Vor acht Monaten gab es hier einen Erdrutsch-Sieg für den extrem linken und sozialistischen ehemaligen M19-Terroristen Gustavo Petro, als er relativ unerwartet die Präsidentschaftswahl gewann. Es war an sich klar, dass die Leute von den bislang regierenden Uribisten (benannt nach einem Ex-Präsi Alvaro Uribe) die Nase voll hatten. Diese Republikaner waren schon immer eine durch und durch korrupte Bande von Verbrechern, die mal offen und mal verdeckt mit den Narcos zusammen arbeiteten und nur in Amt und Würden waren, um sich hemmungslos zu bereichern. Dennoch: Mit Sozialisten hat man es in Kolumbien nicht so, da man ja hautnah mitbekommt, wie das in Venezuela läuft.
Dennoch: Es war damit zu rechnen, dass Petro bei der Landbevölkerung, den Eingeborenen und den Verlieren der Globalisation im ländlichen Bereich gut Stimmen machen würde. Bei der Stadtbevölkerung dann aber weniger und der Wahlausgang in Bogota, Medellin und Cali würde dann die Waage wieder zu Gunsten der Uribisten tilten. Petro gewann jedoch mit einer knappten Mehrheit von 360.000 Stimmen.
Der Amtsantritt kolumbianischer Präsidenten ist normalerweise in der "Casa de Nariño" und ein Event nur für geladene Gäste und hohem Sicherheits-Zirkus. Petro dagegen hatte die Sache unter freiem Himmel zelebrieren lassen und daraus ein mehrstündiges Event gemacht, welches die Sicherheitsbehörden Blut und Wasser schwitzen ließ. Sowohl Polizei als auch Militärs standen Petro an sich feindlich gegenüber, aber die hat er fest mit eingebunden, sie gewürdigt und den Festakt erst mal für 45 Minuten anhalten lassen, bis das Schwert von Staatsgründer Simon Bolivar aus dem Museum geholt worden ist. Er hatte dessen Präsenz vom Amtsvorgänger verlangt, aber der hatte sich geweigert, das Schwert freizugeben. Die Brisanz war auch noch: Petro gehörte zu den ELN-Terroristen, die in den 80'ern das Schwert aus dem Museum geklaut hatten und es außer Landes schafften. Es war tauchte erst wieder auf, als die ELN und die kolumbianische Regierung in Kuba Frieden schlossen und wurde da feierlich von der ELN übergeben. Die Anwesenheit des Schwerts bei der Amtseinführung zu verlangen, die Zeremonie so lange anzuhalten (zehntausende Gäste anwesend - dazu Diplomaten und Würdenträger aus dem Ausland) und das Schwert dann feierlich den Militärs in die Obhut zu geben? Absolut geiler Schachzug, um "Hearts and Minds" zu gewinnen und alte Wunden zu schließen.
Die neue kolumbianische Vize-Präsidentin? Francia Márquez ist eine Afro-Kolumbianerin, deren Herzensangelegenheit die unterdrückten Eingeborenen und vor allem auch Frauenrechte sind. Absolute Schutzpatronin und eine Dame, die furchtlos austeilen kann.
Programm: Alles, was vorher in die Narco-Bekämpfung und die Bekämpfung des Terrorismus ging, solle nun dem Kampf gegen die Korruption dienen. Bildung stärken. Naturschutz und Ökologie. Raubbau ausländischer Konzerne an den Naturschätzen Kolumbiens einschränken. Stärkung der Wirtschaft. Reform des komplett maroden Gesundheitswesens. Und vieles mehr. Die Präsentation war bombastisch und mitreißend und selbst ein Sozi-Hasser wie meiner einer konnte da nur anerkennend nicken und ihm Glück wünschen. Der Pessimist in mir sagte sich jedoch schon damals: In der Verwaltung sitzen noch ganze Generation von Uribisten und die werden jede verdammte Änderung am Status Quo auf der Verwaltungsebene aussitzen, torpedieren oder pervertieren.
Nun zu den Ereignissen von dieser Woche:
Vorspiel: Petros Truppe ist schon seit Monaten an der Gesundheitsreform, die grundsätzlich darauf hinausläuft, die vor Jahrzehnten durchgeführte Privatisierung des Gesundheitswesens wieder zurück zu rollen. Die ganzen Splitter-Krankenversicherungen sollen in eine staatliche Versicherung aufgehen und bestenfalls noch Zusatzleistungen anbieten. Der Gesundheitsministerin Carolina Corcho wird bereits seit Mai eine "Terrorherrschaft" im Gesundheitswesen angedichtet, weil sie mit der Brechstange ihre radikalen Reformen durchbringen will und dafür auch über Leichen geht, wenn mal wieder einer aus ihrem Umfeld was durchsickern lässt. Und das passiert wohl ständig. Es zeichnet sich ab, dass die geplante Reform nur mit einigen Fantastilliarden an Abfindungen durch den Staat zu bezahlen ist, oder es auf Enteignungen hinauslaufen muss. Jeder weiß, dass das bestehende Gesundheitswesen absolut sterbenskrank ist und es so nicht weitergehen kann. Aber *diese* Reform mit der Brechstange ist vielen dann auch suspekt.
Bei der Bildung hat es dann auch geknallt. Petro hatte einen Bildungsminister ernannt, der in den acht Monaten seit Amtsantritt keine Zeit hatte, sich auch nur einmal mit den Vertretern der größten Lehrer-Gewerkschaften zu treffen, um sich deren Klagen und Wünsche anzuhören. Stattdessen gab es ständig "Nachjustierungen" und Änderungen im Bildungswesen und an die Anforderungen an die Lehrer, die alle auf die Palme brachten. Die Lehrer riefen daher Petro auf, den Minister zu entlassen und erinnerten ihnen daran, dass die Lehrer maßgeblich an seinem Wahlerfolg beteiligt waren und ihm weitere Unterstützung versagen würden. Es kam dann prompt zum Amtswechsel im Bildungsministerium.
Die Wirtschaftsreformen von Petro? Sagen wir mal so: Selbst in der eigenen Partei gab es keine Mehrheit dafür und man war auf Stimmen von Parlamentariern anderer Parteien angewiesen. Petros Umfeld hat dann eine Großdemonstration von Eingeborenen in Bogota auflaufen lassen, die FÜR die Reformen der Regierung demonstrierten. Nicht vor dem Palast der Vizepräsidentin (die ja für sie die Vorkämpferin ist), sondern vor dem Präsi-Palast. Und der konnte dann sagen: "Liebe Parlamentarier: Stimmt für meine Reformen, die Leute reißen mir sonst die Hütte ein." Das war so konstruiert und so dünn, dass alle mal gelacht haben und die Sache kam noch immer nicht zur Abstimmung, weil keine Mehrheit zu erwarten ist.
Unterm Strich kann man sagen, dass die Sozis bislang noch nichts - wirklich NICHTS - erreicht haben, was Wirkung zeigt. Rund 16-18% Inflation, Zinssatz auf Kredite von +60% Effektiv (kein WItz!), rund 25-35% Preissteigerungen seit Dezember 2022 (je nach Warengruppe) und ständige Demonstrationen, die immer wieder mal die Hauptverkehrswege lahm legen.
Na, wenigstens bei der Korruptionsbekämpfung und der Sicherheitslage im Land hat sich was zum positiven entwickelt? Öhm ... eher so:

Die ELN hatte sich ja "komplett" entwaffnet - als Folge des Friedensvertrages. Angehörige der ELN bekamen weitreichende Amnestien, Geld, Subventionen, Förderungen, werden bei Einstellungen bevorzugt behandelt, Stipendien für die Kids, bekommen für Gefängniszeiten extra Pensionen angerechnet und sind generell fein raus. Zudem wurden der ELN eine Anzahl von Sitzen im Parlament gewährt, die UNABHÄNGIG von Wahlstimmen sind.
Der Generalstaatsanwalt von Kolumbien klagte neulich im Radio, dass seine Behörde auf Präsidentialerlass hin teilweise Leute mit Verurteilungen wegen Genozid und Massenmord aus dem Knast lassen mussten. Als es um die Begnadigung von FARC-Terroristen ging, die eine vollbesetzte Bar mit Zivilisten in die Luft gejagt hatten, war das Faß beinahe zum überlaufen voll, zumal die auch noch Entschädigung für die Knast-Zeit bekommen sollten. Das kam definitiv nicht gut an. Zumal auch die Regierungsvertreter beim Vermittlungsgespräch keinerlei Anteilnahme für die Opfer oder deren Angehörigen hatten, sondern nur die Leiden der Häftlinge in den Vordergrund stellten.
Zudem stellte sich raus: Die ELN hat nicht entwaffnet. Da ist noch immer ein hartgesottener und gut organisierter Kern, der weiterhin sein Unwesen treibt und das reicht halt von Nacro-Trafficking, Geldwäsche, Prostitution, Korruption bis hin zu Auftragsmorden und der Eliminierung der politischen Opposition oder von "Mitbewerbern" in ihren "Wirtschaftszweigen". Teilweise haben die einfach die Fahnen gewechselt und sind jetzt bei der FARC, teilweise sind das auch 1:1 noch dieselben alten ELN-Kader wie vorher.
Diesen Montag war dann der Doppel-Whopper in den Nachrichten:
Im Norden Kolumbiens ist eine recht große Gruppe von Eingeborenen. Die haben extrem viele Freiheiten und auch ihre eigene Polizei, Polizeihoheit und Gerichtsbarkeit. Nimmt die kolumbianische Polizei einen Eingeborenen in flagranti fest, muss sie ihn der Eingeborenen-Polizei übergeben und der wird dann von deren separaten Gericht abgeurteilt. Oder halt direkt laufen gelassen - was auch oft genug passiert. Weil: War halt Rassismus und der Bub war ja soooo benachteiligt, der konnte ja sowieso nicht anders.
Die Eingeborenen der Region hatten fett gegen einen Minenkonzern demonstriert und wollten von dem Straßen in ihrer Region gebaut haben. Die wollten davon nichts wissen und dann kam es halt auch zu Gewalttaten und Anschlägen gegen die Firma und deren Mitarbeiter. Also rückte die ESMAD (Anti-Demo Polizei-Spezialeinheit) und die reguläre Polizei an, um die Sache zu "deeskalieren". ESMAD deeskaliert an sich wie ein Elefant im Porzellanladen und es kam zu ziemlich üblen Szenen. Endresultat: Die Eingeborenen-Polizei stellte sich auf Seite der Demonstranten und sowohl ESMAD als auch kolumbianische Staatspolizei wurden festgesetzt und entwaffnet. Ein Beamter wurde sogar abgestochen und man hat ihn verbluten lassen. Insgesamt befanden sich dann 79 Polizeibeamte in Geiselhaft. Während des Stand-Offs hatte es frenetische Hilferufe der Beamten an ihre Leitstellen und auch an die Militärs gegeben, die natürlich geleaked wurden. Man hat denen keine Unterstützung geschickt, weil ganz oben in der Befehlskette jemand das so angeordnet hatte. Wer das genau war? Man ist sich noch nicht einig, aber das kommt auch noch raus.
Spezialkräfte von Polizei und Militär scharrten natürlich sofort mit den Hufen und das Gegrummel wurde deutlich lauter, je länger die Situation andauerte und keine Order kam.
Präsident Petro hat sich dann tags darauf (doch schon ... erst?) an die Öffentlichkeit gewandt und packte sein Statement in Watte. Im Prinzip können die armen Eingeborenen ja nichts dafür und man müsse halt mehr auf sie hören, damit sowas nicht mehr passiert. Und er bat dann das Rote Kreuz um "Mithilfe bei der Situation der derzeit in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkten Beamten".

Grundsatz #1 eines Staates ist eigentlich: Man verhandelt nicht mit Terroristen. Man lässt sich nicht an den Verhandlungstisch bomben und weder delegitimiert man seine Ordnungskräfte, noch macht man sie zum Freiwild für Gewalttäter. Petro hat damit auf einen Schlag die Unterstützung von sowohl Polizei als auch des Militärs verloren, denn die wissen nun: Wenn es brenzlig wird, lässt man sie im Stich. Die entführten Polizisten wurden mittlerweile nach einigen Tagen Geiselhaft und Mißhandlungen freigelassen, aber die Regierung hat sich da ganz offensichtlich erfolgreich erpressen lassen und das wird auch in Zukunft wieder ausgenutzt werden.
Korruptionsbekämfpung! Hah! Wenigstens da kann man Erfolge verbuchen!

Kam auch am Montag raus: Die Ex-Frau von Präsident Petro ist wohl die Tage bei der Staatsanwaltschaft aufgeschlagen und hat Tabula-Rasa gemacht. Ihre Aussage belegt ausführlich, dass Petros Sohn als auch sein Bruder (beides hochrangige Politiker und Staatsbeamte) tief in ein Netz der Korruption und Amtsmissbrauch verwickelt sind. Petros Bruder ist Mäzen mehrerer Stiftungen und arbeitet eng mit der Interkirchlichen Kommission für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung zusammen, die Sozialreformen anstrebt. Insbesondere auch für Straftäter. Deswegen ist er auch immer wieder mal zu Knastbesuchen (auch zu Narcos) unterwegs. Als Lokalpolitiker ist er gescheitert, hat aber sehr enge Verbindungen zu seinem Bruder, dem Präsidenten und war für ihn im Wahlkampf unterwegs. Petros ältester Sohn ist Chef eines Kataster-Amtes. Sowohl Petros Buder als auch sein Sohn haben offensichtlich Geschäfte sowohl mit Terroristen als auch Narcos gemacht und nicht nur ihre Wahlkämpfe, sondern wohl auch der von Petro wurden darüber finanziert. Im Gegenzug wurden Amnestien versprochen, wurden Grundstücke unrechtmäßig übertragen, oder es gab Mittel aus öffentlicher Hand für dubiose Projekte, die nie (oder nur schäbig) von den Auftragnehmern ausgeführt wurden. Und das Geld floss dann wohl auch teilweise in Petros Wahlkampf oder in seine Taschen - mit Sicherheit aber in jene seiner Familienmitglieder. Insbesondere brisant sind die Vermittlungen mit den eingeknasteten Narcos, die Petros Bruder durchgeführt hat. Er hat denen wohl Hafterleichterung und Amnestien versprochen und diese Anliegen an Petro herangetragen. Der streitet das aber ab, da rechtlich gesehen nur der staatlich bestellte "Hochkommissar für Frieden" Danilo Rueda berechtigt ist, Amnestien für Mitglieder illegaler Organisationen zu verhandeln. Es gibt aber Anzeichen, dass Petro auch bereits Mitglieder just solcher "illegalen Organisationen" auf Präsidialerlass hin begnadigt hat, ohne dass der Hochkommisar die entsprechenden Amnestien vorgelegt hat.
Am Montag bat dann der Generalstaatsanwalt um einen Termin bei Petro und teilte ihm mit, dass Ermittlungen gegen seinen Bruder und seinen Sohn aufgenommen worden seien. Präsident Petro blieb dann nichts anderes übrig, als zu nicken. Denn anders als in Deutschand sind die Staatsanwälte (und auch die Richter!) hier nicht Weisungsgebunden und unabhängig.
Mein Fazit bisher: Sozis halt. Korruption kann hier in Kolumbien JEDER. Aus dem Eff-Eff und im Tiefschlaf. Aber selbst dafür sind die Sozis zu doof und lassen sich bei erster Gelegenheit erwischen, weil sie geizig sind und der Ex-Frau nichts abgegeben haben.

Unterm Strich kann man sagen, dass Petro sich als totaler Rohrkrepierer entpuppt hat. Wie kein anderer hat er es geschafft, den Prozess der Versöhnung nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg durch schäbige Hinterzimmer-Deals mit "Interessengruppen" zu verlieren, die trotzdem nach wie vor genau das machen, was sie vorher schon getan haben: Weiterhin Terror, Gewalt, Korruption und Raubzug am eigenen Volk. Und er selbst ist halt eben auch weder besser noch anders. Selbst seine Vorzeige-First-Lady (die Vizepräsidentin) ist eine Null-Nummer, die sich seit der Amtseinführung wie eine Made im Speck mit Geld und Machtfülle voll frisst und nichts gebacken bekommt. Das Militär muss aber 24h am Tag und 7 Tage die Woche einen "Blackhawk"-Hubschrauber für sie in Bereitschaft halten, falls sie mal wieder zum Visagisten oder Friseur will, oder aus dem Helikopter Geld über Slums abregnen lässt.
Im August 2022 hatte Petro 56% Approval-Rating - diese Woche ist es auf 40% gefallen und die Tendenz zeigt weiterhin nach unten. Ich glaube fast nicht, dass diese Regierung die vollen fünf Jahre über die Runden kommt. Und wenn doch? Dann wird nichts besser oder einfacher. Die Sozialisten bekommen es nicht gestemmt, weil sie selbst ihr größter Feind sind. Beim Umverteilen der Beute ihrer Raubzüge stopfen sie sich die Taschen voll und sind so blöd, dass sie sich nicht nur dabei erwischen lassen. Nein, sie vergrätzen durch nicht durchdachte Deals nicht nur jene, die sie eigentlich noch gewinnen müssen, sondern auch und vor allem ihre eigenen Anhänger.
Und was es bringt, einen ehemaligen Staatsfeind zum Regierungschef zu machen haben wir ja bei Merkel gesehen.
