Herr Rossi hat geschrieben:
Das würde ich mal eher nur billige Polemik und Ablenkung nennen. [...]Klar ist nicht alles perfekt und es gibt unbestreitbar ein Demokratiedefinizit und ich hoffe ernsthaft, dass sich dort aufgrund des momentan Druckes doch mal was ändern wird, aber ingesamt möchte ich die EU absolut nicht missen und halte sie in Summe nach wie vor für einen riesen Fortschritt für Europa.
Rossi, ich bewundere deinen Idealismus. Aber sag mal: Hast du den Artikel gelesen? Forsyth prangert meiner Ansicht nach genau einen Teil der Dinge an, die in Brüssel faul sind: 80% der Gesetze werden von Lobbyisten geschrieben, von ungewählten und demokratisch nicht legitimierten Kommissionen hinter verschlossenen Türen ohne jegliche Transparenz verfeinert und dann dem gewählten (aber machtlosen) EU-Parlament zur Abstimmung vorgelegt. Die können dann entweder "Ja" oder "Nein" sagen, dürfen aber nichts ändern oder verbessern. Die Redezeit der Abgeordneten ist mit Absicht sehr beschränkt, so dass eine detaillierte Auseinandersetzung mit Gesetzestexten vor einer Abstimmung nicht möglich ist.
Wird wirklich mal ein Gesetz vom EU-Parlament abgelehnt, geht es an die Kommission zurück. Eine Weile später schlägt es dann wieder im Parlament in Form einer Änderungsabstimmung auf. Da liegt dann nicht der komplette Gesetzestext vor (der locker mal 1200 Seiten umfassen kann), sondern ein Papier, dass sich wie folgt liest. Hier mal ein selbst fabriziertes Beispiel:
Antrag zur Änderung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland wie aus der Gesetzesvorlage [Datum]. In Artikel 1 entfällt die Vorsilbe "un" im ersten Satz. Im zweiten Satz wird alles ab dem Wort "ist" gestrichen und durch "wünschenswert" ersetzt; Absatz zwei und drei entfallen. In Artikel 4 Absatz eins und zwei wird jeweils das letzte Wort durch "regelt ein Bundesgesetz" ersetzt. Absatz drei wird gestrichen.
Und das geht dann Seitenweise so weiter. Das ganze wird dann eine halbe Stunde vor Sitzungsende vor einem Feiertag oder am Ende eines langen Abstimmungsmarathons dem Parlament vorgelegt und dann macht sich kaum einer die Mühe aufzudröseln, was der Kauderwelsch eigentlich bedeutet. Wird schon seine Ordnung haben.
Mit den paar Zeilen aus dem Beispiel oben würde die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Freiheit des Glaubens, Freiheit des Gewissens und die freie Religionsausübung ab sofort durch Bundesgesetze geregelt werden. So nebenbei schafft es auch die Kriegsdienstverweigerung ab. Da wir ja jetzt eine Freiwilligenarmee haben, braucht man das ja auch nicht mehr.
Wenn du das Beispiel für Realitätsfremd hältst: Auf diese Weise kam die EU-Verfassung zustande, die letzten Endes (zum Glück!) nur als "Vertrag von Lissabon" und nicht wirklich als Verfassung durchgepeitscht werden konnte. Schlimm genug ist jedoch, dass dieses Papier auch ohne den Namen "Verfassung" der EU so weitreichende Rechte einräumt, dass einem schlecht werden kann. Dazu weiter unten mehr.
Ziel der EU ist es, einen Superstaat zu bilden, der alle und jegliche Belange auf seinem Territorium reguliert:
Lassen Sie mich aus den Schriften des EU-Gründers Jean Monnet wörtlich zitieren: „Europas Völker sollten zum Superstaat geführt werden, ohne dass das Volk versteht, was dabei geschieht. Das kann schrittweise erreicht werden. Jeder Schritt wird getarnt durch wirtschaftliche Zwecke, aber schließlich wird er irreversibel zu einer Vereinigung führen.“
...
POLITIK: Wir wollen unser Land zurück! – Seite 2 - weiter lesen auf FOCUS Online:
http://www.focus.de/politik/ausland/tid ... 08324.html
Das kann gut oder schlecht sein. Gut ist es, wenn die "Macher" sich für ihre Taten vor dem gesamten (Wahl-)Volk dafür verantworten müssen und zur Not auch zur Rechenschaft gezogen werden können. Schlecht ist es, wenn das "Stimm-Vieh" nichts - aber absolut nichts - dabei zu sagen hat. Momentan ist es eher schlecht. Selbst Martin Schulz (Parlamentspräsident des EU-Parlaments) sagte jüngst:
Martin Schulz (Parlamentspräsident des EU-Parlaments) hat geschrieben:
Wäre die EU ein Staat und würde einen Antrag zum Beitritt in die Europäische Union stellen, dann würde der Antrag abgelehnt. Mangels demokratischer Substanz.
Das einzig demokratisch legitimierte Element der EU-Superregierung ist das relativ machtlose EU-Parlament. Dessen Abgeordnete sind direkt von der Bevölkerung gewählt. Doch die Zusammensetzung des Parlamentes (Sitzverteilung nach Ländern) verstößt gegen demokratische Prinzipien - dank der sogenannten "degressiven Proportionalität", die schon lange so praktiziert wird und im "Vertrag von Lissabon" erneut festgeschrieben wurde. Deutschland hat z.B. 96 Sitze (ein Sitz pro 859.000 Einwohner), wogegen Malta (0,4 Mio. Einwohner) 6 Sitze hat. Bedeutet: Ein Sitz pro 67.000 Einwohner. Kleinere Länder haben somit einen überproportionalen Einfluss. Diese Ungleichgewichte führen auch zu Verzerrungen bei der Repräsentation einzelner nationaler Parteien im EU-Parlament: So benötigte etwa bei der Europawahl 2009 die italienische PdL rund 10,8 Millionen Stimmen für 29 Sitze (372.000 Stimmen pro Sitz), die slowakische KDH rund 90.000 Stimmen für 2 Sitze (45.000 Stimmen pro Sitz).
Um nochmal auf den "Vertrag von Lissabon" zurückzukommen:
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Der Vertragstext ist unleserlich, da er nur aus Änderungen und Kommentaren des Verfassungsvertrages von 2005 besteht.
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EU-Präsident: Wird in einem völlig undemokratischen Verfahren berufen und erhält weitreichende Kompetenzen.
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EU-Recht bricht nationales Recht: Die nationalen Parlamente werden zu reinen Umsetzungsinstanzen von EU-Recht. Das deutsche Grundgesetz wird damit außer Kraft gesetzt und alle Mitgliedsländer verlieren ihre existentielle Staatlichkeit.
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Militarisierung Europas: Regelt gemeinsame Außen-, Sicherheits- u. Verteidigungspolitik; EU und NATO werden praktisch miteinander verschmolzen. Die EU kann eine eigene Armee aufbauen und Kriege erklären, an denen sich jedes EU-Mitglied beteiligen muss. (!)
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Totaler Neoliberalismus: EU übernimmt neben der Währungspolitik die vollständige Hoheit über die Zoll- und Handelspolitik sowie die Wettbewerbsregeln des Binnenmarktes (Artikel 3 AEUV). Unter Stichwörtern wie Kapital-, Warenverkehrsfreiheit und Herkunftslandprinzip wird jedem EU-Mitgliedsland die Möglichkeit genommen, mit Zollschranken auf Lohndumping oder Marktungleichheiten zu reagieren.
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Ende der Demokratie durch vereinfachtes Änderungsverfahren: Artikel 48 Abs. 6 EUV ermöglicht es fortan dem demokratisch nicht legitimierten EU-Rat, „die Änderung aller oder eines Teiles des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ zu beschließen. Dabei müssen die nationalen Parlamente oder das Europäische Parlament nicht zustimmen. Die Gewaltenteilung ist aufgehoben und damit ein wesentliches Grundprinzip der Demokratie. Damit wäre jede Stimme, die z.B. deutsche Bürger bei Wahlen abgeben, völlig entwertet, da die nationalen Parlamente der EU nicht mehr reinreden dürfen. Nationale Parlamente dürfen nur noch abnicken, was "von oben" kommt. Und "die Jungs da oben" dürfen Ihre eigenen Regeln, Gesetze und Arbeitsweisen selbst festlegen.
Oh, und so ganz nebenbei:
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Wiedereinführung der Todesstrafe: Im Falle von Aufständen, im Krieg oder bei Kriegsgefahr können persönliche Freiheitsrechte eingeschränkt und die Todesstrafe wieder eingeführt werden.
Jens-Peter Bonde, Mitglied des Europäischen Parlaments hat geschrieben:
Normallerweise schützt eine Verfassung die Bürger vor den Politikern. Sie schränkt ein, was Politiker zwischen Wahlen beschließen könnten. Die EU-Verfassung und der Vertrag von Lissabon sind anders. Da werden die Politiker vor dem Einfluss der Wähler geschützt.
Jean-Claude Juncker, Vorsitz der Euro-Gruppe hat geschrieben:
Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt..
Valery Giscard d’Estaing über den Vertrag von Lissabon (Vater der EU-Verfassung, ehemaliger Präsident Frankreichs) hat geschrieben:
Die Öffentlichkeit wird dazu gebracht werden, Vorschlägen zuzustimmen, die sie überhaupt nicht kennt, und wir wagen es auch nicht, sie zu veröffentlichen... alle früheren Vorschläge sind im neuen Text enthalten, nur versteckt und verschleiert.
Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, Argumente gegen die Zustimmung zum Vertrag über eine Verfassung für Europa hat geschrieben:
Die Europäische Grundrechtecharta, die im Dezember 2000 in Nizza deklariert wurde und jetzt (mit geringen Änderungen) als Teil II im Verfassungsvertrag steht, ist der schäbigste Menschenrechtstext, der jemals in der freien Welt formuliert wurde.
Quellen:
http://www.eu-vertrag-stoppen.de/zitate/zitate.html &
http://www.eu-diktatur.com/
Falls es noch nicht reicht:
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Abschaffung der Pressefreiheit: Eine von der EU-Kommission einberufene Beratergruppe hat empfohlen, die sich rasch verändernde Medienwelt stärker vom Staat überwachen zu lassen, um Pluralismus und Qualität zu wahren. Die Gruppe unter Vorsitz der früheren lettischen Präsidentin Varia Vike-Freiberga schlug am Montag vor, dass künftig die Europäische Grundrechteagentur die Pressefreiheit und Meinungsvielfalt in den Mitgliedstaaten der EU kontrollieren solle. Das EU-Parlament könne dann Empfehlungen über geeignete Maßnahmen treffen, heißt es in dem Bericht, den die für „digitale Fragen“ zuständige Kommissarin Neelie Kroes in Auftrag geben hatte. Quelle:
http://www.faz.net/aktuell/politik/euro ... 32982.html
Rossi, ich teile deinen Idealismus nicht. Aber so etwas ein "Demokratiedefinizit" zu nennen, ist in etwa so, als hätte man Hitlers Machtergreifung ebenfalls ein "Demokratiedefinizit" genannt - und darauf gehofft hätte, dass sich (deine Worte) "dort aufgrund des momentan Druckes doch mal was ändern wird". Für solche Ansichten fehlt mir dann doch der Optimismus.
Argumente wie Vereinheitlichung der Bürokratie, gemeinsames Führerscheinwesen, gemeinsame Währung, Vereinfachung des innereuropäischen Warenverkehrs ... alles gut und schön. Das hätte man auch anders erreichen können! Und da halte ich ebenfalls dagegen, dass Hitler die Autobahnen gebaut, innerhalb kürzester Zeit für Vollbeschäftigung und für eine umfassende Familienpolitik gesorgt hat. Gut, danach wurde es dann "ungemütlich" (Untertreibung des Jahrtausends), aber den Punkt wird die EU auch noch erreichen.
Momentan sind es leider NUR die Briten, die dagegen Kontra geben. Viele davon (allen vorweg Premierminister Cameron) aus noch nicht mal den richtigen Gründen. Andere (wie Nigel Farage von der UKIP) aus den meiner Ansicht nach richtigen Gründen: Mehr Zusammenarbeit in Europa? Ja, gerne. Aber SO nicht.