. Man hat denen keine Unterstützung geschickt, weil ganz oben in der Befehlskette jemand das so angeordnet hatte. Wer das genau war? Man ist sich noch nicht einig, aber das kommt auch noch raus.

Spezialkräfte von Polizei und Militär scharrten natürlich sofort mit den Hufen und das Gegrummel wurde deutlich lauter, je länger die Situation andauerte und keine Order kam.

Präsident Petro hat sich dann tags darauf (doch schon ... erst?) an die Öffentlichkeit gewandt und packte sein Statement in Watte. Im Prinzip können die armen Eingeborenen ja nichts dafür und man müsse halt mehr auf sie hören, damit sowas nicht mehr passiert. Und er bat dann das Rote Kreuz um "Mithilfe bei der Situation der derzeit in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkten Beamten".

:bash:

Grundsatz #1 eines Staates ist eigentlich: Man verhandelt nicht mit Terroristen. Man lässt sich nicht an den Verhandlungstisch bomben und weder delegitimiert man seine Ordnungskräfte, noch macht man sie zum Freiwild für Gewalttäter. Petro hat damit auf einen Schlag die Unterstützung von sowohl Polizei als auch des Militärs verloren, denn die wissen nun: Wenn es brenzlig wird, lässt man sie im Stich. Die entführten Polizisten wurden mittlerweile nach einigen Tagen Geiselhaft und Mißhandlungen freigelassen, aber die Regierung hat sich da ganz offensichtlich erfolgreich erpressen lassen und das wird auch in Zukunft wieder ausgenutzt werden.

Korruptionsbekämfpung! Hah! Wenigstens da kann man Erfolge verbuchen! :angel:

Kam auch am Montag raus: Die Ex-Frau von Präsident Petro ist wohl die Tage bei der Staatsanwaltschaft aufgeschlagen und hat Tabula-Rasa gemacht. Ihre Aussage belegt ausführlich, dass Petros Sohn als auch sein Bruder (beides hochrangige Politiker und Staatsbeamte) tief in ein Netz der Korruption und Amtsmissbrauch verwickelt sind. Petros Bruder ist Mäzen mehrerer Stiftungen und arbeitet eng mit der Interkirchlichen Kommission für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung zusammen, die Sozialreformen anstrebt. Insbesondere auch für Straftäter. Deswegen ist er auch immer wieder mal zu Knastbesuchen (auch zu Narcos) unterwegs. Als Lokalpolitiker ist er gescheitert, hat aber sehr enge Verbindungen zu seinem Bruder, dem Präsidenten und war für ihn im Wahlkampf unterwegs. Petros ältester Sohn ist Chef eines Kataster-Amtes. Sowohl Petros Buder als auch sein Sohn haben offensichtlich Geschäfte sowohl mit Terroristen als auch Narcos gemacht und nicht nur ihre Wahlkämpfe, sondern wohl auch der von Petro wurden darüber finanziert. Im Gegenzug wurden Amnestien versprochen, wurden Grundstücke unrechtmäßig übertragen, oder es gab Mittel aus öffentlicher Hand für dubiose Projekte, die nie (oder nur schäbig) von den Auftragnehmern ausgeführt wurden. Und das Geld floss dann wohl auch teilweise in Petros Wahlkampf oder in seine Taschen - mit Sicherheit aber in jene seiner Familienmitglieder. Insbesondere brisant sind die Vermittlungen mit den eingeknasteten Narcos, die Petros Bruder durchgeführt hat. Er hat denen wohl Hafterleichterung und Amnestien versprochen und diese Anliegen an Petro herangetragen. Der streitet das aber ab, da rechtlich gesehen nur der staatlich bestellte "Hochkommissar für Frieden" Danilo Rueda berechtigt ist, Amnestien für Mitglieder illegaler Organisationen zu verhandeln. Es gibt aber Anzeichen, dass Petro auch bereits Mitglieder just solcher "illegalen Organisationen" auf Präsidialerlass hin begnadigt hat, ohne dass der Hochkommisar die entsprechenden Amnestien vorgelegt hat.

Am Montag bat dann der Generalstaatsanwalt um einen Termin bei Petro und teilte ihm mit, dass Ermittlungen gegen seinen Bruder und seinen Sohn aufgenommen worden seien. Präsident Petro blieb dann nichts anderes übrig, als zu nicken. Denn anders als in Deutschand sind die Staatsanwälte (und auch die Richter!) hier nicht Weisungsgebunden und unabhängig.

Mein Fazit bisher: Sozis halt. Korruption kann hier in Kolumbien JEDER. Aus dem Eff-Eff und im Tiefschlaf. Aber selbst dafür sind die Sozis zu doof und lassen sich bei erster Gelegenheit erwischen, weil sie geizig sind und der Ex-Frau nichts abgegeben haben. :hehehe:

Unterm Strich kann man sagen, dass Petro sich als totaler Rohrkrepierer entpuppt hat. Wie kein anderer hat er es geschafft, den Prozess der Versöhnung nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg durch schäbige Hinterzimmer-Deals mit "Interessengruppen" zu verlieren, die trotzdem nach wie vor genau das machen, was sie vorher schon getan haben: Weiterhin Terror, Gewalt, Korruption und Raubzug am eigenen Volk. Und er selbst ist halt eben auch weder besser noch anders. Selbst seine Vorzeige-First-Lady (die Vizepräsidentin) ist eine Null-Nummer, die sich seit der Amtseinführung wie eine Made im Speck mit Geld und Machtfülle voll frisst und nichts gebacken bekommt. Das Militär muss aber 24h am Tag und 7 Tage die Woche einen "Blackhawk"-Hubschrauber für sie in Bereitschaft halten, falls sie mal wieder zum Visagisten oder Friseur will, oder aus dem Helikopter Geld über Slums abregnen lässt.

Im August 2022 hatte Petro 56% Approval-Rating - diese Woche ist es auf 40% gefallen und die Tendenz zeigt weiterhin nach unten. Ich glaube fast nicht, dass diese Regierung die vollen fünf Jahre über die Runden kommt. Und wenn doch? Dann wird nichts besser oder einfacher. Die Sozialisten bekommen es nicht gestemmt, weil sie selbst ihr größter Feind sind. Beim Umverteilen der Beute ihrer Raubzüge stopfen sie sich die Taschen voll und sind so blöd, dass sie sich nicht nur dabei erwischen lassen. Nein, sie vergrätzen durch nicht durchdachte Deals nicht nur jene, die sie eigentlich noch gewinnen müssen, sondern auch und vor allem ihre eigenen Anhänger.

Und was es bringt, einen ehemaligen Staatsfeind zum Regierungschef zu machen haben wir ja bei Merkel gesehen. :ziggi:
Grüße,

Toska
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Re: Gustavo Petros Kolumbien

Beitrag von Herr Rossi » 05.03.2023, 10:58

,,,
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Re: Gustavo Petros Kolumbien

Beitrag von Toska » 05.03.2023, 22:08

Herr Rossi hat geschrieben:
05.03.2023, 10:58
Wie ist denn die Gesamtlage im Land in Bezug auf Wirtschaft und Armut?
Der staatlich festgesetzte Mindestlohn ist 1.160.000,- kolumbianische Pesos. Das sind derzeit rund 228 Euro. Oder im Jahr halt 2970,76 Euro. Nehmen wir mal das Beispiel einer verbeamteten Lehrerin an einer staatlichen Schule mit 20 Jahre Dienstzeit. Die geht mit rund 480 Euro Brutto nach Hause. Hätte sie einen anerkannten Doktortitel, käme sie auf rund 900,- Euro. Als Konrektor auf etwa 1200,- Euro und als Rektor so bis zu 1500,- Euro maximal.

So im Schnitt gehen die meisten Kolumbianer, die in durchschnittlichen Jobs arbeiten mit rund 280-350 Euro im Monat nach Hause. Die Arbeitslosenquote liegt derzeit offiziell so bei 13%. Dem gegenüber steht aber eine reale "Employment Rate" von derzeit rund 54%. Hier mal die wichtigsten Eckdaten der Ökonomie.

Es gibt rund 5-6 Mio venezolanische Flüchtlinge in Kolumbien (Bevölkerung: 51,4 Mio). Und die Altersgruppen 18-29 und 30-39 sind da besonder stark vertreten. Die drängen natürlich auch auf den Arbeitsmarkt und werden (wegen ihres oft illegalen Aufenthaltsstatus) gerne für die Billig-Jobs genommen, weil die sich gegen schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen nicht wehren können. Und die sind nicht erst seit gestern da, deswegen drängte das durchaus eine Menge Kolumbianer am unteren Rand der Gesellschaft noch tiefer in die Armut und Perspektivlosigkeit. Das heizt natürlich auch die Wohnsituation an, die schon immer nicht sonderlich prickelnd war. Das Prinzip der "Invasion" ist hier sehr verbreitet. Da suchen sich die Ärmsten der Armen ein Stück Land und bauen sich aus irgendwelchem Müll und Bauschutt Unterkünfte. Und das werden dann immer mehr, bis da auf einmal bis zum Horizont ganze Siedlungen stehen, die illegal sind und von den Gemeinden irgendwann doch irgendwie anerkannt werden. Hier mal ein paar Bilder in einer Fotostrecke.

Ich könnte auch bei uns hinter die Wohnsiedlung gehen und den Hang rauf fotografieren. Da sind dann auch eine ganze Reihe von Häusern zu sehen, bei deren Stil und äußerer Erscheinung sofort klar ist: Die sind so nie genehmigt worden.

Kann man hier mit wenig Geld leben? An sich ja und natürlich mit durchaus erheblichen Abstrichen an der Lebensqualität. Aber 13% (offizielle) Inflation und rund 25% (offizieller) Inflation bei Nahrung und ständig steigenden Kosten bei allen essentiellen Verbrauchsgütern sind natürlich dann schwer wegzustecken, weil die Löhne nie im gleichen Maß steigen. Die Jugend in Kolumbien ist überwiegend Perspektivlos und deren Traum ist es weitgehend, das Land zu verlassen.

Bildung? Eher "Naja". Die Schulen sind generell überfüllt (40 Schüler pro Klasse sind keine Ausnahme) und die Lehrer am Anschlag und im Kampf gehen zerfallende Infrastruktur und fehlende Mittel für Material. Wir haben im Januar unsere 17-jährige Tochter auf die Uni geschickt und ich will das gerne mal als Beispiel aufführen, weil wir uns da ein wenig in die Thematik eingearbeitet hatten. Sie halt mit Abstand als beste ihres Jahrgangs an einer von Nonnen betriebenen Privatschule abgeschlossen (als selbsterklärte Atheistin). Es gibt da einen landesweiten genormten Abschluss namens ICFES mit maximal 500 erreichbaren Punkten. Sie hatte 437 Punkte, die nächstbeste an der Schule hatte 395. In unserer 300.000 Einwohner-Stadt war sie die fünftbeste und einer hatte sogar 476 Punkte. Die Landesweit 30 Besten beim ICFES bekommen Stipendien nach Wunsch - egal wo und für was. Und in jeder Region selbst schlagen sich die Unis auch um die Besten beim ICFES und bieten Stipendien an. Wir hatten dennoch recht schnell festgestellt, dass vieles davon Augenwischerei ist. Unsere Kleine wollte gerne in Medellin an einer renommierten Uni Rechtswissenschaften studieren. Das einzige Stipendium, welches sie dafür erhalten konnte war das eines bekannten Wirtschaftsmagnaten, der hier als großer Mäzen immer wieder positive Schlagzeilen macht. Das Stipendium hätte die 3000 Euro pro Jahr an Studiengebühren und die rund 3600,- Euro im Jahr für das Studentenwohnheim zu 80% abgedeckt. Also rund 5280 Euro im Jahr und ~1320 Euro hätten wir pro Jahr dazu schießen müssen. An sich ein prima Deal.

Die Konditionen: Die Kleine hätte nach dem Studium 15 Jahre lang 15% ihres Brutto-Einkommens an den Mäzen abdrücken müssen. :RoM:

Sie hat dann selbst abgewunken und ist an eine Uni in der Heimatstadt ihrer Mutter. Dank ihrer ICFES-Punktzahl kann sie kann dort kostenlos studieren (solange sie Leistung bringt) und wir zahlen halt die Unterkunft, Verpflegung und den ganzen Beifang, der da nötig ist.

In ihrem Freundeskreis wissen wir von rund 50-60 anderen, die letzten Dezember graduiert haben. Nur vier weitere gehen zur Uni. Der Rest hat entweder nicht Mittel und Möglichkeiten, oder kein Interesse. Man muss das alles aber mal in Relation zum durchschnittlichen Einkommen setzen und dann sieht man schnell, dass schon ein guter Schulabschluss (Voraussetzung für den Eintritt an eine Uni) eben extrem von den finanziellen Möglichkeiten der Familien abhängt. Wer selbst nur 300 Euro im Monat verdient, kann keine 100-300 Euro monatlich für ein oder mehrere Kinder aufbringen, um die auf die Uni zu schicken. An den Schulen hier hast du oft Kids, die morgens 60-90 Minuten Fußweg zur Schule haben (können sich den Bus nicht leisten) und eigentlich auf Schulspeisung angewiesen sind, weil schon daheim das Futter nicht für alle reicht. Und die fallen dann auch bei der Aufnahme von Wissen hinten runter, weil die Kraft und Energie fehlt, das gereichte Unterrichtsmaterial aufzunehmen.

Die kolumbianische Bevölkerung ist überwiegend jung, die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 26-30% hoch und mit wenig Perspektive auf Verbesserung. Bei Jobs tendiert auch eher die Hire-and-Fire-Mentalität und Jobsicherheit ist nicht sonderlich groß. Mein Schwager z.B. sucht seit zwei Jahren Arbeit und für mehr als Tagelöhner hier und da hat es bislang nicht gereicht. Und der ist willig und kann viel und macht alles. Die Geldtransportfirma, für die er vorher arbeitete? Deren Geschäft brummte wie bescheuert. Aber dann haben die sich einen Crypto-Trojaner eingetreten und der damit einhergehende Vertrauensverlust und Arbeitsausfall führte dazu, dass die Firma mit einer anderen fusionierte. Nach der Fusion wurden alle Mitarbeiter der alten Firma entlassen, die nicht mindestens 15 Jahre Dienst in den kolumbianischen Streitkräften nachweisen konnten. Halt auch vor dem Hintergrund, dass deren Job extrem gefährlich ist und die alle gut bewaffnet rumlaufen und man bei Militärs durchaus mal eher rausbekommen kann, was das für Vögel sind, weil viele sich untereinander kennen.

Die Kriminalitätsrate ist in Kolumbien recht hoch, auch wenn der Trend seit Jahren nach unten zeigt. Alles in allem ist das recht betrüblich anzusehen, denn das Land hätte durchaus alle Chancen, recht weit vorne mitzuspielen. Aber die Politik ist halt zu korrupt und Kolumbiens Reichtum verschwindet in den Taschen von Narcos, Terroristen und Politikern, anstatt es in Infrastruktur, Bildung und Wirtschaft zu stecken.
Herr Rossi hat geschrieben:
05.03.2023, 10:58
Was ist 2020 passiert? Gab es in Kolumbien auch frei drehende Maßnahmen oder ist da was anderes passiert?
In 2020 gab es einen kompletten Kung-Flu Lockdown, der rund ein halbes Jahr dauerte. Man durfte nur einmal pro Woche raus, um die nötigsten Besorgungen zu machen. Das war absolutes Gift für viele Sektoren, die dann dementsprechend massiv abgebaut haben. Viele produzierende Gewerbe (auch essentielle) hatten dann ebenfalls enorme Probleme, weil es überall an allem fehlte. Produktion ist in Kolumbien sowieso im Abbau und betrug 1990 rund 20% und jetzt nur noch rund 10% des GDP. Von 2019 zu 2020 gab es einen Abbau von 16,77% bei der Produktion und hat sich in 2021 dann auf +23,22% erholt. Das war ein Abbau von 6 Milliarden USD, gefolgt von einem Zuwachs von 7 Milliarden USD. Viel wird halt importiert und bei den Exporten dominieren eher Rohstoffe und Nahrungsmittel.
Herr Rossi hat geschrieben:
05.03.2023, 10:58
Und wie mächtig sind die Verbindungen der Narcos z.B. in die Strukturen von Politik, Justiz und Behörden? Oder ist das Problem nur in der Außenwahrnehmung relevant? Escobar hat ja nun doch in relevanter Weise das Image des Landes mitgeprägt.
Man sieht nur die Spitze des Eisberges, kann es aber erahnen. Du kannst bis in die Zeit von Escobar zurückgehen und wirst keinen Präsidenten finden, der nicht von Narcos profitierte, deren Strohmann war, oder selbst ein verkappter Narco. Uribe zum Beispiel hat säckeweise Koks im Regierungsflieger in die USA fliegen lassen und eigene Paramilitärs aufgebaut, die Land von Eingeborenen raubten, um da entweder Koks anbauen zu lassen, oder die Gelände für Bergbaufirmen frei zu bekommen. Die Staatsanwälte und Richter in Kolumbien sind eher harte Hunde und auch wenn da hier und da mal einer gekauft wurde, haben die dennoch gute Arbeit geleistet. Das Problem ist halt immer, die Zeugen bis zum Prozess am Leben zu halten (und aussagebereit!), weil die sofort die volle Packung an ernstzunehmenden Drohungen und Repressalien gegen die ganze eigene Sippe bekommen. Kritische Journalisten (und Komiker übrigens auch!), die sich zu sehr aus dem Fenster lehnen sind auch oft und schnell weg vom Fenster. Die Politik ist durch und durch korrupt. Ich hatte ja oben erwähnt, dass der Mindestlohn 228 Euro ist. Die Parlamentarier gönnen sich ein monatliches Salär von 6780,- Euro (das 30-Fache) und da kommen dann noch diverse Vergünstigungen dazu. Bei Ministern ist das halt noch mehr. Und es ist nicht unüblich, dass die bereits nach einer Amtszeit zu Millionären geworden sind und so nachhaltige Vetternwirtschaft aufgebaut haben, dass sie noch lange danach profitieren.

Von den letzten sieben Bürgermeistern unserer Stadt sind sechs wegen Korruption eingefahren. Fünf davon sitzen noch ihre Haftstrafen ab und der derzeitig amtierende wird sich sicherlich bald in diese illustre Runde einreihen, da so langsam die Beweise ausreichen. Der hat in altbewährter Manier beim Straßenbau und Infrastruktur Gelder abgezweigt und durch Betriebe von Bekannten und Verwandten waschen lassen, bzw. sich bei Bauprojekten von Investoren bestechen lassen, Baugenehmigungen zu erteilen, obwohl wegen der kritischen Lage bei der Trinkwasser-Versorgung seit 2-3 Jahren Baustopp für Projekte gewisser Größen und Typen herrscht.

Die Korruption ist so allgegenwärtig, dass selbst wir davon immer wieder mal direkt betroffen sind. Egal ob beim Strafzettel wegen Falschparken, Antrag auf Baugenehmigung, Erneuerung des Führerscheins (nur 10 Jahre gültig), Kfz-Ummeldung und sonstiger Kleinkram. Geht auch alles ohne Obolus, aber mit ist man deutlich schneller und streßfreier unterwegs und es sind dann oft auch nur Summen, über die man sich nicht sonderlich aufregt.
Grüße,

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Re: Gustavo Petros Kolumbien

Beitrag von Toska » 06.03.2023, 22:47

Muss hier korrigieren: Die Dame, welche mit ihrer Aussage den Stein ins Rollen brachte (Day Vásquez), war nicht die Ex-Frau vom Präsidenten, sondern die seines Sohnes Nicolas. Das hatte ich falsch verstanden, zumal oft einfach nur "die Ex von Petro" gesagt wurde und die meinten halt den Sohn Nicolas.

Heute wurden im Radio mehrere Audio-Clips abgespult, welche sie der Staatsanwaltschaft zugespielt haben soll. In einem davon unterhält sie sich mit der Tochter eines der Drogenbarone der Ochoa-Familie, die zu den Gründern des Medellin-Kartells gehört. In dem Gespräch ging es um einem Besuch des Onkels (Präsident Petros Bruder) im Knast und dass die vereinbarte Haftminderung und Freigabe von einigen gesperrten Auslands-Konten "klar ginge". Im Gegenzug würde man Nicolas die Tage ein paar Tüten mit Geld als Vorschuss bringen. Die Summe? 600.000.000 Pesos. Also rund 118.000,- Euro. Um sich ein Bild zu machen, was für ein Haufen Geld das in Landeswährung ist: Die größte Banknote hat 100.000 Pesos (~20 Euro). Die ist aber kaum im Umlauf und wenn man damit irgendwo bezahlen will, wird man angeschaut, als wenn man in Deutschland an der Tanke einen 500 Euro-Schein zückt. Die größte *gängige* Banknote sind 50.000 Pesos [~10 Euro). Und dann sind das 12.000 x 50.000 Pesos Banknoten. Da ist dann fix mal der Kofferraum voll.

Ein weiterer Audio-Clip bestätigte, dass Präsident Petro von den illegalen Machenschaften seines Bruders und seines Sohns WUSSTE. Rechtlich gesehen bestand für ihn keine Pflicht, sie anzuzeigen (weil Familie), moralisch gesehen war seine Inaktivität jedoch fraglich und lief eben auf Duldung hinaus. In wie weit er und seine Wahlkampagne von den illegalen Machenschaften profitiert haben, ist jetzt halt auch Gegenstand der Ermittlungen. Laut Aussage von Day Vásquez hat Nicolas Geld der Drogenbarone frei Haus in den Präsidentenpalast gebracht. Weitere Geldflüsse stammen laut Day Vásquez vom Drogenhändler Santander López Sierra, ("The Malboro Man"), welcher in den USA eine Haftstrafe verbüßt ​​hatte und dem Geschäftsmann "El Turco Hilsaca", der Verbindungen zu den mittlerweile illegalen Paramilitärs hat.

Die Mutter der Ex-Frau war dann heute morgen auch im Interview bei "Radio FM 98.5" und was die zu sagen hatte, war auch putzig. Ihre Tochter arbeitete in der Stadtverwaltung im Büro. Die Familie selbst? Sie wohnten in einer Armensiedlung - einem Barrio. Hier wird nach "Estrato" eingestuft. "Estrato 1" ist absolut unterster Rand, "Extrato 6" ist Oberklasse. Sie wohnten in "Estrato 1". Nicolas Petro war 29 Jahre, als er anfing, die junge Dame zu "daten" und wohnte dann rund ein Jahr auch im Häuschen der Familie. Brachte nichts mit, außer einem Rucksack mit abgetragenen Klamotten. Die haben dann in der Familie zusammengelegt, um ihn ordentlich für Vorstellungsgespräche bei der Jobsuche zu helfen. Als sein Vater Gustavo Petro seine politische Karriere startete, hat auch der Sohn seine Kandidatur für das dortige Regionalparlament angestoßen und auch da hat die Familie seiner (dann) Frau aktiv mitgeholfen. Und im Rahmen der Kampagne kam es dann zu den Kontakten mit den Kartellen und der Geldregen hielt Einzug. Momentan ist Nicolas im Regionalparlament als Parlamentarier und in der Kandidatur für den Gouverneurs-Posten in der Region. Die Kampagne hat er nun abgeblasen, will seinen Parlamentssitz aber vorerst behalten. Hier muss man auch anführen, dass eine Kampagne eines Kandidaten nur nach einer offiziellen Einschreibung gültig ist und die Gültigkeit wird sofort widerrufen, wenn Beweise vorliegen, dass die Kampagne durch illegale Geldflüsse finanziert wurde. Er kam da also sicherlich dem offiziellen Akt der Widerrufung zuvor.

Die Sache wird noch extrem spannend, denn jetzt liegen auf einmal ALLE Programme, die Präsident Petro ins Leben gerufen hat unter dem Mikroskop. "Paz Total" - das Programm, welches Basis des Friedensvertrages zwischen M-19, ELN und der Regierung ist und die damit verbundenen Privilegien der ex-Rebellen. Bei allen eingelochten Narcos schaut man jetzt nochmal genau hin, welche Absprachen da im Einzelnen getroffen wurden und ob es da mit rechten Dingen zuging. Die Programme zur ankurbelung der Wirtschaft: Kann es sein, dass da Nebenabsprachen getroffen wurden, damit sich einige bereichern konnten? Die Reformen bei Bildung und Gesundheit? Im Prinzip steht nun jede bereits getroffene Absprache und jedes kommende Programm unter Generalverdacht der Korruption.

Ich finde es hoch spannend, was da gerade abgeht und mit welchem Elan das hier diskutiert wird - nicht nur in den Nachrichten, wo bald im Halbstundentakt neue Infos oder neue Meinungen oder O-Töne die Runde machen. Ich schaue mir das "Korruption will gelernt sein"-Scholz an und denke mir: Der wäre schon längst weg vom Fenster, wenn die deutschen Medien nur halb so viel Feuer im Blut hätten, wie das hier der Fall ist. Stattdessen kommt halt das schulterzucken "Tja, isser halt a bisserl korrupt." und weiter geht es mit der Berichterstattung über die böse AfD und die guten Klima-Kleber und die neuesten Forderungen der "Deutschen Umwelthilfe" werden auch gleich zelebriert.

Auch putzig: Die +70 in Geiselhaft genommenen Polizisten? Die neueste offizielle Sprachregelung der Regierung bezeichnete sie als "humanitär eingekreiste Personen". :x

Und der abgestochene Polizeibeamte wurde "humanitär zur vollständigen Blutspende animiert", oder was? :bash:

Ich denke mal, da werden bald noch mehr "humanitär eingekreist". :ziggi:
Grüße,

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Re: Gustavo Petros Kolumbien

Beitrag von Toska » 07.03.2023, 21:54

Heute noch mehr News:

Der Bub vom Präsi hatte einen Chevrolet Tahoe mit gehobener Ausstattung für rund 380.000.000 Pesos (80.000,- Euro). Es wurden Aufnahmen geleakt, wo er seine (damalige) Frau anrief und sagte: "Leg mal die Schlüssel raus. Papa ist in der Region und braucht die Karre, um zu einer Wahlveranstaltung zu fahren. Es kommt jemand, den Schlüssel abholen."

Wenn man in Kolumbien das Nummernschild kennt, kann man bei der Webseite der Zulassungsstellen den Eigentümer abfragen. Das haben die News dann mal gemacht. Stellt sich raus: Der Wagen ist auf eine Baufirma registriert, die einem Herrn namens Juan Manuel Sarmiento gehört. Der wiederum ist Geschäftsführer mehrerer Baufirmen, die zu einem Baukonglomerat gehören, welches Camilo Burgos gehört. Der wiederum ist Großunternehmer in Villavicencio und ihm gehören mehrere Baufirmen und Immobilienfirmen. Mal ganz, mal in Beteiligung mit anderen Inhabern wie der vorgenannte Juan Manuel Sarmiento. Dieser Camilo Burgos ist zudem Neffe der ehemaligen Gouverneurin der Region Meta im Norden Kolumbiens. Während diese Gouverneurin im Amt war, haben die Firmen ihres Neffen Staatsaufträge im Wert von mindestens 80 Millionen Euro bekommen. Wegen des verästelten Firmengeflechts wird vermutet, dass da noch mehr Aufträge im Spiel waren und 80 Mio Euro sind vermutlich nur die Spitze des Eisberges. Nachdem sie 2016 aus dem Amt schied, suchte der Neffe anscheinend nach anderen "Gönnern" in der Politik, um die "erfolgreiche Zusammenarbeit fortzuführen".

Und Nicolas Petro hat auch ein sehr feines Luxus-Apartment (als Nebenwohnsitz!) im gehobenen Stadtteil Rosales in Bogota. Der Wert wird auf etwa 320.000 Euro geschätzt. Zum Gegenwert bekommt man hier locker 10-15 Einfamilienhäuser hingestellt. Das Apartment ist in einem Gebäudekomplex, welches ebenfalls zum Immobilien-Konglomerat des Camilo Burgos gehört.

Diese "bescheidene" Wohnung in der Hauptstadt wird allerdings von seiner beeindruckenden Wohnung im Wert von 2,5 Millionen Dollar im exklusiven Sektor von Barranquilla in den Schatten gestellt. Das Penthouse hat 330 Quadratmeter, drei Schlafzimmer und fünf Badezimmer. Auch ansonsten lebt er nicht auf kleinem Fuß: Kontoauszüge eines Monats zeigen, dass er fast 8.000 US-Dollar für Restaurants, Designerkleidung, Schmuck, kosmetische Behandlungen und Fünf-Sterne-Hotels ausgab. Sein Gehalt als Abgeordneter des Regionalparlament liegt interessanterweise bei unter 3.000 US-Dollar. In den sozialen Netzwerken erinnern man sich noch an die Tage, als er sich gerne als "Menschen des Volkes" bezeichnete.

Desweiteren ist nun bekannt, dass Nicolas Petro immer wieder mit Ministern des Kabinetts seines Vaters zu Einzelgesprächen "eingeladen" wurde und laut seiner Ex-Frau ging es z.B. bei einem Gespräch mit dem Innenminister darum, 10 offene Stellen im Ministerium mit "geeigneten Rechtsanwälten" zu besetzen. Es gab ebenfalls belegte Treffen mit der Sozialministerin, der Argrar-Ministerin, dem Bildungsminister, der Ministerin für Bergbau und Energie, dem Chef der hiesigen IHK ("Sena"), der Gesundheitsministerin und dem, was hier mit dem "(Büro-)Chef des Kanzleramts" vergleichbar ist.

Besonders pikant ist, dass die IHK ("Sena") nach dem Treffen in einem Landkreis im Norden Kolumbiens die regionale Führung ihrer Büros dort dem Besaile-Clan übergab, mit dem Nicolas Petro enge Beziehungen pflegte. Anders als in Deutschland ist die IHK hier kein zahnloser Tiger der nur zur Selbstversorgung seiner Funktionäre existiert, sondern hat richtig Schotter in der Tasche, der für Bildung und Förder-Projekte rausgehauen wird. Clan-Chef Musa Besaile war Senator und Mitglied der "Partido de la U" (Einheitspartei des Volkes). Das ist eine der Uribisten-Parteien, die 2006 noch 62% hatte und wegen Skandalen und Korruption gab es dann Abspaltungen und Neugründungen, um verbrannten Namen und verbranntes Image loszuwerden. Musa Besaile fuhr wegen Korruption für einige Jahre ein, blieb aber ein wichtiger "Player" im Hintergrund, während die vorher von im ausgeübte politische Macht auf andere Familienmitglieder überging. Mit dem Sohn von Musa Besaile pflegte Nicolas Petro regen Umgang.

Die bislang genannten Funktionäre streiten natürlich alle ab, dass sie mit Nicolas Petro irgend welche Absprachen getroffen haben. :roll:

Interessant ist hier halt auch, dass die sehr "sozialistischen" Petros sich nicht gescheut haben, mit wirklich ALLEN Geschäfte zu machen: Narcos, Terroristen, Kapitalisten und auch dem politischen Erzfeind, den Uribisten. Geld stinkt halt nicht.

Eines noch: Die Uribisten waren alle nicht weniger korrupt, von daher ist die derzeitige Wut auf die Familie Petro eher dem Fakt geschuldet, dass sein wichtigstes Versprechen "anders" zu sein halt von Anfang an eine Lüge war und die Leute sich jetzt betrogen fühlen. Man hatte ihm geglaubt, "ein Mann des Volkes" zu sein. Er hat das immer wieder geschickt in Szene gesetzt, wenn er die Gebiete der Ärmsten der Ärmsten mit kleinstmöglichster Sicherheitsbegleitung besuchte und Bäder in der Menge nahm. Seine Kleidung war dann stets geschickt gewählt und er kam nicht im Armani-Anzug, sondern loses Flatter-Hemd mit aufgerollten Ärmen, schlecht passender Stoffhose und Gummi-Stiefeln, oder Jeans und Turnschuhen und das ganze ggf. noch garniert mit einem lokal typischen Strohhut oder einem lässigen Baseball-Cap. Und das war halt auch anders, weil hier seit +30 Jahren kein Präsi mehr so volkstümlich und offensichtlich unbeschwert so extrem auf Tuchfühlung mit durchaus extrem unterprivilegierten Volk ging.

Es kann die Vermutung nahe liegen, dass die Uribisten jetzt ganz genüsslich im Hintergrund die Fäden ziehen und den Skandal noch gezielt aufbauschen und größer machen, als er wirklich ist. Und die getäuschte Öffentlichkeit nimmt das natürlich gerne auf, weil sie (zu recht) stinksauer auf den sozialistischen Heiland ist. Auf der anderen Seite: Petro sollte man an sich genug Cleverness unterstellen. Denn er hat sich in dem Haifisch-Tank M-19, ELN und kolumbianische Innenpolitik in Dekaden des Lebens unter substantieller Gefahr für Leib und Leben bis ganz nach oben gekämpft. Er stand z.B. jahrelang auf den Fahndungslisten der Anti-Terror-Einheiten und die hätten ihn beim geringsten Anzeichen von Widerstand oder Fluchtversuch durchaus über den Haufen geknallt. Dass er so dummdreist, hemmungslos und gierig die Leute für dumm verkaufte und nicht besser ist, als die anderen Räuber-Barone? "That's a zinger!" Und dann hat er das, was jetzt kommt halt auch nicht anders verdient.

Die Prognose ist derzeit, dass sich die Regierung nicht lange hält. Es kann noch einige Wochen dauern, aber es kocht und mit der Frequenz, wie derzeit neue Details bekannt wird die Lage für Präsident Petro immer brenzliger.
Grüße,

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Re: Gustavo Petros Kolumbien

Beitrag von Herr Rossi » 08.03.2023, 09:06

,,,
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Re: Gustavo Petros Kolumbien

Beitrag von Toska » 08.03.2023, 16:14

Herr Rossi hat geschrieben:
08.03.2023, 09:06
Allerdings darfst du wohl ebenfalls nicht darauf hoffen, dass es mal besser wird. Wie will man in einem solchen Land überhaupt an der Korruption vorbei Politik betreiben bzw. wie will man in eine Position kommt, wo man real etwas bewirken kann ohne dass man das Spiel mitspielt? Nach deinen Schilderungen erscheint mir das ziemlich unmöglich.

Gab es eigentlich mal Überlegungen das Drogengeschäft in irgendeiner Form zu legalisieren? Wegkriegen tut man es ja offensichtlich nicht. Wobei bei solchen Überlegungen wahrscheinlich als erstes die Kartelle Front dagen machen würden...
Es gibt zu viele militante Interessen und Gruppierungen, die Front gegen einen gründlichen Ausputz machen. Zwei Beispiele: Die Familie von Days Vasquez (Ex-Frau von Nicolas Petro)? Selbstverständlich hat die komplette Sippe jetzt massive Morddrohungen am Hals und befindet sich wohl seit gestern im Zeugenschutzprogramm. Und gestern abend gab es einen Attentats- oder Entführungsversuch gegen den Direktor der Nationalen Schutzeinheit UNP (Nicht UNO, wie der Übersetzer fälschlich raushaut), der gerade seine Tochter abgeholt hatte und mit den zwei Bodyguards im Auto vor seinem Haus ankam. Die UNP ist eine Regierungsorganisation, die dem US Secret Service nicht unähnlich ist. Die schützen aber nicht ausschließlich die Politiker, Funktionäre und Bonzen, sondern Politiker, Oppositionelle, Gewerkschafter, Aktivisten, Mediziner, Zeugen in Justizprozessen, Opfer von Menschenrechtsverletzungen, Journalisten (auch Blogger), ehemalige und aktuelle Staatsbeamte, die bedroht werden, Sachverständige, die in wichtigen Prozessen aussagen, Richter und vieles mehr.

Gründe für den Anschlag oder den Entführungsversuch kann es viele geben und das muss noch nicht mal mit dem aktuellen Fall (und der Zeugin Days Vasquez) zu tun haben. Der Werte Herr ist erst kurz im Amt und hatte der Staatsanwaltschaft bereits mitgeteilt, dass sie gegen Korruption im eigenen Haus ermitteln. Die haben zwar viele Beamte, die für sie arbeiten, aber auch viele Dienstleister, die gepanzerte Fahrzeuge und Bodyguard stellen. Und einige davon haben offensichtlich Verbindungen zu Kartellen oder Terroristen, was natürlich oberpeinlich und extrem ungünstig ist, weil das genau die Gruppen sind, vor denen man die Zeugen in der Regel schützen will.

Was die Legalisierung des Drogenanbaus angeht? Ja. Definitiv. Zum einen hatte Petro das auch in seiner Antrittsrede gesagt und spiegelte dabei auch die Meinung vieler Kolumbianer wieder: Wir bedienen hier durch den Anbau von Koka und dessen Verarbeitung zu Kokain lediglich den Bedarf der USA (und anderer Länder). Gäbe es diesen Bedarf nicht und hätten diese Länder ihre Grenzen und ihre Junkies besser unter Kontrolle, würde es auch keinen Markt für Kokain geben und keinen Bedarf, Koka-Pflanzen anzubauen. Zudem sind die Bauern sowieso die verarschten, weil sie bestenfalls Pennies bekommen und einen Großteil des Risikos tragen und nicht die Mittel haben, sich davon zu erholen, wenn denen die Fahnder und Militärs die Felder abfackeln. Von daher hat man zweierlei gemacht: Zum einen die Bekämpfung der illegalen Koka-Felder runtergefahren und zum anderen legalisiert, dass man rund fünf Kilo Koka-Blätter legal anbauen darf.

Das ist natürlich auch ein Programm für die Füße, denn vorher gehörten 5 Hektar dem Vater. Jetzt hat er nur noch einen Hektar. Und die Frau einen und die drei Kids jeweils auch einen Hektar. Also dürfen sie 25 Kilo legal anbauen, statt nur fünf. Und die Abnehmer sind noch immer die gleichen, von daher: Augenwischerei und eine Teillegalisierung, welche die Bauern teilweise entkriminalisiert, aber die Kartelle eben (noch) nicht. Und die haben das Geld, die Waffen und von denen geht die wirkliche Macht aus.

Und das ist leider der springende Punkt: Solange die Kartelle weiterhin irgendwie ihre Geschäfte machen können (und die Terroristen mit ihrem eigenen Koks-Anbau und Export), so lange werden die auch Berge von Geld haben, um sich alle zu kaufen (oder alle zu "entsorgen"), die Probleme machen könnten.

In den USA haben die Senatoren Crenshaw und Waltz (beide Republikaner) einen Gesetzesentwurf angestoßen, der ALLE mexikanischen Drogen-Kartelle auf die Terror-Liste setzt und die US-Regierung ermächtigt, alle Ressourcen (auch militärisch und auch IN Mexiko) gegen die Kartelle einzusetzen. Der mexikanische Präsident (eine Strohpuppe der Kartelle) richtete sich gestern an Crenshaw und sagte: "Oye, cumpa! Das ist eine Kriegserklärung an Mexiko!" und sie würden da keinesfalls mitspielen.

Crenshaw entgegnete: "Mr. President, sie müssen sich entscheiden, auf welcher Seite sie stehen: Der Seite ihres Volkes oder der Seite der Kartelle." :ziggi:

Das geht aber noch weiter. Es erlaubt den USA, die Finanzströme der Kartelle zu kappen - und zwar noch umfassender, als bisher. Und auch jene von Firmen, Organisationen, Individuen und mexikanischen Funktionären, welche sie unterstützen oder dulden. Mexiko hat auch eine lange Liste von Präsidenten, die alle von den Kartellen gekauft waren. Egal ob Salinas de Gortari, Felipe Calderón, Peña Nieto (100M USD von el Chapo!) oder Manuel Lopez Obrador. Die Liste ist sicherlich ebenso lang wie hier in Kolumbien.

Momentan ist halt Mexiko im Augenmerk der USA, weil es auch "näher an zu Hause" liegt, als Kolumbien. Aber der kolumbianische Ex-Präsident Andres Pastrana (im Amt: 1998-2002) sprach heute morgen in Radio FM und verlangte den Rücktritt von Präsident Petro und er solle sich nicht länger hinter seinem Bruder und Sohn verstecken, weil die Sache in seiner Verantwortung liegt. Er erwähnte auch ausdrücklich, dass wenn nicht bald Ordnung einkehrt, eine Intervention der USA zu befürchten sei. Denn es sei offensichtlich, dass die Kartelle weiterhin die Macht haben und die Maßnahmen von Petro das eher noch fördern.

Ex-Präsi Andres Pastrana ist auch nicht so ganz ohne Skandale gewesen (Epstein! - "Lolita Express"), aber war bei weitem nicht so korrupt, wie seine Nachfolger. Er genießt hier als Elder-Statesman ein Ansehen, dass dem von Helmut Schmidt in seinen späteren Jahren nicht unähnlich ist. Von daher wird schon ernst genommen, was er sagt, weil er es ebenso bedacht und zivilisiert rüberbringt, wie Schmidt es konnte.

Im Grund hat er recht, aber die Selbstreinigungskräfte, die für so einen Säuberungs-Akt nötig wären, kann Kolumbien alleine vermutlich nicht aufbringen. Es dürfte schwer werden, IRGEND EINEN sauberen Politiker zu finden, dem man die politische Führung in so einem transformativen Gewaltakt zutrauen könnte. Und ohne den politischen Willen und die politische Führung ist das nicht durchzusetzen. Nur "von unten" geht das nicht.

Von daher wird das noch ein weiter und blutiger Weg sein, der keine schnellen und langfristig nachhaltigen Erfolge erwarten lässt.
Grüße,

Toska
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Re: Gustavo Petros Kolumbien

Beitrag von Toska » 10.03.2023, 06:52

Eines noch zum UNP-Chef: Der hat Drohanrufe bekommen, was an sich nicht ungewöhnlich ist. Aber raffiniert war: Die haben ihn im Büro von der Nummer seiner Wohnung aus angerufen. Und zu Hause von seiner Nummer im Büro. Die Caller-ID war vermutlich mindestens bei einem der Fälle gefaked (dem Anruf von zu Hause aus), aber das war schon mal eine Demonstration, dass das keine Amateure waren. Dreister noch: Ein Anruf kam Samstags morgens vom Telefon seiner Vorzimmerdame und man sagte ihm: "Sie müssen ins Büro kommen. Der Innenminister ist um 10 Uhr hier, um sich mit ihnen zu treffen." Auf dieses Treffen hatter er eigentlich gewartet, aber erst in der folgenden Woche. Er ist dann ins Büro geeilt und auf seinem Schreibtisch lagen Fotos: Seine Kinder beim Spielen im Garten, seine Kinder bei den Großeltern, seine Kinder beim Verlassen ihrer Schulen und Fotos, die ihn in den Tagen zuvor bei Gesprächen mit mehreren Beamten in verschiedenen Teilen (auch Sicherheitsbereichen) im eigenen Ministerium zeigen. Endresultat: Selbst im eigenen Ministerium hat er nun immer mindestens drei Bodyguards bei sich und seine Familie ist für längere Zeit untergetaucht - vermutlich im Ausland.

Präsident Petro hatte ihm und seiner Familie Unterkunft um Präsidentenpalast angeboten, aber das hat der Herr dankend abgelehnt: Er würde sich nicht verstecken und er hätte einen Job zu tun. :ziggi:

Im Prinzip muss man sich das mal auf der Zunge zergehen lassen. Der relativ neue Chef des hiesigen "Secret Service"-Gegenstücks muss sich im eigenen Ministerium von Bodyguards begleiten lassen, weil seine Organisation so gründlich von Staatsfeinden infiltriert ist, dass er selbst im eigenen Büro nicht mehr sicher ist.

Auch interessant: Im Präsidentenpalast gehen zwei Spanier ein und aus: Ein Xavier Vendrell und ein Manuel Grau Pujadas. Beide erhielten im Express-Verfahren (total unüblich) im letzten November die kolumbianische Staatsbürgerschaft. Xavier Vendrell ist ein katalanischer Ex-Politiker, der von Spanien wegen Sezession und Korruption zur Fahndung ausgeschrieben ist. Und Manuel Grau ist Großunternehmer und Finanzier, der wegen seines "kulturellen und touristischen Engagements" bekannt ist. Eine seiner Firmen ist in Bogota für die Müllabfuhr zuständig und holt auch den Müll in 1600 Büros der öffentlichen Hand ab. Beide sind angeblich im Stab der kolumbianischen "First Lady" (Veronica Alcocer, Frau von Präsident Petro), obwohl die eigentlich keine Bediensteten hat, kein offizielles Amt und bestenfalls mal im Auftrag ihres Mannes vereinzelt Funktionen wahrnimmt. Beide Herren haben die First Lady z.B. beim Papstbesuch in Rom begleitet. Als die Frage aufkam, wer deren Reise bezahlt hat? Eine offizielle Antwort war zunächst: Die hätten selbst bezahlt. Als Beweise vom Gegenteil auftauchten, hieß es: Die wären gemäß ihren Funktion als Stabsmitglieder der Delegation auf Staatskosten mitgereist. Was die Herren genau für das Präsidentenpaar machen, ist unklar.

Indessen reibt man in den sozialen Medien dem Petro-Clan nochmal genüsslich ein Statement der amtierenden DEA-Cheffin der USA unter die Nase. Gut, das hat sie im November 2021 bei der Amtseinführung von sich gegeben, aber das dürfte noch immer valide sein. Oder dass Gustavo Petro selbst vor ein paar Jahren ganz öffentlich den Rücktritt der damaligen Vizepräsidentin Kolumbiens forderte, weil diese wohl Verbindung zu den Narcos hatte, die sich nicht mehr verheimlichen ließen. Da nützt es dann auch wenig, dass Sohn Nicolas Petro behauptet, die 400.000,- Euro für seine Luxus-Wohnung und sein (nicht auf ihn zugelassenes!) Luxus-Auto aus seinem Abgeordneten-Salär von weniger als 3000,- Euro komplett selbst bestritten hat.

Wenig glaubwürdig, selbst als Kredit. Denn die Banken nehmen hier gerne 60% effektive Jahreszinsen. :hehehe:
Grüße,

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Re: Gustavo Petros Kolumbien

Beitrag von Toska » 11.03.2023, 08:07

Auch witzig: Der Präsi von El Salvador ist Nayib Bukele. Genau jener, der neulich einen neuen Knast für 40.000 Gefangene in Rekordzeit (7 Monate) hat bauen lassen und der rund 60.000 Mitglieder der MS-13 Gang hat einlochen lassen. Absoluter Hardliner und auch ein bisschen schräg drauf. Hatte z.B. für die Altersversorgung und auch das tägliche Geldgeschäft seiner Bürger voll auf Crypto-Währungen gesetzt und das ging gründlich in die Hose. Mit Klatsche vom Internationalen Währungsfond.

Der kolumbianische Präsident Petro und El Salvadors Präsident Bukele sind sich seit Tagen auf Twitter am kloppen und Petro hat bislang bei jedem Schlagabtausch den kürzeren gezogen, weil Bukele halt die besseren Argumente hat und sie zielsicher einsetzt.

Es fing an mit Petros Tweet an Bukele: "Mehr Universitäten und weniger Gefängnisse." Und Bukele teilte sofort aus: "Dein Sohn ging ja zur Universität und heute bekommt er Geld von Narcos. Ist sein Name eigentlich Nicolas Petro oder Narcolas Petro?" Und Bukele legte die Tage noch nach: "Ist Ihr Sohn nicht derjenige, der für Geld unter dem Tisch Pakte schließt? Zuhause ist alles gut?" Und also ob das nicht reicht, kam noch das hier.

Bukele verteidigt sich dort gegen den Vorwurf von Petro, Unschuldige in den Knast geworfen zu haben. Halt einzelne Gangmitglieder, denen man bislang noch keine Straftaten zuordnen konnte - außer dass sie halt Mitglieder einer verbotenen Terrorgruppe sind (was ja ausreicht!). "Ich nehme an, dass sie noch nie einen Gegner gegenüber Anschuldigungen vorgebracht haben (hat er!) und die Kolumbianer wissen das selbst am besten. Und auch, dass sie mittlerweile ein notorischer Lügner sind. Außerdem waren Sie es, der mich angegriffen hat und sich in unsere inneren Angelegenheiten eingemischt hat, während ich noch nicht mal ihre (Petros!) Existenz zur Kenntnis genommen habe." Noch ein Klassiker von Bukele an Petro mit klarem Bezug auf dessen nationales Friedensprogramm mit den Terroristen: "Man bekommt keinen Frieden, wenn man mit Korrupten Abmachungen trifft und seine Macht mit Mördern teilt."

Der Gag ist noch: Wäre Petro wirklich ein Law-und-Order-Typ, der Korruption und Verbrechen bekämpfen wollte? Sein erster diplomatischer Auslandskontakt hätte an sich nach El Salvador führen müssen und nicht nach Venezuela zu Maduro! :ziggi:

Indessen segeln die Uribisten hier auf einem Aufwind, der kaum zu glauben ist. Wenn einer Law-und-Order kann (so gut oder so schlecht wie die CSU zum Beispiel!), dann die Uribisten. Zumindest in der Außendarstellung, denn die waren bislang kaum weniger korrupt, bzw. haben sich lediglich dabei geschickter angestellt. Jedenfalls hat die größte Uribisten-Partei nun mal ganz leger Nayib Bukele als Sprecher zu einem Sicherheitskongress eingeladen, der in ein paar Monaten hier in Kolumbien stattfinden soll. Und die haben ein paar Kandidaten in der Hinterhand, die sicherlich schon vor dem Spiegel ihre beste Bukele-Imitation einüben, damit sie damit bald beim Wähler punkten können.

Petro hat heute eine Blendgranate gezündet und seinen Kumpel Maduro dazu gebracht, eine sehr bekannte kriminelle Kolumbianerin nach Kolumbien abzuschieben. Die Ex-Senatorin Aida Merlano war 2019 wegen Verschwörung zu einem schweren Verbrechen, Mitgliedschaft in einer verbotenen Vereinigung, Korruption und illegalem Waffenbesitz verhaftet worden. Bei einem Zahnarztbesuch außerhalb des Knasts ist sie spektakulär getürmt (hatte Hilfe) und nach Venezuela davon. Dort wurde sie von Maduros Schergen eingelocht und jegliche Auslieferungsersuche liefen bislang ins Leere. Der Medienrummel um ihre Rückkehr und was sie nun zu berichten hat soll offensichtlich vom Petro-Skandal ablenken.
Grüße,

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