Ukraine

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Herr Rossi
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Re: Ukraine

Beitrag von Herr Rossi » 28.05.2022, 08:30

Toska hat geschrieben:
27.05.2022, 23:28
Natürlich bläht auch der Westen seine Zahlen auf, bzw. es werden Dinge wegfaktoriert. Ich erinnere mich an einen Bäcker, der neulich in einer Talkrunde aufbrauste und sagte: "8% Inflation?!? Wenn ich mir die Zahlen in unseren Betrieb anschaue, dann sind das bei uns alleine 28% Preissteigerung - in drei Monaten." Gut, Preissteigerung an sich ist nicht gleich Inflation - ist klar. Dennoch: Man kann das russische BIP neben das des Westens stellen und vergleicht dann keine Äpfel mit Birnen.
Jain, schau dir mal den Wikipediartikel an, den ich oben zum BIP verlinkt habe. Dort ist noch eine zweite Tabelle mit dem BIP angepasst nach Kaufkraftparität. Das versucht sowas tatsächlich in einem gewissen Maße zu bereinigen. Dort ist schon beeindruckend, dass Russland ein 2,5 mal so hohes BIP erreicht.
Toska hat geschrieben:
27.05.2022, 23:28
Ja, ich verfolge das derzeit mit. Es wird keiner mehr freiwillig russische Waffen kaufen. Es sei denn, er kann aus politischen Gründen nicht woanders einkaufen. Oder er bekommt den Kram quasi geschenkt. Der Ukraine-Krieg hat eines nochmal ganz deutlich gezeigt: Ein Kampfflugzeug, Hubschrauber, Panzer, Artillerie-System, Drohne oder auch ein Schiff sind WaffenSYSTEME. Da müssen Mobilität, Eigenschutz, Wirkmittel und Sensorik alle auf einem zeitgemäßen Stand sein und ineinander greifen. Da kann mal die eine oder Kategorien nicht so toll wie das Zeugs vom Gegner sein, aber in der Summe sollte sich das irgendwo aufwiegen. Entweder in Qualität oder Quantität. Und das ist bei Russen-Kram halt nicht der Fall.
OK, nehme ich erstmal so. Kann ich nicht beurteilen. Ich schaue mir das dann rückblickend anhand der Zahlen in 1-2 Jahren an. Mehr kann ich mit meinem Wissen nicht tun. Zahlen gibt es aber wahrscheinlich nach gerade mal drei Monaten noch nicht oder? Hat irgendwo ein Land Bestellungen storniert oder Verträge aufgekündigt? Indien habe ich gerade mal selbst etwas nachgelesen. Die haben wohl schon im letzten Jahrzehnt ihre Bestellungen zurückgefahren, um sich breiter aufzustellen.
Toska hat geschrieben:
27.05.2022, 23:28
Die Russen haben lange den Eindruck erweckt, ihrer Technik aus den 70'ern und 80'ern mit Upgrades und Modernisierenen "neues Leben" eingehaucht zu haben. Alles Augenwischerei. Russische Panzer? T-72, T-80, T-90 (letztere bislang so gut wie nicht exportiert) sind alle rollende Krematorien, die sofort platzen, wenn sie mit AT-Waffen beschossen werden, die in den letzten 40 Jahren entwickelt wurden. Die russischen "Verbesserungen" am Eigenschutz der Panzer? Egal ob KONTAKT, ERA, neue Panzerungstypen oder Käfige? Alles für die Füße und es nützt halt nichts, wenn die Besatzung noch immer nicht vernünftig nach draußen kucken kann, sobald die Luken zu sind. Oder wenn man schnell aus der Kampfstellung zurücksetzen will und der einzige Rückwärtsgang erlaubt maximal 6 km/h. Weil: ANGRIFFSPANZER - der kann nur Vorwärts.
Was wird denn davon exportiert? Wird nur der T-90 nicht exportiert, aber die T-80 schon?
Toska hat geschrieben:
27.05.2022, 23:28
Flugabwehr: Die S-300 der Russen war ja ein toller Exportschlager und wurde in alle Welt exportiert. Und alle wollten auch die S-400 und nur die Türken haben bislang mal dran lecken dürfen. Stellt sich raus: Die vielgepriesene S-400 ist ein relativ zahnloser Tiger, der selbst die Bayraktar-Drohnen in 35.000 Fuß auf nachweislich 48km Entfernung nicht sehen kann! Das ist unakzeptabel. Was man nicht sehen kann, kann man nicht bekämpfen. Neulich erst hat ein Ostblock-Land (Rumänien? Habs vergessen) seinen Bestand an S-300 dadurch vergrößert, dass sie chinesische HQ-9 (S-300 Klon) gekauft haben. Und anders als die Russen haben die Chinesen sich nach der Bestellung überschlagen und neuwertige HQ-9 quasi sofort per Luftfracht ausgeliefert. Sind vor 2-3 Wochen angekommen.
Das mit den unglaublich vielen Drohneneinsätzen kriege ich auch in den russischen Kanälen mit. Die holen allerdings davon durchaus welche runter, allerdings natürlich mit einem Kosten/Nutzenaufwand, der irgendwann zu Gunsten der Drohnen ausgehen muss.
Aber mal generell: Hat der Westen mit seiner NATO Technik so einen Krieg schon mal geführt? Was kann die westliche Technik in Hinblick auf ein solches Setting und gibt es dazu Praxiswerte? In Afghanistan und im Irak habe ich einen so dermaßen umfangreichen Drohneneinsatz der gegnerischen Seite jedenfalls nicht mitbekommen.

[Rest zur russischen Waffentechnik und deren Schwächen]

Wie immer sehr interessant und evtl. hast du mit den Folgen (kein internationaler Absatz mehr) auch Recht. Ich habe da etwas Zweifel, denn wenn Kriege sowas wie Waffenshows sind, dann haben z.B. die Amerikaner in ihren verlorenen Angriffskriegen eher schlechter überzeugt. Ergänzend dazu frage ich mich dann auch, warum russische Technik nach der massiven Niederlage in Afghanistan überhaupt noch nachgefragt wurde, denn schon dort hatte man ein ähnliches Szenario bei dem die großen Waffensysteme der Russen (Panzer, Flugzeuge) durch kleine / billige teilweise schultergestützte Systeme im großen Umfang bedroht und zerstört wurden.
Toska hat geschrieben:
27.05.2022, 23:28
Moment: Dass die Russen den Goldpreis fest auf 5000 Rubel pro Gramm Gold gesetzt haben ist schon eine heftige Manipulation und keineswegs wertneutral, weil es die russische Zentralbank halt die Goldreserven kosten wird.
Die russiche Zentralbank spielt die Karten aus, die sie hat. Natürlich sind die durch die Maßnahmen des Westens limitiert. Aber wieso sollte so etwas Manipulation sein? Rohstoffgedeckte Währungen sind nun wahrlich keine neue Erfindung. Aufgehoben wurde das eigentlich im großen Umfang erst durch die Amerikaner beim Dollar. Als Weltreservewährung und natürlich auch durch das gesamte Geschäftsmodell der USA war eine solche Golddeckung hinderlich, da es die Geldmenge limitiert. Das hohe Leistungs- und Handelsbilanzdefizit der USA funktioniert nur mit einem freien Dollar.
Genau das hat Russland jedoch nicht. Sie haben aber nach dem Rausschmiss aus dem Dollar und EUR ein hohes Interesse daran, dass ihre eigene Währung als stabile "Wechsel" für ihre Rohstoffgeschäfte anerkannt wird. Was liegt da näher als die Währung mit Rohstoffen zu decken? Sie brauchen keinen Rubel, dessen Menge sie ständig ausweiten können. Somit ist das durchaus eine geschickt gespielte Karte, auch wenn diese sicherlich nicht ganz freiwillig gespielt wird.
Manipulation wäre es übrigens, wenn Russland das angebotene Gold nicht hätte oder schlussendlich sich weigern wird es auch wirklich auszuzahlen. Sollten sie das jedoch tun, dann dürfte der Rubel implodieren.
Toska hat geschrieben:
27.05.2022, 23:28
Laut dem Video haben die Russen wohl noch 110 Milliarden USD oder Euro im Ausland versteckt und nutzen das, um Verbindlichkeiten zu bezahlen und eigene im Ausland befindliche Staatsanleihen billig zurück zu kaufen. Kann ich nicht abschätzen, wäre aber vernünftig.
Wie vieles in dem Video und in diesem Fall wird es ja auch mehrfach betont, das sind alles Spekulationen. Dass sie solche versteckten Reserven haben will ich jedoch gar nicht anzweifeln, das ist durchaus eine sinnvolle Maßnahme, um die eigenen Reserven zu schützen, aber ob es wirklich die vermuteten 110 Mrd. Dollar sind?

Russland hat seit 2014 übrigens seine Auslandsverschuldung von ca 730 auf knapp 450 Milliarden US Dollar verringert. Das haben die immerhin unter einem aktiven Sanktionssystem geschafft, während parallel der Westen seine Schuldenberge massiv ausgeweitet hat. Und ja, natürlich versucht man Russland mittels dieser Schulden in einen Zahlungsausfall zu zwingen. In den USA läuft dieser Versuch bereits sehr aktiv.

https://www.dw.com/de/usa-forcieren-zah ... a-61930136

Es geht wohl um knapp 40 Milliarden Dollar. Wir werden dann ja sehen können, ob die 110 Milliarden wirklich existieren und ob sie schnell genug "flüssig" gemacht werden können. Langfristig halte ich das Handeln der USA übrigens für Schädigung der Eigeninteressen, denn hier wird komplett an den eigenen Regeln vorbei gespielt und das werden sicherlich viele Länder mit sehr viel Interesse verfolgen.
Toska hat geschrieben:
27.05.2022, 23:28
Dass Sanktionen nicht wirken? Der langfristige Schaden für das BIP eines Landes und seine Möglichkeit, sich nach den Sanktionen wieder zu erholen wird das schon beeinflussen. Weißrussland hatte eine Ökonomie, die doppelt so stark wie die der Ukraine war. Das haben die sich durch den Schulterschluss mit Russland verkackt. Dass die Russen großartig Reibach mit Asien machen und das dadurch kompensieren können? Das mag sein, aber sichtbar ist davon derzeit noch wenig. Muss man abwarten.
Ich habe nicht gesagt, dass Sanktionen nicht wirken! Ich habe gesagt: Sie führen zu keinem "Regime Change" und sie beenden auch keinen Krieg. Sie schaden jedoch im großen Umfang der Bevölkerung eines Landes und kosten dort ganz konkret eine Menge Menschenleben, auch Menschenleben, die sogar eigentlich das eigene Weltbild teilen. Und ich habe auch nicht behauptet, dass Russland einen "Reibach" mit Asien macht. Es geht um Schadensbegrenzung, nicht um Erfolg. In Sache Schadensbegrenzung habe ich im Moment nur den Rückblick ab 2014 und ein Versuch der Bewertung der Gegenmaßnahmen, die Russland ergreift. Mehr haben wir nicht.
Toska hat geschrieben:
27.05.2022, 23:28
Aber ich denke Henry Kissinger (der neulich auch wieder auf "Appeasement" drängte) liegt falsch. Mal wieder. Man kann den Russen gegenüber nicht nachgeben. Nicht jetzt und auch nicht so lange die noch einen Quadratmeter Ukraine besetzt haben. Unterm Strich muss es in Russland (und Weißrussland) Tabula Rasa geben und da müssen neue Leute ans Ruder, die keine Amokläufer sind. Dass insbesondere die Russen danach auf Jahrzehnte stinkig sein werden? Ist klar. Insbesondere auch dann, wenn sie dann sehen, dass Weißrussland und Ukraine dann vom Westen Billiarden an Hilfe bekommen und sie mal wieder nur Heuschrecken und die kalte Schulter.
"Appeasement" spielt mal wieder mit der Hitler Karte. Sorry, aber Putin ist kein Hitler. Oder siehst du bei ihm eine ähnliche Ideologie von Raum und rassischer Überlegenheit, die ihn zur Eroberung der Welt beauftragt? Er hat über ein Jahrzehnt gegenüber dem Westen / der NATO klar kommuniziert, was aus seiner Sicht die Sicherheitsinteressen Russlands sind und wo er Grenzen sieht. Das rechtfertigt keinen Angriffskrieg, ist aber eine vorhersehbare Eskalation.
Und was meinst du denn wo die Billiarden in der Ukraine bleiben werden? Das Land ist hoch korrupt. Und wo hat in den letzten Jahrzehnten in der Breite die Bevölkerung in Schwellenländern von westlicher Kapitalflut profitiert?
Ich wüsste im Moment eher Gegenbeispiele wie z.B. Griechenland innerhalb der EU. Man gibt ihnen ein Jahrzehnt Aufschwung und danach lässt man sie tief in schwerste Armut zurückfallen, immer schön mit dem Duktus oben drauf: Ihr seid halt zu faul, zu korrupt und zu unfähig, habt ihr halt verdient.

Und ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Allein aus egoistischen Gründen hoffe ich darauf, dass Weißrussland und Russland nicht vom Westen und seinen Heuschrecken überrannt werden, denn das würde weitere Jahrzehnte in einer unipolaren Welt unter den Regeln der USA und dessen Milliardären bedeuten. Bitte nicht! Und für die Welt würde es wahrscheinlich weitere ausgedehnte Angriffskriege der USA gegen jedes Land, welches nicht mitspielt, bedeuten. Dann lieber doch Systeme, die sich gegenseitig in Balance halten. Das führt zwar auch nicht zu einer viel besseren Welt, aber es verhindert immerhin zu große Exzesse.

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Re: Ukraine

Beitrag von Herr Rossi » 29.05.2022, 16:40

In der Washington Post ist gerade ein Artikel zu Rückkehrern aus dem freiwilligen Kriegseinsatz in der ukrainischen Armee erschienen:

https://www.washingtonpost.com/national ... n-ukraine/

Dort wird auch in einem Abschnitt das Problem mit den Batterien der Javelins erwähnt. Scheint wohl tatsächlich real gewesen zu sein:

"Dakota’s cohort of foreign volunteers was attached to a Ukrainian military unit and brought by yellow school bus to Kyiv, from which they were sent northwest into an embattled town outside the capital. It was early March. They were issued antitank weapons and Javelin missiles but no batteries for the launch unit, he said. Without a power source, the equipment was inoperable."

Mir generell ein Rätsel wieso man sich Krieg freiwillig antut. :/

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Re: Ukraine

Beitrag von Herr Rossi » 29.05.2022, 19:30

Gerade geht übrigens eine sehr schräge Nummer durch die Ticker:

https://www.news.de/politik/856299048/w ... ml-chef/1/

"Wladimir Putin: Ist der Kreml-Chef längst tot und durch Doppelgänger ersetzt? "

Also mal angenommen er ist es, dann folgt daraus wohl: Russland fährt auch ohne Putin seinen Kurs... ja nee, so geht das nicht! :D

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Re: Ukraine

Beitrag von Roland von Gilead » 30.05.2022, 09:51

news.de ?

..... Clickbait & Bildniveau. Bin mal gespannt welche andere Medien evtl. auf den Beitrag aufspringen.

Soigu - war ja auch schon tot/umgebracht/ etc.
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Toska
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Re: Ukraine

Beitrag von Toska » 31.05.2022, 21:49

Herr Rossi hat geschrieben:
28.05.2022, 08:30
Jain, schau dir mal den Wikipediartikel an, den ich oben zum BIP verlinkt habe. Dort ist noch eine zweite Tabelle mit dem BIP angepasst nach Kaufkraftparität. Das versucht sowas tatsächlich in einem gewissen Maße zu bereinigen. Dort ist schon beeindruckend, dass Russland ein 2,5 mal so hohes BIP erreicht.
Ja, das sieht schon recht beeindruckend aus. Die Russen haben durchaus gute Ökonomen und deren Chefin der Zentralbank scheint durchaus sehr fähig zu sein. Auf der anderen Seite kann man sich dann schon fragen, wie viel besser es den Russen gehen würde, wenn da nicht so eine Kleptokratie herrschen würde. Ähnliches kann man wohl auch für Deutschland sagen. /shrug
Herr Rossi hat geschrieben:
28.05.2022, 08:30
Indien habe ich gerade mal selbst etwas nachgelesen. Die haben wohl schon im letzten Jahrzehnt ihre Bestellungen zurückgefahren, um sich breiter aufzustellen.
Klassisches Clientele für russische Waffen waren halt der Nahe Osten, Afrika und einige asiatische Länder. Dort gab es im Laufe der letzten Jahre zum einen politische Veränderungen als auch Änderungen in Bündniss-Orientierungen. Von frisch stornierten Bestellungen weiß ich nichts, aber es gab relativ überschaubare Lieferungen russischer schwerer Waffen (Panzer, Artillerie, Kampfflugzeuge) ins Ausland in den letzten fünf Jahren. Ausnahme: Syrien (diverse Systeme, darunter Panzer, APCs, Luftverteidigung, einige Kampfflugzeuge und Hubschrauber), Türkei (S-400) und Ägypten und dann mal hier und da einige dutzend Panzer an diverse Kandidaten. Und Ägypten ist da etwas speziell: Die haben die beiden Mistral-Landungsschiffe gekauft, welche Frankreich eigentlich an Russland verkaufen wollte, aber auf internationalen Druck nicht durfte. Die Ägypter hatten dann geschaut, welche Aviations-Komponente sie darauf einsetzen und kamen zum Schluss, dass der eigene Bestand an Hubschaubern unzureichend war. Also kauften sie noch einige zusätzliche Ka-52 und Ka-29/31 bei den Russen, um Angriffs-Hubschrauber und Helikopter-ASW zu haben. Die sind wohl mittlerweile geliefert worden.

Die Ägypter haben nach wie vor recht viele Waffen aus russischer Quelle, sind aber auch bei den USA Großkunde und haben auch von denen recht viel auf dem Hof stehen. Bei der Beschaffung tendieren sie aber die letzten Jahre wohl überwiegend zum Kauf in den USA und bestellten nur in Russland, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Libyen ist als traditioneller Russland-Kunde halt nicht mehr am Start (nur noch die Haftar-Fraktion), die meisten afrikanischen Nationen können sich die neueren russische schwere Waffen nicht leisten und von dem alten Kram haben sie noch genug, als dass sich jetzt der Kauf von etwas lohnen würde, was nur wenig Extra-Leistung bringt.

In Asien konnte man zumindest bei den kleineren Ländern den Trend sehen, dass sie eher zu den opportunistischen Käufern gehörten, die es sich nicht mit der einen oder anderen Seite vergrätzen wollen. Da kann man sicherlich die neuen Rafale-Kunden Frankreichs reinzählen.

Indien ist in der Tat ein interessanter Sonderfall, den man jetzt im Auge behalten sollte. Indien ist traditionell *der* Großkunde der Russen und die Amis haben denen bestenfalls mal einen Knochen hingeworfen. Das Verhältnis zu den USA war daher immer sehr dysfunktional. Das Verhältnis zu den Russen? Es war nie sonderlich unproblematisch, da die Inder eigentlich immer mehr wollten, als die Russen bereit waren, zu liefern. Und hinter den Kulissen liefen dann auch ziemliche Dramen, wie die "gemeinsame" Su-57 Entwicklung (abgebrochen), das "geleaste" Atom-U-Boot, Modernisierung bzw. Umbau in Russland gekaufter Kriegsschiffe (teuer, später und schlechter als vereinbart), das lange Beschaffungsdrama bei den Su-30MKI (ja, nein, vielleicht, ein wenig, in eurer Version war das Feature X nie vorgesehen, mehr Stück gibts nicht), die schleppende Lieferung russischer Triebwerke und Ersatzteile (zu wenig, zu spät, Qualitätsmängel). Gut, Putin war Anfang Dezember 2021 in New Delhi und hat mit Premierminister Narendra Modi vieles geklärt, neue Verträge unterzeichnet, die Lieferung von S-400 vereinbart, Lizenzbau der AK-203 Gewehre abgesegnet und Lieferverträge für 2 Mio Tonnen Erdöl pro Jahr zugesagt. Bis 2023 sollen zwei der vier in Russland bestellten Fregatten eintreffen und 2025 erwartet Indien sein drittes Atom-U-Boot aus Russland.

Bei Rüstungsgütern sieht Indien bei sich einen enormen Nachholbedarf. Die müssen noch mit hoher Dringlichkeit rund 300 MiG-21 und SEPECAT Jaguar gegen was moderneres austauschen, danach sollen die 50 Stück Mirage 2000 weg (bis 2030) und rund 70 MiG-29 müssen bis oder um Anfang der nächsten Dekade dann auch noch ersetzt werden. Die Il-76, An-32 und Dornier 228 Transportflieger werden gerade gegen Globemaster III und Hercules ausgetauscht oder modernisiert und bei ASW kauft man P-8 "Poseidon" in den USA ein. Zwölf hat man schon, acht sollen noch folgen. Bei Hubschraubern (egal ob Transport- oder Kampf-) hat man einen Mix aus vielen russischen und einigen US-Amerikanischen Maschinen. Von Mi-8, Mi-17, Mi-24, Mi-26, Mi-35 Russlands bis hin zum CH-47 "Chinook" und AH-64E "Apache" der USA. Bei kleineren Kampfflugzeugen, Hubschraubern, Drohnen und selbst bei Raketen baut Indien mittlerweile auch relativ viel in komplett eigener Regie.

Die USA wollen auf der einen Seite nicht, dass Indien seine Waffen in Russland einkauft - auf der anderen Seite will man den von Indien geforderten Technologietransfer nicht oder nicht so weitgehend zustimmen. Und dann sind da noch China und Pakistan, die jedesmal Gift und Galle spucken, wenn die USA Waffen an Indien liefern will. Dennoch: Mal war die Rede davon, dass Indien mit Hilfe von Lockheed eine domestische Fabrikation für F-16 Block 70 in Indien aufziehen will, dann hieß es, man würde mit Lockheed eine moderne Variante der F-16 ("F-21") bauen, die exklusiv für und in Indien gebaut würde. Die Tage kam dann die Spekulation auf, dass Indien (neben der Türkei) als weiterer Partner bei der Entwicklung des neuen britischen Kampfflugzeuges neuester Generation im Gespräch sei.

Fakt ist: Indien ist ein Schwamm in Sachen Militärtechnik. Die nehmen, was sie bekommen können und einige Großprojekte (Su-30MKI, Atom-U-Boote und andere Kriegsschiffe und die S-400) sind Milliarden-Klötze, die in irgend einer Form dann doch ganz oder teilweise am russischen Tropf hängen. Und ohne die fallen wichtige Pfeiler des indischen Militärs weg.

Von daher muss man mal abwarten, wie Indien sich orientieren wird. Die werden schon wissen, aus der jetzigen Situation den größtmöglichen Vorteil zu ziehen. Egal ob sie am Ende mit russischem oder US-Amerikanischem Know-How für den domestischen Eigenbau von Waffen dastehen: Es wäre Win/Win für Indien.

Ansonsten? Es wäre interessant, eine Liste der exportieren russischen Rüstungsgüter zu sehen und dann zu beobachten, ob und wie sich das nun ändert. Ich denke mal, bei Kleinwaffen wird sich nicht viel ändern. Aber richtig fettes Zeugs wie Panzer, Flugzeuge, Hubschrauber oder Schiffe wird die Luft nun dünn und bei S-300/S-400 dürfte bis auf laufende Verträge der Ofen aus sein. Aber das ist meine Spekulation. Fakt ist, das man sich beim Kauf komplexer ausländischer Waffensysteme immer in Abhängigkeiten begibt, die zumindest in Teilen eine längerfristige politische Orientierung zu Gunsten des Verkäufers beinhalten dürfte.
Herr Rossi hat geschrieben:
28.05.2022, 08:30
Was wird denn davon exportiert? Wird nur der T-90 nicht exportiert, aber die T-80 schon?
T-64, T-72, T-80 hat man relativ skrupelos an jeden geliefert. Beim T-90 hat man einige aus dem Bestand der russischen Streitkräfte an Syrien übergeben. Wirklich *exportiert* hat man den T-90 nur in sehr abgespeckten Varianten. Zum Beispiel an Algerien, Armenien, Azerbaijan, Irak, Turkmenistan, Uganda und Vietnam. Indien hat 124 relativ nackte T-90 erhalten und durfte 186 selbst aus Kits bauen und hat dann domestische gefertigte oder im Ausland gekaufte Extras eingebaut. Verkäufe von T-90 an Ägypten, Kuwait, Zypern, Venezuela, Peru, Malaysia, Nordkorea und Pakistan waren im Gespräch, sind aber entweder geplatzt oder auf die lange Bank geschoben worden, oder die haben dann woanders gekauft. Der Punkt hier ist: Diese ausländischen Käufer wissen, dass ihre Version weniger kann, als die T-90 in den russischen Streitkräften und den Russen platzen die Dinger trotzdem spektakulär weg. Das ist nicht wirklich konduktiv für weitere Bestellungen, selbst wenn die Russen sagen würden: "Ihr bekommt in Zukunft dann nicht nur die Affen-Version, sondern auch alle Extras."
Herr Rossi hat geschrieben:
28.05.2022, 08:30
Das mit den unglaublich vielen Drohneneinsätzen kriege ich auch in den russischen Kanälen mit. Die holen allerdings davon durchaus welche runter, allerdings natürlich mit einem Kosten/Nutzenaufwand, der irgendwann zu Gunsten der Drohnen ausgehen muss.
Ja, das ist definitiv so. Sieh dir mal die "Switchblade" an. Das ist eine kleine Drohne, die aus einer Art "Mörser-Rohr" verschossen wird. Ist kein Mörser im klassischen Sinne, sieht aber so aus: Startrohr mit Stützen. Die damit gestartete Drohne fällt in die Rubrik "loitering munition", da sie eine Selbstmord-Drohne ist. Reichweite je nach Modell 10km bis maximal 90km unter optimistischen Bedingungen. Kann autonom oder (auf kürzere Distanz) gelenkt operieren. Stückpreis liegt bei einige tausend Dollar. Das kleine Modell hat die Sprengkraft einer 40mm Granate, das große Modell ungefähr so viel Bums wie eine Javelin. Die kleine Variante erlaubt es einem Zug Infanterie, ihre eigene Luftaufklärung UND Luftunterstützung mitzubringen, die mit wenigen Handgriffen startklar ist. Das ist schon ein enormer Vorteil.
Herr Rossi hat geschrieben:
28.05.2022, 08:30
Aber mal generell: Hat der Westen mit seiner NATO Technik so einen Krieg schon mal geführt? Was kann die westliche Technik in Hinblick auf ein solches Setting und gibt es dazu Praxiswerte? In Afghanistan und im Irak habe ich einen so dermaßen umfangreichen Drohneneinsatz der gegnerischen Seite jedenfalls nicht mitbekommen.
Grundsätzlich: Nein. Kann man alles nicht vergleichen, weil der Vergleich irgendwo zu kurz kommt. Was USA und/oder NATO bislang an Kriegen geführt haben, war immer der 800-Pfund Gorilla im Affengehege. Klassische US-Kampagnen seit Korea und Vietnam sehen IMMER massive vorausgehende und anhaltende Luftschläge einer quantitativ und qualitativ überlegenen eigenen Luftwaffe gegen den Gegner vor. Der im Falle von Grenada, 2x Irak, Serbien, Afghanistan und Syrien stand dem jeweils nur wenig bis nichts entgegen zu setzen hatte. Was die jeweils an russischer Flugabwehr hatten, das kannten die Amis seit Vietnam nur zu gut und waren technisch und taktisch auf dessen Bekämpfung bestens gerüstet. Nach Erringen der Lufthoheit war der Rest dann absehbar. Der erste Irak-Krieg der USA machte dann deutlich, wie groß die waffentechnische Überlegenheit und Ausbildung der Truppen dann auch war. Auf dem Papier hatte Saddams Irak damals eine formidable und große Armee, die dann aber regelrecht pulverisiert wurde.

Was gerade USA und NATO bislang demonstriert haben: Die können Kriege gegen technologisch nicht gleichwertige Gegner mit erstaunlich geringen eigenen Verlusten gewinnen. Aber den Frieden zu gewinnen? Also die Nachfolgende Besetzung von z.B. Irak, Afghanistan und FR/DE derzeit im Mail? (Andere Baustelle, aber egal!) Den Wandel der dortigen Zivilgesellschaft kann man halt nicht herbeibomben, sondern nur mit Waffengewalt gegen immer größere werdendes lokales Resentment eine Weile aufrecht erhalten. Irgendwann MUSS man dann raus. Egal wie übel die Lage vor Ort ist.

Kann man den Yom-Kippur-Krieg als Vergleich nehmen? Der war in Sachen aufgefahrene Truppen und Disparität der Opponenten vergleichbar (dort Israel als Underdog, hier Ukraine), aber der Y/K-Krieg war nach 19 Tagen beendet, als Israel ~76km vor Kairo und ~40km vor Damaskus stand. In Sachen Verluste (Mensch und Material) ist der derzeitige Konflikt erst seit kurzem "größer", als Yom-Kippur.

Die erste größere Proliferation von Drohnen (meistens Hobby-Drohnen) auf gegnerischer Seite hat man in Irak und dann vor allem in Syrien gesehen. Oder die letzten Jahre im Kaukasus, als dort dann russische, türkische und israelische Militär-Drohnen und/oder Loitering-Munitions eingesetzt wurden.

Deren Rolle und Bedeutung wird sicher noch zunehmen. Insbesondere die der Klein- und Kleinst-Drohnen im infanteristischen- und/oder Artillerie-Umfeld.
Herr Rossi hat geschrieben:
28.05.2022, 08:30
"Appeasement" spielt mal wieder mit der Hitler Karte. Sorry, aber Putin ist kein Hitler. Oder siehst du bei ihm eine ähnliche Ideologie von Raum und rassischer Überlegenheit, die ihn zur Eroberung der Welt beauftragt?
Da möchte ich kurz den Bogen spannen zu Kriegszielen und End-Game. So verwerflich man auch einige oder alle Kriege der USA mit oder ohne NATO-Beteiligung finden mag: Die dauerhafte Annektion von fremden Territorium war nie offen erklärtes oder verdeckt angestrebtes Kriegsziel. So wie das halt jetzt bei Russland vs. Ukraine aus russischer Warte der Fall ist. Die Russen geben sich nicht mit einem "Regime Change" zufrieden, oder Teile der Ukraine per Besetzung und dann "Referendum" rauszueisen und sich diese später per "Heim ins Reich"-Referendum (siehe Krim) komplett anzueignen. Was auch nicht besser ist. Wie sich die Russen die Besetzung und Befriedung der annektierten Teile der Ukraine vorstellen, wird im TV von einem Duma-Mitglied so erklärt: "Vertreibung, Deportation und rund 2 Mio Ukrainer wird man wohl umbringen müssen".

Wenn ich sowas höre? Ich bin da nicht Olaf Scholz, der derzeit sogar bei altem Kleinkram massivst auf der Bremse steht. Da würde ich anfangen Leo 2's und Pumas zu verladen und nach Freiwilligen zu fragen, die mit wollen. :ziggi:

Es geht hier längst nicht (mehr) um "legitime Sicherheitsinteressen Russlands". Falls es die jemals gegeben hat. Und ich war selbst jemand, der lange durchaus der festen Überzeugung war, dass man eher mit Russland als gegen Russland operieren sollte. Leider ist halt Fakt, dass Putin den Fall der SU nie vergeben hat und es dürfte mittlerweile klar sein, dass seine langfristige Strategie die politische, wirtschaftliche und territoriale Wiedererlangung einiger oder aller Abtrünnigen beinhaltet. Weißrussland? Lukaschenko hat sich auf Gedeih und Verderb an Russland ausgeliefert und sofern da nichts dazwischen kommt, wird das irgendwann Provinz von Russland. Georgien? Hat man versucht - ging in die Hose. Im Kaukasus? Das geht scheibchenweise. Ukraine? Wirtschaftlich wäre das auf lange sicht genau das, was Russland braucht. Nur wollen die halt nicht. Den "muslimisch besetzten Unterbau" der ex-SU? Auf den kann Russland an sich verzichten, weil das langfristig nur noch mehr Probleme bringen würde, als man sowieso schon hat.

Und da muss ich Putin dann auch seine eigenen Worte um die Ohren hauen. Mal darauf angesprochen, Kaliningrad ggf. doch wieder an Deutschland abzugeben (wie Gorbi das bei der Wiedervereinigung ins Gespräch brachte), meinte er (ich zitiere aus dem Stehgreif): "Wer nach dem Ende des 2. Weltkrieges noch Grenzen in Europa neu ziehen will, der spielt mit dem Feuer und wird sich daran verbrennen". Das Zitat fiel so etwa um 2010-2012 herum.
Herr Rossi hat geschrieben:
28.05.2022, 08:30
Und was meinst du denn wo die Billiarden in der Ukraine bleiben werden? Das Land ist hoch korrupt. Und wo hat in den letzten Jahrzehnten in der Breite die Bevölkerung in Schwellenländern von westlicher Kapitalflut profitiert?
Ich wüsste im Moment eher Gegenbeispiele wie z.B. Griechenland innerhalb der EU. Man gibt ihnen ein Jahrzehnt Aufschwung und danach lässt man sie tief in schwerste Armut zurückfallen, immer schön mit dem Duktus oben drauf: Ihr seid halt zu faul, zu korrupt und zu unfähig, habt ihr halt verdient.
Da bin ich ebenso Realist wie du und mache mir keine Illusionen: Die Kokaine ... äh ... Ukraine ist ein durch und durch korruptes Land, dass zur rigorosen Ausbeutung durch West (oder Ost) auserkoren worden ist. Volodymir Zelinsky ist zwar eine fotogene und medienkompetente Ausnahme-Erscheinung (in seiner Präsenz, nicht seinem Wesen!), aber durch und durch ein Geschöpf, eine "ein Player" oder schlimmstenfalls eine Marionette in diesem verabscheuungswürdigen "Spiel". So oder so: Die Ukraine wird auf Jahrzehnte hinaus ein Armenhaus bleiben, mit wenig bzw. geringer Prognose auf Wohlstand für seine Bevölkerung. Zum einen durch die Kriegsfolgen, zum anderen durch hausgemachte Probleme durch die korrupte Oberschicht und die Ausbeutung von Außen.

ABER: Die Ukrainer haben ein Recht auf selbstbestimmtes Leben in Unabhängigkeit oder den militärischen und/oder wirtschaftlichen Bündnissen, die sie sich selbst aussuchen. Dass die Ukraine "nur um des Friedens willens" einem Aggressor nachgeben und Territorium und Selbstbestimmung aufgeben soll, halte ich (wie im Fall von Kissinger aber auch anderen so gefordert) ein recht dreister und unverschämter Vorschlag. Wir haben es hier mit Bullying auf internationalem Level zu tun. Wenn der Bully damit durchkommt, welche Forderung kommt dann als nächstes? Und ja: Da sind wir dann wirklich auf dem Level von "and now we will have peace in our time" wie Chamberlain es nach seinem Treffen mit Hitler verkündete. /shrug
Herr Rossi hat geschrieben:
28.05.2022, 08:30
Und ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Allein aus egoistischen Gründen hoffe ich darauf, dass Weißrussland und Russland nicht vom Westen und seinen Heuschrecken überrannt werden, denn das würde weitere Jahrzehnte in einer unipolaren Welt unter den Regeln der USA und dessen Milliardären bedeuten. Bitte nicht! Und für die Welt würde es wahrscheinlich weitere ausgedehnte Angriffskriege der USA gegen jedes Land, welches nicht mitspielt, bedeuten. Dann lieber doch Systeme, die sich gegenseitig in Balance halten. Das führt zwar auch nicht zu einer viel besseren Welt, aber es verhindert immerhin zu große Exzesse.
Den Gedanken und Wunsch kann ich nachvollziehen. Du kannst es an sich drehen und wenden, wie du willst: Die Russen sind raus. Sie sind kein Global Player mehr. Die einzige "Power-Projection", die sie noch zu Stande bringen könnten, wären die Atomwaffen. Da sind sie dann auf einem Level mit Pakistan, Israel, Indien und Nordkorea. Länder, die allesamt genug "atomaren Bums" haben, um die Welt zu vernichten, aber keine oder kaum militärische Möglichkeit (oder Willen/Motivation) haben, mit konventionellen Streitkräften großartig über den eigenen Bordstein hinaus zu operieren.

Weißrussland (da muss man kein Pessimist sein) wird so oder so an Heuschrecken fallen. Entweder jene im Westen, oder im Osten. Beides wird für die Betroffenen nicht sonderlich lustig werden. Zumindest bekämen sie bei Westbindung die Illusion eines demokratischen Systems und hätten langfristig zumindest die geringe Chance darauf, die Oligarchen und Kleptokraten zum Teufel zu jagen.
Zuletzt geändert von Toska am 31.05.2022, 23:05, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ukraine

Beitrag von Toska » 31.05.2022, 22:53

Herr Rossi hat geschrieben:
29.05.2022, 16:40
Mir generell ein Rätsel wieso man sich Krieg freiwillig antut. :/
Ja, das ist schon recht krass. Fefe hatte heute auch was von JF verlinkt. Ich hab immer wieder mal Stories und teilweise auch Memoiren von Kriegsfreiwilligen in allen möglichen Konflikten gelesen und unterm Strich sind die doch alle verarscht worden. Willkommenes Kanonenfutter. Danach (wenn sie es überlebt haben) dann der Arschtritt und "Danke, aber reden wir nicht mehr darüber". Der Ausgang des Unabhängigkeitskrieges zu Gunsten Israels verdanken die Israelis auch (in nicht zu vernachlässigender Weise) ihren ausländischen Kriegsfreiwilligen ("Machalniks"). Dennoch hat man sich lange recht schwer getan, diesen auch nur annähernd eine halbwegs angemessene Rolle daran zuzugestehen. Man hat dann mal zwei Straßen in Jerusalem nach ihnen benannt, ein kleines Museum eingerichtet und das 1993 errichtete Monument bei Sha’ar HaGai.

Die recht umfassende Webseite der IDF in Englisch? Die Suchbegriffe "Machal, Mahal, Machalnik, Mahalnik" haben keinerlei relevante Ergebnisse. Die Suche nach "volunteer" bringt sieben Seiten irrelevante Suchergebnisse. Darunter eines dann mit dem Titel "War of Independence". Na, da wird es doch wenigstens eine Erwähnung wert sein? Schauen wir mal: CTRL+F "volunteer" hat einen Hit:
IDF-Webseite zu Freiwilligen im Unabhängigkeitskrieg hat geschrieben: On May 15, 1948, the day after Ben-Gurion declared independence, tens of thousands of troops from Israel’s hostile neighbors, along with volunteers from as far as the Sudan, Pakistan, and Yemen, invaded the newborn state, bent on its destruction.

Quelle:
B'seder, Zahal. Todal klum! (בסדר, צה"ל. תודה על כלום! - In Ordnung, IDF. Danke für nichts!) :roll:
Herr Rossi hat geschrieben:
29.05.2022, 19:30
Gerade geht übrigens eine sehr schräge Nummer durch die Ticker:

https://www.news.de/politik/856299048/w ... ml-chef/1/

"Wladimir Putin: Ist der Kreml-Chef längst tot und durch Doppelgänger ersetzt? "

Also mal angenommen er ist es, dann folgt daraus wohl: Russland fährt auch ohne Putin seinen Kurs... ja nee, so geht das nicht! :D
Ja, das ist so eine Story die in verschiedenen Formen immer mal wieder hochkocht. :roll:

Zum einen: Putin sieht halt nicht gut aus. Er posiert nicht mehr mit freiem Oberkörper oder beim Kampfsport, aber das kann das Alter sein. Das aufgedunsene Gesicht und dass er sich teilweise krampfhaft an seinen Sitzmöbeln oder am Tisch festhält, deuten an, dass er wohl nicht mehr so ganz auf dem Damm ist. Dass er teilweise paranoide Wahnzustände hat, was seinen Sicherheitsabstand zu "Mitarbeitern" angeht oder dass ausländischer Besuch zwingend einen Corona-Test vorlegen muss? Dass bei "Zusammentreffen in kleiner Runde mit der Bevölkerung" nur handverlesene und Linientreue Exemplare serviert? Geschenkt. Nach 22 Jahren "gelenkte Demokratie" (Diktatur) hat er sicherlich genug brenzliche Momente erlebt, in denen es für ihn um die Wurst ging. Möglicherweise auch den einen oder anderen Attentats-Versuch oder Putschversuch? In gewisser Weise ist nachvollziehbar, dass so jemand ständig "unter Strom steht" und das irgendwann auch seine Spuren hinterlässt. Dass er (angeblich) bei Reisen immer einen Facharzt für lymphatischen Krebs in seiner Entourage hat und entsprechende Bilder kursieren? Ich kann mir die Bilder ansehen, aber die Behauptung nicht prüfen.

Google mal nach "ludmila putinova putin has been replaced" (oder Varianten davon). Es kursiert da seit vielen Jahren die angebliche Aussage von Putins erster Ehefrau Ludmila, dass Putin durch ein Double ersetzt worden ist. Irgendwann hat der russische Medienzirkus das mittels eines TASS-Korrespondenten aufgreifen lassen und fragten Vladimir Putin dann mal direkt, was es damit auf sich hat.

Youtube ist da auch ein Fundus, wenn man es fragt: "Has Putin been replaced?" Hier ist ein Video mit Zeichentrick ohne echte Bilder von Putin, welches mal den meisten Gerüchten mit für und wieder nachgeht.

Also alles wie immer: Spekulation, Gerüchte, Dementis. Dass Putins Uhr mittlerweile recht laut tickt kann man ihm durchaus am Gesicht ablesen. :ziggi:
Grüße,

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Re: Ukraine

Beitrag von Herr Rossi » 01.06.2022, 11:09

Toska hat geschrieben:
31.05.2022, 21:49
Ja, das sieht schon recht beeindruckend aus. Die Russen haben durchaus gute Ökonomen und deren Chefin der Zentralbank scheint durchaus sehr fähig zu sein. Auf der anderen Seite kann man sich dann schon fragen, wie viel besser es den Russen gehen würde, wenn da nicht so eine Kleptokratie herrschen würde. Ähnliches kann man wohl auch für Deutschland sagen. /shrug
Was bedeutet Kleptokratie? Und was imo noch wichtiger ist: Wie sieht die Entwicklung aus und von wo kam das Land?

Putin kam 2000 ins Amt. Damals war Russland wirtschaftlich tot. Das BIP lag bei ca. 280 Mrd. Dollar. Bis zum Beginn der ersten großen Sanktionen in 2014 ist das BIP unter der Regierung von Putin immerhin auf einen Wert von 2300 Mrd. Dollar angewachsen. Heute steht es immerhin noch bei 1700 Mrd. Dollar (die Daten enthalten noch keine steigenenden Einnahmen durch die aktuellen Rohstoffgeschäfte).

https://www.statista.com/statistics/263 ... in-russia/

Das BIP alleine sagt aber natürlich nur wenig über den allgemeinen Wohlstand aus. Hierfür kann man solche Faktoren wie den Gini-Koeffizienten (Wikipedia: Je höher der Gini-Koeffizient, desto ungleicher ist die Einkommensverteilung.
Das Bild ist nicht ganz einheitlich:
https://data.worldbank.org/indicator/SI ... cations=RU

Man kann sehen, dass mit wachsendem Wohlstand auch die Wohlstandsverteilung deutlich auseinanderlief (von 36 nach 42). Mittlerweile liegt der Wert aber wieder recht weit unten bei 36.

Wenn ich das international vergleiche:

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der ... verteilung

Dann sehe ich hier keine große Besonderheit. Das Land ist sicherlich keines, wo der Wohlstand perfekt in der breite der Bevölkerung verteilt ist, aber es unterscheidet sich wenig von westlichen Ländern. Die USA steht sogar noch deutlich hinter Russland. Wobei ich für die USA durchaus den Begriff Kleptokratie angemessen fände! ;)
Es kommt jedenfalls durchaus ein Teil des Wohlstands in der Bevölkerung an.

Toska hat geschrieben:
31.05.2022, 21:49
Fakt ist: Indien ist ein Schwamm in Sachen Militärtechnik. Die nehmen, was sie bekommen können und einige Großprojekte (Su-30MKI, Atom-U-Boote und andere Kriegsschiffe und die S-400) sind Milliarden-Klötze, die in irgend einer Form dann doch ganz oder teilweise am russischen Tropf hängen. Und ohne die fallen wichtige Pfeiler des indischen Militärs weg.
Danke für die Ausführungen. Ich halte mal ein Auge auf Indien. Ich hatte das Land vorher eher weniger im Fokus, aber es scheint sich zu lohnen die Entwicklung dort zu verfolgen.
Toska hat geschrieben:
31.05.2022, 21:49
Ansonsten? Es wäre interessant, eine Liste der exportieren russischen Rüstungsgüter zu sehen und dann zu beobachten, ob und wie sich das nun ändert. Ich denke mal, bei Kleinwaffen wird sich nicht viel ändern. Aber richtig fettes Zeugs wie Panzer, Flugzeuge, Hubschrauber oder Schiffe wird die Luft nun dünn und bei S-300/S-400 dürfte bis auf laufende Verträge der Ofen aus sein. Aber das ist meine Spekulation. Fakt ist, das man sich beim Kauf komplexer ausländischer Waffensysteme immer in Abhängigkeiten begibt, die zumindest in Teilen eine längerfristige politische Orientierung zu Gunsten des Verkäufers beinhalten dürfte.
Das wäre tatsächlich interessant, wird es aber sicherlich nicht geben. Das würde es zu einfach machen!
Toska hat geschrieben:
31.05.2022, 21:49
Was gerade USA und NATO bislang demonstriert haben: Die können Kriege gegen technologisch nicht gleichwertige Gegner mit erstaunlich geringen eigenen Verlusten gewinnen. Aber den Frieden zu gewinnen? Also die Nachfolgende Besetzung von z.B. Irak, Afghanistan und FR/DE derzeit im Mail? (Andere Baustelle, aber egal!) Den Wandel der dortigen Zivilgesellschaft kann man halt nicht herbeibomben, sondern nur mit Waffengewalt gegen immer größere werdendes lokales Resentment eine Weile aufrecht erhalten. Irgendwann MUSS man dann raus. Egal wie übel die Lage vor Ort ist.
Daher verstehe ich auch nicht so ganz warum du ein vollkommenes Scheitern der russischen Technik siehst. Die Ukraine wurde fast ein Jahrzehnt durch die NATO auf einen Konflikt mit Russland vorbereitet. Das ergibt zwar keine Gleichwertigkeit der Stärke, aber eine gezielte Vorbereitung für die Bekämpfung der russichen Technik (die zudem primär aus altem Gerät besteht). Ergänzt wird das um -wahrscheinlich- das komplette Aufklärungspotential der NATO. Russland kämpft auch nicht gegen irgendwelche "Sandalenkrieger", sondern gegen kampferprobte Truppen, die sich zudem in einem urbanen Umfeld bewegen, welches man nicht einfach platt machen kann, da man die Gebiete in der Tat erobern möchte und hierfür einen gewissen Rückhalt in der Bevölkerung braucht.
Toska hat geschrieben:
31.05.2022, 21:49
Da möchte ich kurz den Bogen spannen zu Kriegszielen und End-Game. So verwerflich man auch einige oder alle Kriege der USA mit oder ohne NATO-Beteiligung finden mag: Die dauerhafte Annektion von fremden Territorium war nie offen erklärtes oder verdeckt angestrebtes Kriegsziel. So wie das halt jetzt bei Russland vs. Ukraine aus russischer Warte der Fall ist. Die Russen geben sich nicht mit einem "Regime Change" zufrieden, oder Teile der Ukraine per Besetzung und dann "Referendum" rauszueisen und sich diese später per "Heim ins Reich"-Referendum (siehe Krim) komplett anzueignen. Was auch nicht besser ist. Wie sich die Russen die Besetzung und Befriedung der annektierten Teile der Ukraine vorstellen, wird im TV von einem Duma-Mitglied so erklärt: "Vertreibung, Deportation und rund 2 Mio Ukrainer wird man wohl umbringen müssen".
Dann ziehe aber bitte auch den ganzen Bogen mit der Vorgeschichte, mindestens bis zum Maidan und der dazugehörigen Gegenbewegung. Es ging fast ein Jahrzehnt mit dem Minsk Abkommen um Autonomie. Russland war noch nicht einmal Teil des Vertrags. Im Donbass sind seit 2014 über 10.000 Menschen durch den Konflikt umgekommen. Die Landnahme ist jetzt praktisch das End-Game, weil es in den ganzen Jahren davor stetig nur weiter eskaliert wurde.
Und ein Referendum kannst du nicht so einfach abtun. Es gibt im Völkerrecht auch das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Es steht nicht unter oder über der territorialen Integrität von Staaten. Wenn ein Referendum daher sauber durchgeführt wird, dann ist es durchaus im Einklang mit dem Völkerrecht (Kosovo lässt grüßen, übrigens auch ganz ohne Referendum). Zur Krim bestreiten übrigens selbst westliche Beobachter nicht, dass das Referendum im Groben den Willen der Bevölkerung wiedergibt, auch wenn es unter russischer Aufsicht durchgeführt wurde. Dadurch bleibt es zwar ein Völkerrechtsbruch, aber immerhin keiner bei dem Menschen umgekommen sind oder der dem Willen der Bevölkerung auf der Krim entgegen laufen würde.
Toska hat geschrieben:
31.05.2022, 21:49
Es geht hier längst nicht (mehr) um "legitime Sicherheitsinteressen Russlands". Falls es die jemals gegeben hat. Und ich war selbst jemand, der lange durchaus der festen Überzeugung war, dass man eher mit Russland als gegen Russland operieren sollte. Leider ist halt Fakt, dass Putin den Fall der SU nie vergeben hat und es dürfte mittlerweile klar sein, dass seine langfristige Strategie die politische, wirtschaftliche und territoriale Wiedererlangung einiger oder aller Abtrünnigen beinhaltet. Weißrussland? Lukaschenko hat sich auf Gedeih und Verderb an Russland ausgeliefert und sofern da nichts dazwischen kommt, wird das irgendwann Provinz von Russland. Georgien? Hat man versucht - ging in die Hose. Im Kaukasus? Das geht scheibchenweise. Ukraine? Wirtschaftlich wäre das auf lange sicht genau das, was Russland braucht. Nur wollen die halt nicht. Den "muslimisch besetzten Unterbau" der ex-SU? Auf den kann Russland an sich verzichten, weil das langfristig nur noch mehr Probleme bringen würde, als man sowieso schon hat.
Die "legitimen Sicherheitsinteressen Russlands" sollte man ernst nehmen und daran die Diplomatie ausrichten, aber diese können keinen Angriffskrieg rechtfertigen. Und wieso ist es ein Fakt, dass Putin den Fall der SU nicht vergeben hat? Woher nimmst du das? Das ist reine Spekulation (über mögliche Motive). Den Rest deiner Analyse teile ich auch nicht. Dazu wäre Russland gar nicht in der Lage oder glaubst du wirklich, dass die russische Armee nach der Ukraine weiter nach Europa reinmarschiert? Es blendet auch die komplette Vorgeschichte aus. Warum hat Putin denn bitte dann solange gewartet und hat der NATO die Möglichkeit gegeben die Ukraine fast ein Jahrzehnt für einen solchen Konflikt vorzubereiten. Das hätte er einfacher haben können, wenn er direkt 2014 nicht nur die Krim, sondern direkt den Rest mitgenommen hätte. Deine Analyse ergibt für mich allein aus der Vogelperspektive kein schlüssiges Bild.

Um das noch mal klar zu machen: Krieg lehne ich ab, von allen Seiten. Mein Punkt bei der ganzen Nummer ist: Wir -also primär der Westen- arbeiten auf allen Ebenen mit Doppelstandards bzw. -moral. Man wütet auf der Welt vorbei an jeder Rechtsordnung, hat Millionen von Menschenleben vernichtet, Armut geschaffen, Staaten vernichtet und nun macht man ein Emtpörungsfass auf als ginge morgen die Welt unter und packt zudem auf das Elend immer nur noch mehr Elend oben drauf.
Es geht auch nicht darum, was ich für richtig oder falsch halte, sondern es geht um die Fakten. Fakten wurden bereits geschaffen. Wie du selbst anmerkst, die Landnahme ist passiert und der Donbass ist raus aus der Ukraine. Wer meint das rückgängig machen zu können, der verweigert sich schlichtweg der Realität und wer auf dieser Basis weiter den Krieg befeuert, der opfert einfach nur sinnlos Menschenleben. Wer Leid verhindern will, der muss sofort dafür sorgen, dass Russland und die Ukraine wieder an den Verhandlungstisch gehen. Vielleicht wäre sogar noch eine Autonomielösung machbar, aber mit jedem weiterem Kriegstag schwindet die Chance eine solche Lösung noch hinzubekommen.
Darüber hinaus bringt auch der ganze Sanktionswahnsinn mit Russland einfach nur noch mehr Leid. Wo soll das hinführen?
Toska hat geschrieben:
31.05.2022, 21:49
Und da muss ich Putin dann auch seine eigenen Worte um die Ohren hauen. Mal darauf angesprochen, Kaliningrad ggf. doch wieder an Deutschland abzugeben (wie Gorbi das bei der Wiedervereinigung ins Gespräch brachte), meinte er (ich zitiere aus dem Stehgreif): "Wer nach dem Ende des 2. Weltkrieges noch Grenzen in Europa neu ziehen will, der spielt mit dem Feuer und wird sich daran verbrennen". Das Zitat fiel so etwa um 2010-2012 herum.
Du wirst von diesen Dingen noch viel mehr mitbekommen, wenn man es nicht schafft zu normalen Beziehungen zurückzukehren. Wenn am Ende gar keine Beziehung mehr vorhanden ist, dann hat Russland auch keine Interessen mehr im Westen und dann kriegst du GAR NICHTS mehr. Geopolitik ist immer Interessen geleitet und damit sind Interessen auch der Hebel für jegliche Diplomatie. Auch hier wieder: Wo soll das enden???
Toska hat geschrieben:
31.05.2022, 21:49
ABER: Die Ukrainer haben ein Recht auf selbstbestimmtes Leben in Unabhängigkeit oder den militärischen und/oder wirtschaftlichen Bündnissen, die sie sich selbst aussuchen. Dass die Ukraine "nur um des Friedens willens" einem Aggressor nachgeben und Territorium und Selbstbestimmung aufgeben soll, halte ich (wie im Fall von Kissinger aber auch anderen so gefordert) ein recht dreister und unverschämter Vorschlag. Wir haben es hier mit Bullying auf internationalem Level zu tun. Wenn der Bully damit durchkommt, welche Forderung kommt dann als nächstes? Und ja: Da sind wir dann wirklich auf dem Level von "and now we will have peace in our time" wie Chamberlain es nach seinem Treffen mit Hitler verkündete. /shrug
Da bin ich an sich komplett bei dir, aber hier ergibt sich schon die erste Frage: Gibt es diese Einheit "die Ukrainer"? Offensichtlich hat der Ostteil es in 2014 anders gesehen und dadurch entstand ein Bürgerkrieg. Darüber hinaus ist die territoriale Ordnung des Staatsgebiets der Ukraine nicht wirklich selbstbestimmt erfolgt, sondern ist bereits ein von außen auferlegtes Konstrukt, welches -wie an so vielen Orten dieser Welt- leider Konflikte in sich trägt. Die kann man zudecken und in diesem Fall (rein theoretisch) mittels Rückeroberung beilegen, aber befriedet das den inneren Konflikt des Landes?
Und jedes Land kann sich frei seine Bündnisse wählen, aber kein Bündnis ist dazu verpflichtet ein Land aufzunehmen. Es geht mir darum, was WIR tun, nicht darum was die Ukraine tut. Die hat in der Tat jegliches Recht darauf sich zu verteidigen.

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Re: Ukraine

Beitrag von Toska » 01.06.2022, 20:38

Herr Rossi hat geschrieben:
01.06.2022, 11:09
Was bedeutet Kleptokratie? Und was imo noch wichtiger ist: Wie sieht die Entwicklung aus und von wo kam das Land?
Kleptokratie: Raubzug am Volk durch die herrschende Kaste

Also das, was wir in Ost wie in West in allen Ausprägungsformen sehen können. In manchen Ländern ist man dreister, als in anderen. Auf dem Korruptionsindex findest du Russland z.B. auf Platz 136 zwischen Mali und Myanmar.
Herr Rossi hat geschrieben:
01.06.2022, 11:09
Putin kam 2000 ins Amt. Damals war Russland wirtschaftlich tot. Das BIP lag bei ca. 280 Mrd. Dollar. Bis zum Beginn der ersten großen Sanktionen in 2014 ist das BIP unter der Regierung von Putin immerhin auf einen Wert von 2300 Mrd. Dollar angewachsen.
Ja, das ist mir alles bekannt und das ist schon eine wahnsinnige Erfolgsgeschichte. Auf der anderen Seite: Russland ist verdammt groß und obwohl viel von diesen Verbesserungen beim Volk in Moskau, St. Petersburg bis runter bei Sotschi angekommen ist? Der Rest von dem riesigen Land merkt wohl weniger davon.
Herr Rossi hat geschrieben:
01.06.2022, 11:09
Es kommt jedenfalls durchaus ein Teil des Wohlstands in der Bevölkerung an.
Sicher. "Trickle down economics". :roll:

Es würde Russland sicherlich besser gehen, wenn es weniger Billionäre hätte, die ihren Reichtum der Privatisierung von Staatseigentum schulden und diesen dann sinnlos im Ausland verprassen. Es gibt ja nicht umsonst das Video des Treffens Putins mit den Oligarchen, wo er sie damals (2004?) zur Ordnung rief und quasi sagte: "Ihr könnt euch gerne alle dumm und dämlich verdienen, aber haltet euch aus der Politik raus. Und investiert zumindest ein Minimum des Geldes in Russland." Was war das schon anderes, als sein Plazet zum zügellosen Raubzug an Volk und Gesellschaft?
Herr Rossi hat geschrieben:
01.06.2022, 11:09
Daher verstehe ich auch nicht so ganz warum du ein vollkommenes Scheitern der russischen Technik siehst. Die Ukraine wurde fast ein Jahrzehnt durch die NATO auf einen Konflikt mit Russland vorbereitet. Das ergibt zwar keine Gleichwertigkeit der Stärke, aber eine gezielte Vorbereitung für die Bekämpfung der russichen Technik (die zudem primär aus altem Gerät besteht). Ergänzt wird das um -wahrscheinlich- das komplette Aufklärungspotential der NATO. Russland kämpft auch nicht gegen irgendwelche "Sandalenkrieger", sondern gegen kampferprobte Truppen, die sich zudem in einem urbanen Umfeld bewegen, welches man nicht einfach platt machen kann, da man die Gebiete in der Tat erobern möchte und hierfür einen gewissen Rückhalt in der Bevölkerung braucht.
<Sigh> Putin hat seit dem Kursk-Unglück sein Augenmerk auf dem russischen Militär und man kann genau da sehr sichtbar festmachen, dass er massive Anstrengungen in den Erhalt und die Kampfwertsteigerung seiner Truppen gesteckt hat. Das hatte ich in anderen Postings früher hier auch schon immer wieder mal thematisiert. Der Ukraine-Krieg zeigt aber, dass diese Anstrengungen wohl auf breiter Front im Sumpf der allgegenwärtigen Korruption Russlands verpufft sind. Oder dass sie auf die Breite gesehen halt ein potemkinsches Dorf waren und die wirklichen Verbesserungen immer nur punktuell dort waren, wo man sie vorzeigen konnte und musste.

Vergiss mal "Kampf in urbanen Umfeld", den du da gerade angesprochen hast. Die Ostukraine ist flach wie ein Pfannkuchen und du kannst bis zum Horizont sehen. Wenn es eine "Tank-Country" gibt, in der sich Panzer austoben können, dann dort. DAS ist das Gebiet, in denen sich altbackene Streitkräfte wie die Russen prima austoben könnten. Nur: Ohne Lufthoheit? Geht nicht. Und warum hat die russische Luftwaffe keine Lufthoheit? Die paar MiG-29 und Su-27 der Ukraine sollten der geballten Macht der "Luftstreitkräfte der russischen Föderation" doch an einem Vormittag vom Himmel fegen? Am ersten Tag des Krieges. Wir sind jetzt im 4. Monat und die Ukrainer fliegen noch immer und die Russen fliegen fast nur über eigenem Gebiet mit ganz wenigen Inkursionen in ukrainischen Luftraum. Hatte ich ebenfalls schon erwähnt: Der Grund ist die ukrainische Flugabwehr und die Russen haben kein Kraut gegen diese Systeme, die sie selbst vor +30-40 Jahren gebaut haben. Wie kann das sein? Kein SEAD, keine Abstandswaffen, kein ausreichendes Pilotentraining, keine oder schlechte Sensoren, um die Radarstellungen einzumessen, keine funktionierenden Jammer in den eigenen Fliegern. Das ist an sich ein Totalausfall für eine Luftwaffe und macht jeden Einsatz im feindlichen Luftraum zu einer Kamikaze-Mission.

Und so sieht das halt nicht nur in der Luftwaffe aus. Nimm die viel gepriesene russische Artillerie. Egal ob Rohr oder MLRS: Davon haben die bis zum Abwinken. Die TOR-M1? Diese thermobarische Artillerie, die fast so gut knallt, wie ein kleiner taktischer Atomschlag? Haben alle das typische Problem der Russen: Keine oder schlechte Feindaufklärung *und* dazu noch extrem ungenaue im Schuss. Eine russische MLRS hat eine CEP von 170 Metern. Bedeutet: Schieße 12 Raketen und die rieseln in einem Kreis mit Radius von 170 Metern Radius runter. Da brauchst du dann halt eine ganze Salve mit Streumunition, damit das überhaupt was zerdeppert. US MLRS? CEP von 5 Metern auf volle Distanz. Nur mal so als Hausnummer. Und da die meistens keine ukrainischen Truppen zum Beschuss finden, zerdeppern sie halt auf Fläche dann ganze Städte, um "Leistung" und "Erfolge" vorzeigen zu können. Während die Ukrainer gezielt und punktuell mit ihrer Artillerie einzelne high-value-targets der Russen wegknipsen.

Es gibt viele Faktoren, die Schuld am Scheitern des russischen Militärs sind und die meisten sind hausgemacht: Alte Technik aus und für den kalten Krieg, nicht modernisiert, ungewartet, mit abgelaufener Munition, keine "intelligente Munition", keine oder unwirksame Gegenmaßnahmen, keine modernen Optiken, keine funktionierende Kommunikation auf jegewelcher Ebene (vom Zug bis rauf auf Divisions- und Armee-Ebene), nicht funktionierende und/oder nicht vorhandene Logistik, keine oder schlechte Drohnen, Luftwaffe ist ein Totalausfall, keine Unteroffiziere und schlecht ausgebildete Truppen mit schlechter Ausrüstung und null Motivation. Sind alles Dinge, die ich im Einzelnen in früheren Kommentaren schon im Detail angesprochen hatte.
Herr Rossi hat geschrieben:
01.06.2022, 11:09
Dann ziehe aber bitte auch den ganzen Bogen mit der Vorgeschichte, mindestens bis zum Maidan und der dazugehörigen Gegenbewegung. Es ging fast ein Jahrzehnt mit dem Minsk Abkommen um Autonomie.
Man *kann* das so sehen. Aber das Minsk-Abkommen kam doch erst zustande, nachdem die "Rebellen" (darunter auch Wagner-Söldner und temporär aus der russischen Armee beurlaubte Soldaten!) die territoriale Integrität der Ukraine in Frage gestellt hatten.

Und da muss man auch so fair sein, diesen zwei widersprüchlichen Argumente des Völkerrechts Rechnung zu tragen: "territoriale Integrität" vs. "Recht auf Selbstbestimmung". Sobald sich da jemand von außen einmischt, wird es schmutzig und wir wissen ja alle, dass sich sowohl die USA, die EU als auch die Russen alle irgendwie eingemischt haben. Das Kind hat also viele Väter. Das militärische Eingreifen der Russen sowohl in und seit 2014 als auch diese Jahr zeigt aber, dass sie bereit sind, auch extrem schmutzig zu spielen und auf das Völkerrecht scheißen.
Herr Rossi hat geschrieben:
01.06.2022, 11:09
Russland war noch nicht einmal Teil des Vertrags.
Rossi, ich bitte dich! "The Minsk agreements were a series of international agreements which sought to end the war in the Donbas region of the Ukraine.The first, known as the Minsk Protocol, was drafted in 2014 by the Trilateral Contact Group on Ukraine, consisting of Ukraine, Russia, and the Organization for Security and Co-operation in Europe (OSCE), with mediation by the leaders of France and Germany ...." :ziggi:
Herr Rossi hat geschrieben:
01.06.2022, 11:09
Und ein Referendum kannst du nicht so einfach abtun.
Sag das mal den Katalanen. Die haben 2017 mit 92,01% dafür gestimmt, eine eigene Republik zu sein. :roll:
Herr Rossi hat geschrieben:
01.06.2022, 11:09
Warum hat Putin denn bitte dann solange gewartet und hat der NATO die Möglichkeit gegeben die Ukraine fast ein Jahrzehnt für einen solchen Konflikt vorzubereiten. Das hätte er einfacher haben können, wenn er direkt 2014 nicht nur die Krim, sondern direkt den Rest mitgenommen hätte. Deine Analyse ergibt für mich allein aus der Vogelperspektive kein schlüssiges Bild.
Es stört mich nicht im geringsten, wenn man zu anderen Schlussfolgerungen kommt. Ich habe Putin auch lange als "rationalen Player" gesehen, der Probleme mit Logik, guter Strategie und sehr durchdacht anging. Der halt auch das "long game" spielen konnte und nicht nur bis zum nächsten Wahlkampf Ergebnisse liefern musste. Ich denke, das konnte man auch sehr gut beobachten. Irgendwann muss er aber ausgetickt sein, denn anders kann man die "Polizeiaktion in der Ukraine" nicht betrachten. Ein Vorhaben, bei dem schon die Prämisse, dass die Ukrainer die russischen Truppen wie Befreier empfangen würden absolut hirnrissig war. Kyiv in wenigen Tagen mit einer Kommando-Aktion durch LUFTLANDETRUPPEN einzunehmen und dann ist das Ding im Sack? Sorry, aber es ist nicht mehr 1944 und "Market Garden" lief damals auch nicht sooooo toll. Entweder wurde Putin schlecht beraten (dann ist er ein größerer Einfallspinsel, als man es nach 22 Jahren im Haufischbecken Russland erwarten dürfte), oder er ist mittlerweile komplett von Ja-Sagern umgeben und hat den größenwahnsinnigen Plan selbst ausgetüftelt und keiner sagte: "Cheffe, datt jeht so nüscht!" In dem Fall ist er kein rationaler Player mehr.
Herr Rossi hat geschrieben:
01.06.2022, 11:09
Wie du selbst anmerkst, die Landnahme ist passiert und der Donbass ist raus aus der Ukraine. Wer meint das rückgängig machen zu können, der verweigert sich schlichtweg der Realität und wer auf dieser Basis weiter den Krieg befeuert, der opfert einfach nur sinnlos Menschenleben. Wer Leid verhindern will, der muss sofort dafür sorgen, dass Russland und die Ukraine wieder an den Verhandlungstisch gehen. Vielleicht wäre sogar noch eine Autonomielösung machbar, aber mit jedem weiterem Kriegstag schwindet die Chance eine solche Lösung noch hinzubekommen.
Rossi, auch das hatte ich weiter oben schon angesprochen. Da sind unterschiedliche "schools of thought" am Werkeln. Ich kann die Argumente beider Seiten nachvollziehen. Sowohl jener, die eine sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen wollen (mit und ohne territorialer Zugeständnisse). Und auch das andere Lager, dass sagt: "Keinen Meter ukrainischen Boden für Russland" und dass die Sache im Prinzip auf einen Machtwechsel in Russland hinauslaufen MUSS. Ich hab da "no skin in the game" und es geht nicht um meine Haut. Das müssen die Ukrainer mit sich selbst ausmachen, wie weit sie den Krieg führen wollen und wo sie sagen "jetzt ist gut". Persönlich hoffe ich, dass sie die Mittel und Werkzeuge bekommen, die sie brauchen. Sowohl für den Kampf, als auch danach.
Herr Rossi hat geschrieben:
01.06.2022, 11:09
Darüber hinaus bringt auch der ganze Sanktionswahnsinn mit Russland einfach nur noch mehr Leid. Wo soll das hinführen?
In eine Post-Putin-Phase. :ziggi:
Grüße,

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Re: Ukraine

Beitrag von Toska » 01.06.2022, 20:40

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Re: Ukraine

Beitrag von Herr Rossi » 01.06.2022, 21:48

Toska hat geschrieben:
01.06.2022, 20:38
Kleptokratie: Raubzug am Volk durch die herrschende Kaste

Also das, was wir in Ost wie in West in allen Ausprägungsformen sehen können. In manchen Ländern ist man dreister, als in anderen. Auf dem Korruptionsindex findest du Russland z.B. auf Platz 136 zwischen Mali und Myanmar.
Bei der Definition gehe ich mit. Das war ja auch die Basis für meine Betrachtung der Kennziffern.
Zu Transparency und seinen Berichten: Da gebe ich nicht viel drauf. Die bauen ihren Index auf Basis von Informanten auf, die sie in den Ländern mit Einschätzungen beliefern. Das ist schon mal generell ein Ansatz, der für mich eine quantitative Einordung (im Sinne des Index) sehr fragwürdig erscheinen lässt. Darüber hinaus, schau dir einfach mal die Karte an:

https://de.statista.com/infografik/2404 ... orruption/

Wem da nicht der geopolitische Einschlag direkt ins Auge fällt, der mag sicherlich auch weiterhin an das überlegene westliche Modell glauben und dass in unseren westlichen Gesellschaften Korruption sogut wie kaum existiert. :P
Toska hat geschrieben:
01.06.2022, 20:38
Ja, das ist mir alles bekannt und das ist schon eine wahnsinnige Erfolgsgeschichte. Auf der anderen Seite: Russland ist verdammt groß und obwohl viel von diesen Verbesserungen beim Volk in Moskau, St. Petersburg bis runter bei Sotschi angekommen ist? Der Rest von dem riesigen Land merkt wohl weniger davon.
...

Sicher. "Trickle down economics". :roll:
LOL, mit Trickle down kriegste mich linke Zecke natürlich direkt getriggert! :D Klar muss ich dir auch dabei recht geben, aber: Russland kam nach den 90ern aus dem Nix und wäre es dort geblieben, dann wären auch Moskau, St. Petersburg und Sotschi nach wie vor eher Slums als halbwegs wohlhabende und aufgeräumte Städte. Ich kann mich noch sehr gut an die Bilder und Berichte erinnern, die damals u.A. von einem Gerd Ruge geliefert wurden und das Land sah wahrlich wenig vorzeigbar aus, auch wenn Ruge es durchaus noch verstand als Journalist keine plumpen Klischeebilder zu produzieren, sondern stattdessen sehr menschliche Eindrücke lieferte.
Toska hat geschrieben:
01.06.2022, 20:38
Es würde Russland sicherlich besser gehen, wenn es weniger Billionäre hätte, die ihren Reichtum der Privatisierung von Staatseigentum schulden und diesen dann sinnlos im Ausland verprassen. Es gibt ja nicht umsonst das Video des Treffens Putins mit den Oligarchen, wo er sie damals (2004?) zur Ordnung rief und quasi sagte: "Ihr könnt euch gerne alle dumm und dämlich verdienen, aber haltet euch aus der Politik raus. Und investiert zumindest ein Minimum des Geldes in Russland." Was war das schon anderes, als sein Plazet zum zügellosen Raubzug an Volk und Gesellschaft?
Du hast da ein Detail vergessen: Er sagte zudem: Spielt jetzt nach den Regeln, sonst seid ihr raus. Es war somit eine Souveränitätsansage des Staates und diese Souveräntität hat er offenkundig auch real gehabt. Ansonsten bin ich voll bei dir, dass es nicht nur Russland, sondern generell der Welt besser ginge, wenn der Reichtum fairer verteilt wäre. Das brauchst so einem Altlinken Neunazi wie mir nicht zweimal sagen! :D
Toska hat geschrieben:
01.06.2022, 20:38
<Sigh> Putin hat seit dem Kursk-Unglück sein Augenmerk auf dem russischen Militär und man kann genau da sehr sichtbar festmachen, dass er massive Anstrengungen in den Erhalt und die Kampfwertsteigerung seiner Truppen gesteckt hat. Das hatte ich in anderen Postings früher hier auch schon immer wieder mal thematisiert. Der Ukraine-Krieg zeigt aber, dass diese Anstrengungen wohl auf breiter Front im Sumpf der allgegenwärtigen Korruption Russlands verpufft sind. Oder dass sie auf die Breite gesehen halt ein potemkinsches Dorf waren und die wirklichen Verbesserungen immer nur punktuell dort waren, wo man sie vorzeigen konnte und musste.
Ich mache es mal kurz, weil ich glaube wir liegen gar nicht soweit auseinander: Meine Position ist im Gegensatz zu deiner wohl einfach nur die, dass ich mir ein Urteil, so wie du es in vielen Bereichen schon hast, nicht zutraue. Man kann die ganzen Details des Krieges, was berichtet wird, was durch Twitter geht, die Bilder, das Scheitern, vermeintliche Erfolge... all das kann man werten, nur: Ich bin hochgradig spektisch, bei beiden Seiten. Die vielen Detailaspekte, die du dir anschaust und wozu du schreibst, die finde auch ich durchaus interessant und das lese ich oft auch mit viel Interesse, aber wir betrachten Dinge oft perspektivisch. Du bist viel bei Twitter unterwegs. Allein das verändert bereits dein Bild, denn die sozialen Netzwerke sind ein geopolitisches Machtinstrument und werden so auch ganz offen eingesetzt. Das bedeutet nicht, dass das alles falsch ist, was du da mitbekommst, dir fehlt aber das Gegenbild, weil es rausgenommen wird. Gerade Twitter ist eins der schlimmsten Netzwerke was politische Filterung anbelangt (Elon Musks Grundsatzkritik an Twitter ist nicht unbegründet).
Das Gegenbild kriege ich in Telegram für die andere Seite genauso verzerrt mit. Und nun machen die Russen scheinbar den Donbass dicht. Passt das zu deinem Versagen, weches dir in Twitter präsentiert wird?
Ich weiß das alles wirklich nicht. Am Ende wird irgendein Ergebnis dastehen und es wird meiner Meinung nach unmöglich die Niederlage Russlands sein, nicht weil ich mir das wünsche, sondern weil für Putin und imo auch für den Machtapparat generell in Moskau mit der Ukraine ein All-In Szenario geschaffen wurde. Wenn es wirklich schlecht läuft, dann steht am Ende womöglich sogar tatsächlich eine Generalmobilmachung.
Toska hat geschrieben:
01.06.2022, 20:38
Man *kann* das so sehen. Aber das Minsk-Abkommen kam doch erst zustande, nachdem die "Rebellen" (darunter auch Wagner-Söldner und temporär aus der russischen Armee beurlaubte Soldaten!) die territoriale Integrität der Ukraine in Frage gestellt hatten.

Und da muss man auch so fair sein, diesen zwei widersprüchlichen Argumente des Völkerrechts Rechnung zu tragen: "territoriale Integrität" vs. "Recht auf Selbstbestimmung". Sobald sich da jemand von außen einmischt, wird es schmutzig und wir wissen ja alle, dass sich sowohl die USA, die EU als auch die Russen alle irgendwie eingemischt haben. Das Kind hat also viele Väter. Das militärische Eingreifen der Russen sowohl in und seit 2014 als auch diese Jahr zeigt aber, dass sie bereit sind, auch extrem schmutzig zu spielen und auf das Völkerrecht scheißen.
Ich weiß nicht, ob Wagner oder ob beurlaubte Soldaten in den pro-russischen Gebieten waren oder sind. Ich kenne die Gerüchte, ich habe sogar selbst für mich versucht das zu verifizieren, aber am Ende blieb für mich ma wieder nur: Schulterzucken. Ich sehe wirklich keine Möglichkeit in diesem Medienkrieg Propaganda sauber rauszufiltern. Manchmal funktioniert es für kleine Teilaspekte, aber auch dann bleibt immer der Zweifel.
Aber eigentlich ist das für mich auch egal mit Wagner ja oder nein. Der Konflikt ist echt und er ist entstanden aus dem inneren Konflikt der Ukraine, auf der einen Seite die Maidan Bewegung, auf der anderen Seite der Gegenmaidan und mit den Toten auf dem Maidan plus Odessa war klar, dass das ein blutiger Konflikt sein würde.
Und ja, von außen dürfte sich eigentlich niemand einmischen, aber eigentlich gab es das noch nie. Fakt ist: Das Völkerrecht ist zwar von der Theorie her ein wirklich gutes Regelwerk, was die Welt friedlicher machen würde, aber Fakt ist nunmal auch: Wenn es um echte Machtinteressen geht, dann war es schon immer vollkommen egal. Am Ende entscheidet der, der sich mächtiger füht. Zugegeben habe ich das Thema aufgemacht, aber ich wollte es vom Stellenwert auch nicht überbewerten. Das ganze moralisieren drum rum und das Geblubber von Werten ist für mich eh nur holes Gewäsch.
Toska hat geschrieben:
01.06.2022, 20:38
Herr Rossi hat geschrieben:
01.06.2022, 11:09
Russland war noch nicht einmal Teil des Vertrags.
Rossi, ich bitte dich! "The Minsk agreements were a series of international agreements which sought to end the war in the Donbas region of the Ukraine.The first, known as the Minsk Protocol, was drafted in 2014 by the Trilateral Contact Group on Ukraine, consisting of Ukraine, Russia, and the Organization for Security and Co-operation in Europe (OSCE), with mediation by the leaders of France and Germany ...." :ziggi:
Grmpf, man kann es aber auch bewusst falsch verstehen oder? Natürlich ist Russland an den Vertragsverhandlungen beteiligt gewesen. Das meinte ich nicht. Ich bezog mich auf den Vertragsinhalt. Daraus ergeben sich keine Gebietsansprüche Russlands auf den Donbass, sondern Autonomie für die Regionen.
Toska hat geschrieben:
01.06.2022, 20:38
Herr Rossi hat geschrieben:
01.06.2022, 11:09
Und ein Referendum kannst du nicht so einfach abtun.
Sag das mal den Katalanen. Die haben 2017 mit 92,01% dafür gestimmt, eine eigene Republik zu sein. :roll:
Ich würde den Katalanen ohne wenn und aber ihre Autonomie zusprechen. Ich fände das sogar klar in Sinne des Völkerrechts. Übrigens: Die Kosovo Frage hatte mich etwas "rausgeworfen", warum ich natülich mal wieder losrecherchiert habe. Sezession ist im Völkerrecht ein wirklich schwieriges Thema. Eigentlich müsste es im Sinne der Selbstbestimmung der Völker einen deutlich höheren Stellenwert haben, aber: Komischerweise hat kein Land dieser Welt ein Interesse daran dem Völkerrecht in diesem Punkt "Leben einzuhauchen"! Dinge gibts! :P Daher wird auch überall immer wieder betont: Der Kosovo, das war eine einmalige Nummer, nicht vergleichbar, mit nichts, niemals, nicht in Zeit und nicht im Raum! :D

Ansonsten, generell: Lass es uns einfach abwarten was kommen wird. Rückblickend können wir dann ja versuchen zu schauen wie gut oder schlecht wir mit unseren Einschätzungen lagen. Ändern können wir eh nichts und die Welt wird sicherlich auch in 100 Jahren kein friedlicherer Ort werden. Die UN und damit auch das Völkerrecht ist imo auch eher auf dem absteigenden Ast. Wenn eins klar sein dürfte: Die Welt wird etwas anders geordnet weiterlaufen.

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Re: Ukraine

Beitrag von Herr Rossi » 03.06.2022, 21:51

Aktuelle Daten zum Außenhandel:

https://www.destatis.de/DE/Presse/Press ... 28_51.html

Im Graph sieht das so aus:

Bild

Es ist zwar keineswegs so, dass unsere hohen Exportüberschüsse etwas Positives waren, aber deren faktische Vernichtung, die wir gerade erleben, ist das leider in diesem Setting auch nicht, denn es repräsentiert lediglich wirtschaftlichen Niedergang und eben nicht Ausgleich und Anpassung. Der entscheidende Faktor sind steigende Importpreise für Rohstoffe und daraus folgt direkt ein Verlust von Konkurrenzfähigkeit.

Ich schlage daher vor: Totales russisches Gasempargo!

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Re: Ukraine

Beitrag von Herr Rossi » 04.06.2022, 11:54

Falls es hier jemanden interessieren sollte wie Sanktionen konkret wirken, hier ein aktuelles Interview mit Karin Leukefeld u.A. zu Syrien, aber auch zu den Nachbarländern:

https://youtu.be/dXls5dLy2Fc

Karin Leukefeld spricht übrigens nicht aus der Ferne über das Thema, sondern ist als Journalistin immer wieder vor Ort und berichtet somit aus eigener Erfahrung.

Sanktionen in Russland wirken sicherlich nicht so wie in Syrien, aber am Beispiel von Syrien kann man sehen -wenn man denn will- was dieses Instrument an Schäden anrichten kann.

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Re: Ukraine

Beitrag von Herr Rossi » 07.06.2022, 22:09

Das hier ist mir heute durch meine Youtube Empfehlungen "gerutscht":

https://www.youtube.com/watch?v=kkGmvV0YVUA

Ich kenne die beiden nicht, habe zuvor auch nichts auf dem Kanal gesehen, aber offensichtlich kommen beide vom Militär und versuchen irgendwie neutral zu bleiben.

Am Ende gehen sie auf den Drohnenkrieg ein und das ist zumindest eine Gemeinsamkeit, die ich ebenfalls auf beiden Seiten erkennen kann. Das gab es so bei den ganzen NATO Kriegen nicht. Es entwertet wohl auch auf mittlere Sicht das ganze teure Kriegsmaterial, was bisher vermeintlich kriegsentscheidend war, und macht zudem die Front zu einem noch größeren Horror für all die, die dort ihr Leben ins Spiel bringen oder bringen müssen.

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Re: Ukraine

Beitrag von Roland von Gilead » 09.06.2022, 17:27

https://www.youtube.com/watch?v=gwlg4rEdA7w

Interview von Bild Reporter Ronzheimer und Polens Präsident Duda
[fullalbumimg]804[/fullalbumimg]
Bild Bild Bild Bild

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Re: Ukraine

Beitrag von Herr Rossi » 09.06.2022, 23:20

Roland von Gilead hat geschrieben:
09.06.2022, 17:27
https://www.youtube.com/watch?v=gwlg4rEdA7w

Interview von Bild Reporter Ronzheimer und Polens Präsident Duda
Er macht das Gespräch mit Georgien auf und da fängt es bereits an -positiv gesprochen- ungenau zu werden. Der Georgienkrieg hatte eine Untersuchung, die nannte sich: IIFFMCG, dazu stellt SELBST die Wikipedia fest, der ich mittlerweile keine neutrale Positionierung mehr unterstellen würde:

"Der Angriff Georgiens auf Südossetien und dort stationierte russische Friedenstruppen wurde als Verstoß gegen internationales Recht[51] eingestuft. Eine anfängliche russische Intervention zur Verteidigung der Friedenstruppen auf südossetischem Gebiet sei durch das Völkerrecht gedeckt gewesen. Andererseits wurde der Einmarsch russischer Truppen in georgisches Gebiet außerhalb Südossetiens als durch kein internationales Recht gedeckt beurteilt und als sehr unverhältnismäßig bezeichnet,[220] dazu die Operationen südossetischer Truppen und Freischärler nach dem Waffenstillstand am 12. August. Zusätzlich wird die Besetzung Ober-Abchasiens durch russische und abchasische Truppen ausdrücklich eingeschlossen.[221]"

https://de.wikipedia.org/wiki/Kaukasusk ... chen_Union

Das ist eine klassische Eskalationsspirale, in diesem Fall aber klar initiiert von Georgien... nach Untersuchungsbericht! Dennoch wird gerade hier im Westen rauf und runter immer wieder behauptet, dass es sich dabei um einen Angriffskrieg von Russland gegen Georgien gehandelt hat. War es faktisch aber nicht.

Im Kontrast dazu die Einleitung des Wikipediartikel, weil er gut veranschaulich, was ich mit der Positionierung meine:

"Der Kaukasuskrieg 2008 (auch als Augustkrieg, Georgienkrieg oder Kaukasischer Fünftagekrieg bezeichnet) war ein militärischer Konflikt im Südkaukasus zwischen Georgien auf der einen und Russland sowie den von Russland unterstützten, international nicht anerkannten Republiken Südossetien und Abchasien auf der anderen Seite. Der Konflikt wurde auf georgischem Staatsgebiet ausgetragen.

Zuvor hatte Russland bereits Truppen in das Gebiet verlegt und Schritte zur Annexion vorbereitet. Die offenen Kampfhandlungen zwischen Soldaten der georgischen Armee und südossetischen Milizverbänden begannen bereits im Juli 2008 und eskalierten in der Nacht zum 8. August, in der georgische Einheiten eine Offensive zur Rückgewinnung der Kontrolle über die ganze Region begannen. Daraufhin griffen aus dem Nordkaukasus russische Truppen an, drängten die georgische Armee zurück und rückten bis ins georgische Kernland vor. Bis zum Waffenstillstand am 12. August wurden insgesamt etwa 850 Menschen getötet sowie zwischen 2500 und 3000 Menschen verwundet.[6] "

Rest: Denke sich jeder seinen Teil. Polen ist nachvollziehbar Russland gegenüber in einer absoluten Abwehrhaltung. Kann ich aufgrund der Historie auch sehr gut verstehen. Verstehen kann ich jedoch nicht das ganze in eine weitere Eskalation zu treiben, denn das könnte auch Polen treffen. Darüber hinaus hat Polen übrigens selbst Gebietsforderungen an die Ukraine. Ich bin mir daher nicht so ganz sicher, ob hier nicht ein wenig mit dem Moment gespielt wird und der polnischen Regierung das Schicksal der Ukraine -abgesehen von der eigenen Instrumentalierung- nicht eigentlich ziemlich egal ist.

Wenn man aus dem Interview den Kern rauszieht, dann bleibt eigentlich wie immer: Geopolitik ist Interessenspolitik der Länder. Das ist absolut legitim, aber das ganze Drumrum fürs Volk ist nichts anderes als PR oder wie es ehrlicher heißt: Propaganda.
Zuletzt geändert von Herr Rossi am 10.06.2022, 00:04, insgesamt 1-mal geändert.

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