Ich hab' vor der deutschen Medienlandschaft schon vor Jahren resigniert.
2001 war ich zwei Wochen in England auf einem Lehrgang meines damaligen Arbeitgebers. Da man nach Feierabend dort "nichts zu schippeln" hatte (am Arsch der Welt) schaute man halt TV oder blätterte in den Zeitungen. Egal welche britische Zeitung oder Magazin man las, der Unterschied zu deutschen Medien war frappierend: Britische Truppen waren in Afghanistan und im Irak in Kampfeinsätze verwickelt. Keine Tageszeitung brachte pro Tag weniger als fünf bis sechs Seiten zu dem Thema. Berichte von "embedded journalists", die mit irgend einem Zug auf irgend einer Patroullie waren, Berichte über Versorgungs- und Ausrüstungsmängel der Truppen, politische Analysen, home stories über die Familien der Truppen, Interviews mit Soldaten und vieles mehr.
Da las man dann auch, dass ein in Afghanistan stationiertes britisches Torndado-Geschwader deutsche Austauschpiloten der Bundeswehr hatte und neulich ein BW-Pilot auf dem Rücksitz eines britischen Tornados einen Kampfeinsatz geflogen war, bei dem er als Bombenschütze fungierte und scharfe Waffen einsetze. Der Artikel hatte den passenden Aufmacher "Achtung! A 'Jerry' behind you!" (oder ähnlich) und bezog sich halt drauf, dass der Deutsche hinter einem britischen Piloten im Cockpit saß.
Zur gleichen Zeit waren deutschen Medien Berichte aus Afghanistan höchstens 2-3 Zeiler wert, die irgendwo unter "ferner liefen" rangierten. Größere Aufmacher gab es nur, wenn sich mal wieder hohe Polit-Prominenz auf Werbe-Tour "vor Ort" einfanden, oder es mal wieder laut genug geknallt hatte und man mehr Zinksärge brauchte.
Die britische Berichterstattung ging da wirklich sehr weit. Dem Leser wurde erklärt, welche Einheiten wo im Einsatz sind, wie deren Ausrüstung ist und was der allgemeine Auftrag sei. Auch wie die "Feindlage" vor Ort ist und welche Fortschritte es gab.
Man vergleiche das mal mit der schlicht nicht vorhandenen Berichterstattung deutscher Medien und frage sich, warum es für Deutsche Leser nicht von regelmäßigem Interesse sein soll, was seine "Bürger in Uniform" unter schwierigsten Bedingungen im Ausland leisten? Auch heute - 10 Jahre Später - ist das kein Thema.
Klar, man kann damit argumentieren, dass in D-Land halt oft nur von DPA und anderen Tickern abgeschrieben wird. Das trifft sicherlich oft genug zu. Oder man mit Unterschichten-News und Promi-Stories abgewatscht wird, obwohl es genug andere berichtenswerte News gäbe.
Jedes Nachrichten-Studio oder Redaktion trifft halt jeden Tag eine Auswahl über die Flut der hereinkommenden News und präsentiert uns das, was man für berichtenswert oder "newsworthy" hält. Ich glaube nicht, dass da bewusst zensiert wird, aber leider scheint sich in der deutschen Berichterstattung generell eine "freiwillige Selbstkontrolle" eingeschlichen zu haben, die zu einer erschreckenden Verseichung geführt hat. Liegt sicherlich auch an der zu starken Verquickung von Politik, Werbewirtschaft und den Medien selbst. Kaum einer traut sich, mutiger, frecher oder kritischer zu sein, als gewisse 'Leitmedien'. Und wenn, dann streckt man nur zwischen den Zeilen den Zeh ins heiße Wasser und schaut dann, wie die Reaktion ist, bevor sich mal einer etwas weiter vorwagt. Man könnte ja bei der nächsten Interview-Anfrage an die Politik-Prominez den kürzeren ziehen, beim Presseball ausgeladen werden, oder wichtige Anzeigenkunden verlieren. Im gleichen Maße, wie unsere Politiker 'die Eier verloren haben', sind die auch bei der Presse verschrumpelt. Wir haben halt keinen Wehner oder Franz Josef Strauss mehr in der Politik und auf der Presse-Seite keinen Augstein oder Springer mehr. Nur noch deren weichgespülten Nachwuchs.
Gerade beim 'Sturmgeschütz der Demokratie' (Eigenwerbung 'Der Spiegel') hat es in den letzten 20 Jahren mehrere Paradigmenwechsel geben. Legendäre Skandal-Artikel wie 'Bedingt Einsatzbereit' (über die desolate Lage der Bundeswehr in den 60'ern) oder die Serie über die Starfighter-Verluste wären heute undenkbar. Man müsste sich zwischen zu viele Stühle setzen und der Wille dafür ist eindeutig nicht da. ESFSF und ESM würden genug Aufhänger dafür bieten - ebenso wie so manches andere.
Ich kann mich noch gut an manche Spiegel-Artikel aus den 80'ern und 90'ern erinnern. Es gab eine klare Trennung zwischen gesicherten Fakten, Meinungen und Spekulationen. Dem Leser wurden die Fakten geliefert, damit er sich selbst ein Bild machen konnte und dann erst wurden diese Analysiert und Prognosen oder Spekulationen geliefert. Teilweise war schon die Art und Weise der Präsentation der Fakten meinungsmanipulierend, aber das kann man unter redaktioneller Freiheit abhaken. Heute bekommt man einen schon start gefilterten Mix aus Fakten, die stark manipulativ sind. Meinung und Fazit werden als Fakten deklariert gleich mitgeliefert. Man denke an den Spiegel-Aufmacher vor einigen Wochen, in denen über die (allseits bekannte) nukleare Kapazität der Israelischen U-Boote berichtet wurde. Das war so ein typischer "WTF?"-Artikel, bei dem man sich echt nur fragen kann, was das sollte, zumal zum gleichen Zeitpunkt in Brüssel die Hütte brannte und es von der Seite her genügend anderen Stoff für eine Titel-Story gab.
Bei politischen Parteien weiß man in etwa, wie sie zu gewissen Themen stehen. Bei Medien ist das oft nicht der Fall. Selbst wenn "unabhängig und überparteilich" unter dem Logo steht (wie bei der 'BILD'-Zeitung), so ist das noch keine Garantie, dass dem auch so ist. Aber erkläre mir mal einer, wo mein Haßobjekt 'Der Spiegel' oder andere Medien stehen, wenn es z.B. um die Europa-Politik geht. Berichterstattung zu dem Thema findet nur statt, wenn sich die Staats- und Regierungschefs mal wieder zum Schachern auf einem Gipfel eintreffen. Aber wie die Demokratie in Europa in funktioniert und was im EU-Parlament abgeht, darüber wird generell nur in den seltensten Fällen berichtet, auch wenn die Vorgänge dort und die dort getroffenen Entscheidungen uns alle betreffen. Wenn man dem Pöbel nicht erklärt, was da abgeht (und warum!), dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn er es weder versteht, noch akzeptiert.
Kennt hier jemand 'Nigel Farage' von der Britischen Independence Party UKIP? Nein? Schade. Er hat dutzende der aufsehenserregenden Reden gehalten, die es je im EU-Parlament gab. Warum ist er in Deutschland so unbekannt? Ganz einfach: Er wird von unseren Medien totgeschwiegen. In den USA und Russland und selbst auf Al-Jazeera ist er oft gerngesehener Gast in Talkshows und wird dort als Kenner und Fachmann der EU-Krise geladen und seine sehr offene und kritische Meinung bildet einen starken Gegenpol zum normalen Polit-Sprech der offiziellen Linie.
Sucht man z.B. im Suchindex des Spiegels nach seinem Namen, so findet man fast nichts. Neun Artikel, keiner davon aus diesem Jahr, keiner nach August 2011:
http://www.spiegel.de/suche/index.html? ... iff=Farage
Und das ist trotz - oder gerade WEGEN - Reden wie diesen (
http://www.youtube.com/results?search_q ... gel+Farage) nicht berichtenswert?
Wir reden immer wieder stolz von unserer Pressefreiheit - aber wo und wann werden die wirklich relevanten Fragen in de Medien gestellt oder überhaupt zugelassen? Über den Sinn oder Unsinn der Europäischen Union, über den Euro, die Hintergründe der Globalisierung - über all diese wirklich auf den Nägeln brennenden Schicksalsfragen hat es in den Medien - und damit auch in der Öffentlichkeit - keine große Debatten gegeben. Kann es ein klareres Versagen der Medien geben, als dieses?
Ein deutliches Zeichen dafür sind auch die Foren und Kommentarfunktionen unter den Artikeln der Online-Medien. Sofern man noch Kommentare zulässt, sind diese heftigst moderiert. Und dennoch: Unter jedem Pro-EU oder Pro-EURO Artikel tut man sich schwer, auch nur einen positiven Kommentar zu finden, der an der Politik oder der Berichterstattung darüber ein gutes Haar lässt. Zu Recht, sage ich dazu.
Im gleichen Maß, wie die Politik versagt hat, haben sich die Medien zur Maulhure des Mainstreams gemacht. 'Zensur findet nicht statt' - dafür aber Volksverdummung.