Korrekt: 300.000 Mann sollen mobilisiert werden. Wohl überwiegend ehemalige Zeit-Soldaten ("Contract-Soldiers") und ggf. halt auch Wehrpflichtige. Die in der DUMA durchgepeitschten Gesetzes-Änderungen der letzten Tage bedeuten auch, dass Zeit-Soldaten nicht wie bislang einfach und jederzeit kündigen können. Bislang konnte man die nicht wegen Desertion belangen. Das steht jetzt unter empfindlicher Strafe (10 Jahre Knast plus rund 20.000 Dollar Strafe), sich dem Feind zu ergeben steht ebenfalls unter hoher Strafe.Herr Rossi hat geschrieben: ↑21.09.2022, 07:55Zusammen mit den Referenden dürfte das die Hochstufung auf Krieg für die russische Seite bedeuten, somit dann mit vollem Einsatz, was auch immer damit möglich oder nicht möglich ist. Wieder eine Eskalationsstufe höher!
Edit: Im n-tv Ticker schreiben sie was von 300.000 Reservisten, die aktiviert werden sollen.
Im TASS Ticker steht das hier:
"Die Mobilisierung wird sich auf Männer beziehen, die gedient haben, vor allem auf solche mit Kampferfahrung und militärischer Spezialisierung, sagte Schoigu. Schüler und Studenten werden von der Teilmobilisierung nicht betroffen sein."
Putin und Shoigu haben da richtig fette Töne gespuckt und man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Die geben zu, dass sie rund 200.000 Mann bislang in die Ukraine geschickt haben. Angeblich (lol!) hatte Russland bislang 5900 Mann Verluste und hat 60.000 Feinde gekillt. Darunter 2000 "ausländische Söldner". Und der Krieg läuft deswegen so toll, dass man nochmal 300.000 Mann mobilisieren muss - ist klar! Und sie jammern halt rum, dass sie derzeit an sich gegen die NATO kämpfen.
Sorry, aber wenn die NATO da kämpfen würde, dann wären die Ukraine seit fünf Monaten komplett frei von russischer Besetzung.
Ich will hier mal 2-3 Dinge aufgreifen, welche den Grund für die russische Teilmobilisierung sind und wie das wohl ausgehen wird:
1.) LOGISTIK: Die Russen können es nicht. Sie sind ZWINGEND auf die Eisenbahn angewiesen, um ihre Truppen im Feld mit Futter, Sprit und Munition zu versorgen. In der Ostukraine sind drei wichtige Eisenbahn-Knotenpunkte: Kupiansk, Debaltseye und Ilovasisk.. Die sind nun entweder in Hand der Ukrainer (Kupiansk), oder in Reichweite der HIMARS. Und am Tropf dieser Eisenbahnen hängen dort noch rund 30.000-45.000 Mann der Russen.
Im Süden der Ukraine (Kherson, Krim, Melitopol, Mariupol bis rüber nach Donetsk)? Die nördliche Eisenbahn-Route liegt nicht nur in Reichweite der HIMARS, sondern führt so dicht an der Front vorbei, dass man da mit Javelins auf vorbeifahrende Züge schießen könnte. Also die Verbindung ist dicht. Bleibt noch der Eisenbahn-Knoten Syvash im Norden der Krim und halt die Eisenbahnlinie über die zwei Kerch-Brücken. Und an DEM Tropf hängen die 70.000 russischen Soldaten (plus die Zivilbevölkerung!) der Krim und Kherson. Die Ukraine braucht nur zwei ATACMS-Missiles und diese zwei Brücken sind Toast. Und der Gag ist noch: Laut internationalen Grenzen liegen die beiden Brücken auf ukrainischem Gebiet.
Wir sind also genau zwei Raketen-Schläge davon entfernt und die komplette russische Südfront fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen, weil dann die Logistik nur noch per LKW oder per Seefracht laufen kann und beides kann Russland in den benötigten Mengen nicht stemmen.
Meine Prognose: Die Brücken fallen in Kürze. Und zwar genau dann, wenn die USA endlich die Feuer-Erlaubnis für die bereits in der Ukraine befindlichen ATACMS gibt. Bislang hat man das aus politischen Gründen einfach noch nicht gemacht, weil es die Russen zur Mobilisierung provoziert hätte. Und der Zenit ist nun überschritten.
2.) LOGISTIK der Mobilisierung: Kamil Galeev hat dazu an sich alles gesagt.. TL;DR: In den 1990'ern hatten Russlands Verteidigungsminister so wenig Geld im Klingelbeutel, dass sie vor der Wahl standen, was man erhalten konnte und was die Axt bekam. Man entschied sich, die "Strategischen Raketenstreitkräfte" zu erhalten und das konventionelle Militär bekam die Axt. Das ERSTE was abgebaut wurde? Die ganzen Mobilisierungs-Zentren in jeder Stadt, welche im Kriegsfall der Anlaufpunkt für die 20 Mio einzuberufenden Reservisten hätten sein sollen. Dieser ganze Verwaltungsapparat, die Materialdepots, die dafür bereitstehenden Transport-Kapazitäten, Kleider- und Ausrüstungskammern? Das ist alles verpufft, weg und "long gone". Alle unnützen Offiziere, Verwaltungsbeamte und aktive Soldaten? Weg. Radikaler Abbau.
Warum mobilisiert Russland nun 300.000 EHEMALIGE? Weil man keine Offiziere und NCO's aus dem aktiven Dienst mehr verfügbar hat, um neue Rekruten zu trainieren. Die sind entweder in der Ukraine gebunden, im Lazarett, oder schauen sich bereits die Radieschen von unten an. Daher müssen halt altgediente ran, die man nicht mehr groß ausbilden muss. Nur: Deren Training und Kampferfahrung sind halt noch "auf dem alten Stand" von vor dem Ukraine-Krieg und daher nicht mehr zeitgemäß. Und was die mal konnten, ist im Laufe der Zeit erodiert. Um so mehr, je länger die schon raus sind. Die Motivation dürfte auch gering sein, denn als ehemalige wissen sie nur zu gut, dass sie gerade verarscht werden und bestenfalls Kanonenfutter sind.
Wenn die Russen es wirklich schaffen, 300.000 Mann Reserven irgendwo zu sammeln, bleibt noch die Frage, wie sie die ausrüsten wollen. Schon die Truppen in der Ukraine hatten nur gammeliges Material und auch fast nichts mehr, was auch nur vernünftiger Ausrüstung nahe kam. Egal ob Schuhwerk, Uniformen, Schutzausrüstung oder persönliche Waffen - von Fahrzeugen (Panzer + APCs) mal nicht mehr zu reden, denn da wurden ja schon wieder T-62 an die Front geschickt. Auch in Sachen Artillerie-Systemen dürften diese neuen Truppen dann noch blanker da stehen, als die Truppen, welche Russland bereits in der Ukraine verheizt hat.
Es kann also durchaus sein, dass viele dieser Reservisten erstmal nicht bis zur Front gelangen, sondern im Umfeld von Moskau auf Komplettierung der Ausrüstung und Weitertransport warten. Und unwillige, gefrustete Soldaten mit zu viel Zeit fürs Nichtstun direkt in der Nähe des Regierungssitzes? Das ging schon mal schief.
3.) LOGISTIK im Felde: Was können diese Truppen denn in der Ukraine erreichen, sofern sie es bis dahin schaffen? Russland kann ja bereits JETZT die Truppen, die noch in der Ukraine sind nur noch unter extrem prekären Umständen versorgen. Und dann sollen da nochmal 300.000 Mann versorgt werden?
Fazit: Das sind letzte Zuckungen. Und die Russen wissen das auch. Ansonsten hätte man nicht 12h auf der bereits gefallenen Entscheidung zu mobilisieren rumgekaut, bevor man damit um acht Uhr morgens (statt wie geplant um 20 Uhr des Vortages) an die Öffentlichkeit ging. Die haben sich sicherlich in so lange gegenseitig in Putins Bunker angeschrien, bis Konsens da war. Putins Finanzministerin ist ja schon zurückgetreten, weil sie die Mobilisierung nicht unterstützen wollte. Da sind die letzten alten Allianzen und "Freundschaften" über die Wupper gegangen und die politischen Folgen davon dürften in den nächsten Tagen und Wochen deutlicher werden.
Was die Ukraine betrifft? Man wird die Drosselklappen der Versorgungs-Pipeline jetzt zwangsläufig etwas weiter aufdrehen und die Ukraine wird das zu nutzen wissen.