Zu Besuch bei Toska in Kolumbien

Termine, Organisatorisches und Wissenswertes über RL-Treffen, Lanparties und Events von FragThe.Net

Moderatoren: Peacemaker, ftn|Broken Arrow, Moderatoren

Benutzeravatar
funny
Blitzermodell
Beiträge: 990
Registriert: 03.05.2003, 16:55
Wohnort: Washington DC

Zu Besuch bei Toska in Kolumbien

Beitrag von funny » 31.03.2016, 18:56

Da ich gerade mal wieder unterwegs in Kolumbien bin und die Reise mit dem Besuch eines geschätzten FtN-Mitglieds verbunden habe möchte ich euch einen kleinen Reisebericht natürlich nicht vorenthalten.

Am 17. März ging es los. Direktflug mit Lufthansa Frankfurt - Bogotá. Der Preis des Fluges lag mit 848 € Hin- und zurück inkl. sämtlicher Gebühren im normalen Bereich. Ich kann auch nur empfehlen, einen Direktflug zu nehmen. Als ich noch Student war habe ich um knapp 100 € zu sparen die Route Frankfurt - Paris - Caracas - Bogotá auf mich genommen. Nie wieder.

Hauptanliegen meiner Reise waren Freunde besuchen, entspannen, etwas Neues sehen und mich ein wenig auf den örtlichen Spirituosenmarkt umsehen. Dies ist jetzt tatsächlich nicht als Metapher gemeint, sondern wörtlich. Möchte mich etwas schlau machen was die Import- und Verkaufsbedingung alkoholischer Getränke hier in Kolumbien betrifft.

Der 11h20min Flugzeit hören sich zwar lange an, vergingen allerdings relativ schnell und der Flug war auch sehr angenehm. Das Gehemnis liegt in der richtigen Mischung zwischen Lesen, Schlafen und Film gucken.

Der kolumbianische Peso (COP) ist gerade mit 3400 COP / EUR für uns sehr günstig. Bei meinem letzten Besuch vor 2 Jahren war er bei ca. 2500 COP / EUR.

Für die Unterkünfte gibt es in Bogotá an sich wie in jeder anderen Stadt mehrere Möglichkeiten. Da sind zum einen unzählige Jugendherbergen, gerade im "Hipster" Viertel Candelaria, teilweise schon ab 5 € pro Nacht. Die andere Möglichkeit sind "normale" Hotels oder sog. Aparthotels, also im Prinzip eine richtige Wohnung mit Hotelservice, teilweise mit oder ohne Frühstück. Die Hotels und Aparthotels finden sich dann meist im nördlicheren Teil der Stadt.

Hatte ich mich in der Vergangenheit immer für letzteres entschieden habe ich diesmal die ersten Nächte im Hotel "Casa Dann Carlton" verbracht, u.a. weil es einges der wenigen Hotels in Bogotá ist, die einen Indoor Pool groß genug zum Schwimmen haben und ich somit etwas von meiner stressigen Arbeit entspannen kann ;)

Rooftop-Pool, nebenan die Rooftop Bar:

Bild

Abenddämmerung in Bogotá:

Bild

Kann das Hotel nur weiterempfehlen. 5 Sterne für 70 € die Nacht. So habe ich knapp die erste Woche mit Chillen, Lesen, etwas Arbeiten und Abends Weggehen verbracht. Zum Weggehen eignen sich insbesondere 2 Stadtteile.

Das historische Städtchen Usaquén, welcher früher noch eine eigene Stadt bzw. Dorf war, mittlerweile aber von Bogotá umschlungen wurde. Hier gibt es schöne Bars, Restaurants und einen netten Platz im Kolonialstil.

Außerdem die Zona-T, an der Calle 82 gelegen. Hier gibt es alles was das Herz begehrt. Bars, Diskotheken, Kino, Restaurant, Einkaufszentrum. Mehr Auswahl als in Usaquén, jedoch mit weniger (Kolonial-)Stil.

Im Stadtzentrum, d.h. in der Nähe Plaza Simon Bolivar und Candelaria, kann man wohl auch ausgehen. Da es hier aber noch nichts ganz so sicher sein soll war ich dort Nachts noch nie unterwegs. Über die beiden oben genannten Stadtteile kann ich hingegen nichts Negatives berichten, außer vielleicht die europäischen Preise.

In Bogotá werden jeden Sonntag sämtliche Hauptverkehrsstraßen für Autos gesperrt und in sog. Ciclovias für Fahrradfahrer umgewandelt. Wer Bogotá also man erkunden möchte, sollte sich unbedingt an einem Sonntag ein Fahrrad ausleihen und dieses Angebot nutzen. Man ist nicht nur schneller als mit dem Auto (aufgrund fehlender S-Bahn oder U-Bahn ist Bogotá ein riesengroßes Verkehrschaos), sondern kann jederzeit anhalten, sich an den vielen Ständen einen frischen Saft einer tropischen Frucht gönnen oder auch eine kurze Runde Schach in einen der vielen sich am Straßenrand befindichen Zelte spielen ("Sport für den Kopf").

Fahrradverleihe scheinen leider noch nicht so etabliert, und so habe ich für 2 Tage ein für mich eigentlich zu kleinen Rad für 45.000 Pesos (ca. 13 €) gemietet:

Bild

Man sollte die Fahrt auch genießen und nicht unbedingt versuchen, neue Geschwindigkeitsrekorde aufzustellen. Zum einen lässt das die Masse an Fahrrädern gar nicht zu, zum anderen ist die Luft auf 2500 m nicht nur sehr dünn, sondern die Luftqualität aufgrund des Verkehrs auch nicht unbedingt die Beste im Land.

Hier ging es am Rande Bogotás auf 2900 m hinauf:
Bild

Da natürlich der Autoverkehr nicht total zum erliegen kommen kann, gibt es an vielen Kreuzungen Ampeln mit freiwilligen Helfern, die dann immer ein Band spannen sobald die Ampel rot wird:

Bild

Etwas außerhalb:
Bild

Abgesehen von den Sonntagen, kann man in Bogotá auch mittlerweile gut außerhalb der Straßen Fahrradfahren, da es viele und gut ausgebaute Fahrradwege gibt:

Bild

Wenn man die Stadt per Fahrrad erkundet, merkt man erst einmal, wie groß diese 8 mio. Einwohner Stadt ist. Wir haben eine relativ kleinen Zirkel gedreht, und sind bspw. nicht mal in die Nähe des Flughafens gekommen und haben 30 km zurückgelegt.



Bogotá hat touristisch nicht das Megaangebot. Kurz gefasst sind dies: Montserrate (Berg), Candelaria (Hip-Viertel mit bunden Häusern), Plaza Simon Bolivar, Goldmuseum, und außerhalb eine Salzkathedrale und die Kleinstadt Chia. Dieses mal haben wir einen Ausflug nach Chia gemacht, ca. 45 min nördlich von Bogotá. Die Stadt hat ein historisches Stadtzentrum und wird gerne besucht, auch kann man hier gut essen. Auf dem Weg dorthin finden sich typische Szenen wie sie sich in Bogotá abspielen. Dazu gehören auch irgendwelche "Künstler", die oft mehr schlecht als recht an Straßenkreuzungen jonglieren oder sonstige Sachen machen und danach um Geld bitten:

Bild

Altstadt von Chia mit Kirche:

Bild


Wenn man Bogotá mal als Tourist kennen lernen möchte, reichen 3-5 Tage vollkommen aus. Nichts desto trotz zieht mich die Stadt mit ihrem Chaos dorch immer wieder in ihren Bann und ich verbringe jedesmal eine tolle Zeit hier.


So, nach knapp einer Woche im kühlen Hauptstadtklima ging es dann nach Armenia zu Toska in die Eje Cafetero, die Kaffeezone Kolumbiens. Hinwärts bin ich mit der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca geflogen. Die sind Teil der Star Alliance und haben eine doch sehr moderne Flotte. Der Flug von Bogotá nach Armenia dauert keine 40 min Flugzeit, es Luftlinie keine 250 km entfernt liegt. Bezahlt habe ich 130.000 Pesos, also ca. 40 €.

Unterwegs fliegt man an zwei 4000ern vorbei, die noch etwas schneebedeckt sind:
Bild

Abends angekommen haben wir erstmal etwas Leckeres gegessen ("Casa Verde Campestre", sehr zu empfehlen).
Anschließend sollte es zu dem von mir am selben Tag reservierten Hotel gehen, welches mir Toska empfohlen hat. Was ich allerdings nicht beachtet hatte war, dass Osterwochenende war und Armenia ein sehr beliebtes Ausflugsziel ist...Das hieß im Endeffekt nach ca. 1 stündiger Suche, dass Toska bzw. Frau so nett waren und die Tochter ihr Zimmer für mich räumte :D

Nachdem wir uns etwas beschnüffelt und für sympathisch befunden hatten haben wir beschlossen, das Geld für ein Hotel lieber in gutes Essen und Alkohol zu investieren, so dass ich dann das Wochenende dort blieb.

Am Freitag ging es dann nach Buenavista, nachdem wir noch etwas zu Mittag gegessen hatten. Armenia hat viele schöne Restaurants, Karfreitag waren allerdings viele geschlossen, u.a. dieses hier:

Bild

Der größte Unterschied im Vergleich zu Bogotá war sofort die Temperatur. Trotz einer Höhe von ca. 1500 m ist Armenia schon sehr warm. Auf der ca. 45 min Fahrt nach Buenavista, eine kleine Stadt und gleichzeitig aufgrund der Sicht und Kaffeerestaurants beliebtes Ausflugsziel, kann man schonmal die atemberaubende Landschaft genießen, fährt an vielen Fincas vorbei, von denen man auch viele mieten kann, und passiert Autos, die gerade versuchen, einen neuen Guinness-Weltrekord aufzustellen:

Bild

In Buenavista sind wir dann zur "Haciendo San Alberto" und haben uns dort einen schönen Kaffee inkl. kleiner Vorführung genehmigt, nachdem wir vorher noch die Aussicht genossen haben.

Kaffepflanzen und im Hintergrund Buenavista, wie es auf einer Hügelkette liegt:
Bild

Toskalein und ich:
Bild

Toska, Frau und Kaffeezubereitungsgehilfin:
Bild

Leider war aufgrund des Feiertags sehr viel los, was dem Genuss jedoch nicht geschadet hat.
Auf dem Weg zurück nach Armenia dann wieder die Natur genießen.
Bild


Am nächsten Tag sind wir dann nach Manizales gefahren, knapp 100 km nördlich von Armenia und in ca. 2 Stunden zu erreichen.
Manizales ist Hauptstadt des Departamentos Caldas und hat mit Umgebung ca. 400.000 Einwohner. Da Toskas Frau dort aufgewachsen ist habe ich eine ausgezeichnete Führung aus erster Hand bekommen und wir haben die Stadt mit deutscher Effizienz und im Schnelldurchlauf angeschaut.

Die Fahrt dorthin war auch sehr schön und die Überlandstraßen entgegen meiner Erwartungen in einem sehr guten Zustand. Man hat auch sehr viele Fahrradfahrer gesehen. Unterwegs kamen wir dann an einer ausgebrannten Villa eines von Pablo Escobars Schergen vorbei.

Bild

Ich weiß leider nicht mehr, von wem. Vielleicht kannst Du das nochmal kurz schreiben, Michael.

Aufgrund des riskanten Überholmaneuver von Toska konnte ein Bus leider nicht mehr rechtzeitig ausweichen und kippte um:
Bild

Nein, Toska ist stets sehr ordentlich gefahren, der Bus lag bereits da :D

Der höchste Punkte Manizales' ist das Barrio Chipre, von welchem man eine schöne Sicht auf die Stadt hat. Hier findet man u.a. das Monument der Kolonisten, welches u.a. die Anstrengungen der ersten Kolonisten, die die Stadt gründeten, widerspiegeln soll.

Bild

Von dort ging es dann zum Plaza Bolivar (der Zentrale Platz jeder kolumbianischen Stadt heißt Plaza Bolivar) mit Besichtigung der Kathedrale
Bild

Von dort aus ging es dann zur Seilbahn, von der man aus nicht nur sehr gut die Stadt sehen kann sondern auch schneller als mit anderen Verkehrsmitteln von A nach B kommt.

Sicht aus der Seilbahn:
Bild

Ärmeres Viertel. Scheinbar typische Bauweise, man fängt oben an:
Bild

Nach dem Seilbahnausflug ging es dann in einen kleinen Park, von welchem man auch kleinere Wanderungen unternehmen konnte. Da ich mich etwas erkältet habe war ich leider nicht sonderlich fit und somit haben wir dann wie so oft einen leckeren Kaffee getrunken.
Bild

Von dort sind wir dann langsam aber sicher richtig Abendessen aufgebrochen, ein leckeres Restaurant welches auch gleichzeitig Hotel war in einer tollen, gepflegten Anlage.
Bild


Anschließend ging es zurück nach Armenia, wo wir dann alle relativ erschöpft eintrafen :sleep:

Am letzten Tag (Ostersonntag) sind wir nach Salento gefahren, die Ausflugsstadt der Region schlechthin und älteste Stadt des Departamentos Quindío. Hier war schon Alexander von Humboldt und hat erstmal die Wachspalme katagolisiert, höchste Palme der Welt und Nationalbaum Kolumbiens.

Nicht nur die Stadt Salento ist einen Besuch wert, sondern auch die Region, die Wanderwege im Cocora Tal, welches berühmt für die Wachspalmen sind. Leider haben wir aus Zeitgründen bzw. auch weil ich so angeschlagen war darauf verzichtet und sind dann "nur" nach Salento.

Toska mit seinen 2 Mädels mit Blick in Cocora-Tal:
Bild

Blick auf Salento:
Bild

Plaza Bolivar Salentos:
Bild

Hier haben wir dann lecker gegessen:
Bild

Salento ist aufgrund des naheliegenden Flusses mit frischen Gebirgswasser berühmt für Forellen, die in jedem Restaurant angeboten werden.
Bild


So schnell ist ein Wochenende vergangen. Die Region hat wirklich einiges zu bieten und es gibt noch eine Menge, welches ich noch nicht gesehen habe, so dass ich unbedingt wiederkommen werde.

Vielen Dank an Toska und seiner Marcela für das tolle Wochenende, die Gastfreundschaft und die netten Unterhaltungen!

Zurück bin ich dann nicht geflogen, sondern mit dem Bus gefahren. Zum einen wollte ich gerne die Landschaft sehen, zum anderen waren die Flüge am Montag mit ca. 180 € ziemlich teuer. Somit habe ich dann für 50.000 Pesos, knapp 14 €, 8 Std. für 250 km in diesem Bus gesessen:

Bild

Die Fahrt war gut, wenn auch nicht super bequem. Die tollen Ausblicke haben dann aber alles entschädigt und ich habe die Entscheidung der Busfahrt auf keinem Fall bereut.
Bild

Das war auf ca. 3300 m. Von Armenia nach Bogotá passiert man einige Andenausläufer. So geht es erst auf ca. 3300 m bergauf, bevor es dann bis auf 600 m nach unten geht. Zum Schluss dann wieder auf die 2500 m Bogotás.

Die Straßen waren auch hier durchweg im sehr guten Zustand und meist war es entweder zweispurig oder die Straßen waren sehr breit:
Bild

Unterwegs gab es eine Polizeikontrolle, bei der alle Insassen aussteigen mussten. Die Ausweise aller Kolumbianer wurden eingesammelt und die Menschen versammelten sich an der Seite des Buses. Aus mir immernoch unerklärlichen Gründen hat mich der Polizist, als er meinen deutschen Pass gesehen hatte, als einziger hinter den Bus geführt. Mit seiner großen M4 um den Schultern war mir kurz mulmig, er hat sich allerdings nur kurz über Fußball unterhalten und mir problemlos meinen Pass zurückgegeben.

Ich war nun schon das 5. Mal in Kolumbien und haben bisher auch nie eine brenzlige Situation erlebt. Es wird auf jeden Fall auch noch ein 6. Mal geben.
"Corruptissima re publica plurimae leges!"
- Publius Cornelius Tacitus -

Je verdorbener der Staat, desto mehr Gesetze hat er

Benutzeravatar
Roland von Gilead
verdammt coole sau
Beiträge: 13091
Registriert: 02.07.2003, 20:05
Wohnort: wo die Kühe wilder als die Frauen sind !
Kontaktdaten:

Beitrag von Roland von Gilead » 31.03.2016, 19:35

:applause: Schöner Reisebericht ... danke Funny :applause:
[fullalbumimg]804[/fullalbumimg]
Bild Bild Bild Bild

Benutzeravatar
BlackSoul
Administrator
Administrator
Beiträge: 7898
Registriert: 13.01.2003, 20:13

Beitrag von BlackSoul » 31.03.2016, 21:14

Roland von Gilead hat geschrieben::applause: Schöner Reisebericht ... danke Funny :applause:
allerdings - vielen dank fur aufwand und mühe!

Benutzeravatar
Toska
Geschäftsmodell
Beiträge: 2175
Registriert: 17.07.2007, 17:22
Wohnort: Armenia / Kolumbien

Beitrag von Toska » 31.03.2016, 22:40

Jau, Florian ... das war ein sehr schöner Bericht mit einer guten Auswahl an Bildern. Wie gesagt: Du bist uns jederzeit wieder willkommen.

In der Kürze der Zeit hatten wir ja ein ziemliches Programm abgespult und dennoch nur an der Oberfläche gekratzt, was die touristischen Möglichkeiten von Quindio angeht. Insbesondere halt auch schade, dass wir es nicht bis ins Valle de Cocora oder in den Parque del Café geschafft haben. Oder zum Mirador von Filandia, der auch für seine geniale Aussicht berühmt ist. Das heben wir uns dann fürs nächste Mal auf. Aber gerade der Parque del Café war ja sowieso am Oster-Wochenende überlaufen. Meine Frau sagte, dass die Freitags morgens um 11 die Pforte dicht machten, weil sich schon 10.000 Besucher reingequetscht hatten. Das ist dann schon sportlich. :roll:

Leider sind wir auch nicht dazu gekommen, dass mein Schwager und du mal die Köpfe zusammen stecken können um euren Kaffee- und Wein-Import/Export auf die Füße zu stellen. :wink:

Und ja: Das Hotel in Bogotá sieht ja richtig schick aus. Ich merke mir das fürs nächste mal vor, wenn wir dort sind.

Was die Sicherheitslage angeht: Ich bin jetzt rund vier Jahre hier und hatte bislang immer Glück. Man muss halt mit offenen Augen durch die Welt gehen und sehen, dass man die unvermeidbaren Risiken durch Mitführen von wenig Geld und Wertsachen minimiert. Die teilweise aggressive Bettelei ist halt übel. Haben wir ja im Bistro im Parque Sucre gesehen, als der "Veteran" auftauchte und seine Schusswunden-Narben präsentierte und seine Elendsgeschichte abspulte. Ich würd' mich nicht wundern, wenn das 9mm aus Polizei-Pistolen waren und der einige Jahre im Knast saß. Von wegen Armee. Schlimm ist, wenn das gleich 2-3 von denen auf einmal sind, denn dann heißt es stiften gehen. Die betteln generell einzeln (wegen Konkurrenz) und nur in Gruppen, um für Taschendiebstahl (oder schlimmer) Ablenkung zu schaffen. Sieht man zum Glück eher selten, aber es trifft ständig mal jemanden aus dem Bekanntenkreis, der an solche Beutelschneider-Gruppen gerät.

Heute im Unicentro Einkaufszentrum haben wir um die Mittagszeit an den Geldautomaten von Bancolombia Geld abheben wollen. Wir kennen diese 5-6 Automaten recht gut und achten generell auf Manipulationen an den Geräten und auf "seltsame Gestalten", die ggf. in der Nähe rumlungern. Die haben wir dann heute gefunden. Da stand ein Fettsack etwas abseits. Der hatte drei Jugendliche dabei, denen er jeweils eine Plastik-Hülle mit EC-Karten und Zettel darin zusteckte, auf denen wohl PIN und abzuhebende Summe stand. Die Kids sind dann an die Automaten und haben versucht, Geld abzuheben. Mal ging es, mal nicht. Nach jedem Versuch sind die wieder zum Fettsack und gaben Karte und ggf. Beute ab und holten sich neue Karten und Zettel für den nächsten Zugriff ab. Und die machten das nur, wenn die Automaten gerade frei waren und keine Schlange davor. Die Kids waren wohl (von den Klamotten und der persönlichen Hygiene her) von der Straße und der Fettsack wollte vermeiden, dass er auf den Kamera-Aufzeichnungen der Geldautomaten auftaucht. Wir haben uns das kurz angeschaut und dann den Sicherheitsdienst informiert und uns 'ne andere Bank zum Abheben gesucht.

Ich wünsch' dir noch einen schönen Restaufenthalt in Bogotá und eine gute Heimreise. Und wie gesagt: Wenns dort nicht klappt, hier sind schon einige mit Voranmeldung. :hehehe:
Grüße,

Toska
________________________________________
Optimismus ist lediglich ein Mangel an Information
2:191

Benutzeravatar
BobbyShaftoe
Administrator
Administrator
Beiträge: 3838
Registriert: 26.08.2002, 11:02

Beitrag von BobbyShaftoe » 31.03.2016, 22:51

sehr schön, danke dafür!
Fuck the pope (but use a condom).
Man kann vor vielem davon laufen, aber nicht vor seinen eigenen Füßen.

Benutzeravatar
Toska
Geschäftsmodell
Beiträge: 2175
Registriert: 17.07.2007, 17:22
Wohnort: Armenia / Kolumbien

Re: Zu Besuch bei Toska in Kolumbien

Beitrag von Toska » 31.03.2016, 23:13

Ach, hatte ich vergessen zu schreiben:
funny hat geschrieben: Bild

Ich weiß leider nicht mehr, von wem. Vielleicht kannst Du das nochmal kurz schreiben, Michael.
Der "Schuppen" gehörte Carlos Enrique Lehder Rivas:

Bild
Wikipedia hat geschrieben:Carlos Enrique Lehder Rivas or simply Carlos Lehder (born September 11,1949 is a Colombian drug lord and co-founder of the Medellin Cartel.He is currently imprisoned in the United States.[1][2] Born in Armenia, Colombia, Lehder eventually ran a cocaine transport empire on Norman's Cay island, 210 miles (340 km) off the Florida coast in the central Bahamas.[1][3]

Lehder was one of the founding members of Muerte a Secuestradores, a paramilitary group whose focus was to retaliate against the kidnappings of cartel members and their families[1] by the Guerrillas.[4][5][6][7] His motivation to join the MAS was to retaliate against the M-19 guerrilla movement, which, on November 19, 1981 attempted to kidnap him for a ransom, but he escaped from the kidnappers, and they only managed to shoot him in the leg.[8] He was one of the most important MAS and Medellin Cartel operators, and is considered to be one of the most important Colombian drug kingpins to have been successfully prosecuted in the United States.

Additionally, Lehder, who is half Colombian, half German and idolizes John Lennon and Adolf Hitler,[9] founded "a neo-Nazi political party, the National Latin Movement, whose main function, police said, appeared to be to force Colombia to abrogate its extradition treaty with the United States."[10] Lehder is of mixed German-Colombian descent, his father a German engineer and mother a Colombian schoolteacher.[11] The family[which?] owned a semi-legitimate used car business in the Medellín area in which Carlos got his start as a criminal, by supplying it with stolen American cars.[citation needed]

Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Carlos_Lehder
Halb-Deutscher, Fan von John Lennon und Adolf Hitler, Gründer der kolumbianischen Nazi-Partei, Drogenbaron, Terroristen-Jäger und Autoschieber. Also für hiesige Verhältnisse ein ganz normaler Landsmann. :D

Ganz lustig ist da halt auch, was mit diesem Haus (und anderen aus seinem Besitz) passierte. Sobald die News von seiner Verhaftung die Runde machte, ist das Hauspersonal mit allem durchgebrannt, was sie vor Eintreffen der Polizei raustragen konnten. Danach kam halt die Drogenfahndung und hat dann auch noch Selbstbedienung an dem gemacht, was an Wertsachen da war. Danach war dann die Polizei dran. Als alle Ordnungshüter fertig waren, haben sich die Bewohner der umliegenden Ortschaften dran gemacht, den Rest zu plündern. Bis hin zu den Fenstern, Türen, Kloschüsseln und Waschbecken. Und irgendwann, als es nichts mehr zu holen hab, ist die Hütte abgebrannt und steht seitdem heute noch als Ruine dort. Ist mittlerweile in Staatsbesitz. Besitztümer von verurteilten Drogenbaronen fallen generell dem Staat zu.

Nochwas: Du hattest in Salento mit Kreditkarte bezahlt und die Dame am Schalter hat ziemlich gründlich nachgebohrt. Bis hin zu Vorlage vom Pass und Telefonnummer. War schon ungewöhnlich, oder? Marcela sagte mir, warum: Vor einigen Jahren war ein Deutscher in Salento, der behauptete ausgeraubt zu sein und hat auf die Mitleidstour Unterkunft im Hotel, Verpflegung in Restaurants und diverse Waren und Dienstleistungen abgestaubt. Mit dem Versprechen, alle Deckel zu begleichen, sobald sein Geld aus Deutschland da sei. Der ist dann nach 'ner Woche ohne zu bezahlen stiften gegangen und seitdem sind die in Salento bei deutschen Touristen etwas genauer. :roll:
Grüße,

Toska
________________________________________
Optimismus ist lediglich ein Mangel an Information
2:191

Benutzeravatar
discmaster
Gewinnertyp
Beiträge: 9
Registriert: 13.01.2004, 16:24

Beitrag von discmaster » 06.04.2016, 00:43

...Ja sehr schön...konnte nicht bis zum Wochenende warten..... :wink:

Benutzeravatar
Malagant
Geschäftsmodell
Beiträge: 1787
Registriert: 30.12.2006, 14:28
Wohnort: Köln
Kontaktdaten:

Beitrag von Malagant » 06.04.2016, 09:45

Cooler Bericht. Vielen lieben Dank für deine Eindrücke :happy:

Benutzeravatar
|FtN|Kassn
Betriebsseelsorger
Beiträge: 2953
Registriert: 29.12.2006, 22:29
Wohnort: Arnsbursch
Kontaktdaten:

Beitrag von |FtN|Kassn » 07.04.2016, 10:24

Cooler Bericht, danke, bezüglich Kolumbien hatte ich ja immer meine cinematographisch bedingten Vorurteile...
Dem Genitiv sein Rettungskommando
"Denn ein Mensch, der da ißt und trinkt und hat guten Mut bei allen seinen Mühen, das ist eine Gabe Gottes. Pred. 3,13" Bei FtN seit 24.10.2002 mit 6577+ diesen Beiträgen

Benutzeravatar
Toska
Geschäftsmodell
Beiträge: 2175
Registriert: 17.07.2007, 17:22
Wohnort: Armenia / Kolumbien

Beitrag von Toska » 07.04.2016, 20:28

|FtN|Kassn hat geschrieben:bezüglich Kolumbien hatte ich ja immer meine cinematographisch bedingten Vorurteile...
Ging mir auch so, als ich das erste mal hier ankam. Da hatte man so Szenen aus "Das Kartell" (Harrison Ford) und "Blow" (Johnny Depp) im Kopf. "Das Kartell" lief die Tage hier im Fernsehen und ich hab mal kurz reingeschaut. Die Szenen, die in Bogotá spielen sollen oder in der Pampa, wo der Drogenbaron seine Villa hat? Oder Lindo Cafe? Oder die Urwaldszenen? Das sind schöne Aufnahme aus Mexico (Cuernavaca, Morelos, Tepoztlán, Xalapa und Mexico City) sowie aus Ecuador (Quito). Quito wurde für Bogotá substituiert, weil die Höhenlage, Architektur und die Szenerie halt ähnlich genug ist. "Blow" wurde auch in Mexiko und in Pasadena (Kalifornien) gedreht, wenn man "kolumbianische" Szenen einfangen wollte. Gut in den 90'ern und ggf. auch 2001 war das hier noch alles ein wenig extremer und für solche Filmcrews halt zu gefährlich und zu umständlich. Mexiko ist ja quasi vor der Haustür für die und es merkt kaum einer.

Ich bin mal ein bisschen auf "Mena" (Tom Cruise) gespannt. Der hat ja zumindest ein wenig hier vor Ort gedreht.
Grüße,

Toska
________________________________________
Optimismus ist lediglich ein Mangel an Information
2:191

Benutzeravatar
tequilio
Geschäftsmodell
Beiträge: 2131
Registriert: 24.06.2005, 19:06

Beitrag von tequilio » 07.04.2016, 20:39

Super Bericht, sehr gut beschrieben und dank der Bilder gut dargestellt!
:applause: :applause:
Bild

Benutzeravatar
Brewster Billings
Moderator
Moderator
Beiträge: 676
Registriert: 06.10.2002, 19:56
Wohnort: bÄrlin

Beitrag von Brewster Billings » 09.04.2016, 07:46

schöner bericht, danke :blume:
Seit 06.10.2002 bei FtN an Bord, 9224 sinnvolle Beiträge im alten Forum.
BildBild

Benutzeravatar
|FtN|Kassn
Betriebsseelsorger
Beiträge: 2953
Registriert: 29.12.2006, 22:29
Wohnort: Arnsbursch
Kontaktdaten:

Beitrag von |FtN|Kassn » 10.04.2016, 07:57

Toska hat geschrieben:
|FtN|Kassn hat geschrieben:bezüglich Kolumbien hatte ich ja immer meine cinematographisch bedingten Vorurteile...
Ging mir auch so, als ich das erste mal hier ankam. Da hatte man so Szenen aus "Das Kartell" (Harrison Ford) und "Blow" (Johnny Depp) im Kopf. "Das Kartell" lief die Tage hier im Fernsehen und ich hab mal kurz reingeschaut. Die Szenen, die in Bogotá spielen sollen oder in der Pampa, wo der Drogenbaron seine Villa hat? Oder Lindo Cafe? Oder die Urwaldszenen? Das sind schöne Aufnahme aus Mexico (Cuernavaca, Morelos, Tepoztlán, Xalapa und Mexico City) sowie aus Ecuador (Quito). Quito wurde für Bogotá substituiert, weil die Höhenlage, Architektur und die Szenerie halt ähnlich genug ist. "Blow" wurde auch in Mexiko und in Pasadena (Kalifornien) gedreht, wenn man "kolumbianische" Szenen einfangen wollte. Gut in den 90'ern und ggf. auch 2001 war das hier noch alles ein wenig extremer und für solche Filmcrews halt zu gefährlich und zu umständlich. Mexiko ist ja quasi vor der Haustür für die und es merkt kaum einer.

Ich bin mal ein bisschen auf "Mena" (Tom Cruise) gespannt. Der hat ja zumindest ein wenig hier vor Ort gedreht.
Auf den bin ich auch gespannt.

Die Bilder haben mich doch inspiriert.
Ich plane unsere nächste Call of Cthulhu Runde nach Kolumbien zu schicken... :twisted:
Gab oder gibt es dort kulturelle Besonderheiten?
Welche alten Rituale existieren noch?
Weißt du was über historisch ursprüngliche Einwohner?
Dem Genitiv sein Rettungskommando
"Denn ein Mensch, der da ißt und trinkt und hat guten Mut bei allen seinen Mühen, das ist eine Gabe Gottes. Pred. 3,13" Bei FtN seit 24.10.2002 mit 6577+ diesen Beiträgen

Benutzeravatar
Toska
Geschäftsmodell
Beiträge: 2175
Registriert: 17.07.2007, 17:22
Wohnort: Armenia / Kolumbien

Beitrag von Toska » 18.04.2016, 02:44

|FtN|Kassn hat geschrieben:Ich plane unsere nächste Call of Cthulhu Runde nach Kolumbien zu schicken... :twisted:
Gab oder gibt es dort kulturelle Besonderheiten?
Welche alten Rituale existieren noch?
Weißt du was über historisch ursprüngliche Einwohner?
Das ist 'n Thema, das ist so groß, dass man nicht weiß, wo man anfangen soll. Die ganze Prähistorik vor 1510 (Gründung der Kolonie Darien durch Spanien) ist relativ schwach dokumentiert, weil die Spanier halt in vielerlei Hinsicht "tabula rasa" machten und sich in etwa so gutnachbarlich aufführten, wie ISIS. Das war totaler kultureller Kahlschlag inklusive Genozid. Archäologen und Historiker konnten seitdem nur wenig wieder zusammen puzzeln. Auch viele Artefakte oder Aufzeichnungen von damals sind so gut wie nicht mehr erhalten, weil alles entweder zerschlagen, verbrannt oder eingeschmolzen wurde.

Als Ausgangspunkt einer Recherche der Geschichte würde ich mal Wikipedia ansetzen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Gran_Colombia
https://de.wikipedia.org/wiki/Kolumbien

Alleine der Freiheitskampf der Kolumbianer unter Simon Bolivar gegen die Spanier ist sehr lesenswert und man kann dann verstehen, warum hier jedes Dorf und jede Stadt einen "Plaza Bolivar" hat. Der Typ hat 'ne Kampagne hingelegt, die schon recht ordentlich war und hat die Spanier am laufenden Band verarscht, bis sie die Faxen dicke hatten und die Koffer vor die Tür gestellt bekamen.

Kulturelle Eigenheiten? Auch da gibt es vieles. Die Kolumbianer haben halt irgendwo auch ihr "mediterranes Temperament": Absoluten Bezug zur Familie, sind verquasselt, laut, humorvoll und sehr turbulent. Wenn man die Spanier kennt und denkt, sie sind ein lustiges Völkchen? Die Kolumbianer kommen einem dagegen vor, als hätten sie ständig was eingeworfen. Sogar die Spanier finden sie recht anstrengend. :hehehe:

Auch sprachlich unterscheiden sich das kolumbianische Spanisch mittlerweile einigermaßen von dem in Europa. Die Spanier hatten ja bald 800 Jahre die Muselmanen als Besetzer auf der Iberischen Halbinsel. Da zogen dann viele Begrifflichkeiten aus dem Arabischen ins Spanische ein. Almacen, almuerzo, alcaldia, albahaca, alcoba (also fast alles mit "al" vorneweg), aber auch Wörter wie chisme, fideo, limón, naranja, embarazo und viele andere. Die Spanier haben dann mal nach Beendigung der Reconquista in Spanien ihr Vokabular aufräumten und auch dort dann viele (aber nicht alle) Lehnwörter mit arabischem Ursprung rausflogen. In Südamerika hatte man da besseres im Sinne und behielt sie bei. Auch weil das glaube ich schon nach der Loslösung von Spanien passierte. Abgesehen davon gab es dann hier auch neue regionale Dialekte. Man kann das glaube ich schon ganz gut mit den Unterschieden zwischen britischem und amerikanischem Englisch vergleichen. Plus halt der zusätzlichen "Komplikation" durch die Begriffe mit arabischen Wurzeln.

Es gibt noch Ureinwohner in Südamerika, die etwas abseits und quasi am Rande der Gesellschaft leben. Mit eigener Sprache und einem Mischmasch aus alten Sitten und modernen Bräuchen. Die findet man in der Nähe von "Kulturzentren" aber eher selten. Meine Frau berichtete zum Beispiel von ihrer ersten direkten (persönlichen) Begegnung mit einer "Eingeborenen-Familie" im letzten Dezember. Die Kids von denen hatten zum Beispiel noch nie ein Handy gesehen und sie waren nur aus ihrem eigentlichen Siedlungsgebiet gezogen, weil der Vater Arbeit suchte. Vieles war für die einfach ein riesiger Kulturschock. Der Staat tut halt auch recht wenig für diese Leute und ist sich nicht so recht einig, wie man denen am besten helfen kann: Sie an der Hand nehmen und behutsam ins 21. Jahrhundert heben, oder ihnen beim Erhalt ihrer eigenständigen Kultur helfen? Manchmal schickt man ihnen auch einfach die Miliz auf den Hals - halt dann wenn sie auf Boden siedeln, den irgend ein Bonze zum Schürfen braucht. :roll:

Ich denke, das sollte mal so als grober Einstieg genügen. Das Thema an sich ist sehr spannend und vielschichtig.
Grüße,

Toska
________________________________________
Optimismus ist lediglich ein Mangel an Information
2:191

Benutzeravatar
|FtN|Kassn
Betriebsseelsorger
Beiträge: 2953
Registriert: 29.12.2006, 22:29
Wohnort: Arnsbursch
Kontaktdaten:

Beitrag von |FtN|Kassn » 25.04.2016, 21:17

Danke, für die Info :happy:
Dem Genitiv sein Rettungskommando
"Denn ein Mensch, der da ißt und trinkt und hat guten Mut bei allen seinen Mühen, das ist eine Gabe Gottes. Pred. 3,13" Bei FtN seit 24.10.2002 mit 6577+ diesen Beiträgen

Antworten