Roland von Gilead hat geschrieben: ↑20.06.2024, 07:01
Das wusste aber zu dem Zeitpunkt weder der Personenkreis der das zur Anzeige brachte, noch die Polizei - also ist dein Vergleich mit dem Verkehrsunfall wirklich mehr als grotesk.
Noch mal: Es war kein Vergleich, sondern eine Einordnung der Verhältnismäßigkeit. Du magst es ja anders sehen, aber mir ist es durchaus wichtiger, dass die Polizei genug Ressourcen hat Dingen nachzugehen, wo ein echtes Schadensbild gegeben ist. Meinungsdelikte gehören da für mich nicht zu. Sowohl die Polizei als auch die Justiz wird von Menschen betrieben. Deren Arbeitspotenzial ist limitiert.
Dabei geht es mir nicht um das einzelne Beispiel im Artikel, sondern um den Umstand, dass das vielfach passiert und eben keine wirkliche Strafbarkeit vorliegt.
Hier ein Beispiel dazu:
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... ng156.html
Bis Ende Mai seien landesweit 28 Fälle polizeilich bekannt geworden, in denen der Liedtext von "L'Amour Toujours" ausländerfeindlich umgedichtet wurde, teilte eine Sprecherin des LKA Niedersachsen auf NDR Anfrage mit (Stand: 28. Mai 2024). Insbesondere im Mai seien die Fallzahlen steil nach oben geschossen: Allein in diesem Monat seien etwa die Hälfte der 28 Fälle von der Polizei erfasst worden. Die Zahl könne noch höher ausfallen, so die Sprecherin, etwa durch nachträgliche Veröffentlichungen von Video- oder Audioaufnahmen in sozialen Netzwerken. Das Phänomen werde gerade durch die sozialen Netzwerke immer bekannter, so die LKA-Sprecherin.
Interessant auch, dass die "Fallzahlen steil nach oben" gehen. Man könnte fast meinen, dass die Menschen daraus mittlerweile einen bewusst provokativen Akt machen... oder es einfach nur als geiles Party Meme nehmen (kA, ich bin nicht mehr so ganz im aktiven Party Alter, um das bisher irgendwo real miterlebt zu haben).
Roland von Gilead hat geschrieben: ↑20.06.2024, 07:01
Diese Meldung die du da so empört zitierst, hat nur einen Sinn nämlich zu polarisieren, denn letztendlich fällt das ganze unter nicht der Rede wert!
Wo bin ich denn empört? Das interpretierst du gerade da rein. Ich mache mich da primär lustig drüber und betrachte das als einen satirischen Akt. Im großen Rahmen sehe ich es als ein Symptom zum Zustand dieser Gesellschaft. Toska hat das weiter oben ganz gut ausformuliert, auch wenn ich selbst einige Aspekte anders werten würde. Empörung empfinde ich dabei jedoch nicht. Bei "keine Böcke auf diesen geistigen Dünnpfiff" sehe ich allerdings bei dir durchaus ein wenig Empörung.
Roland von Gilead hat geschrieben: ↑20.06.2024, 07:01
Wäre das Einschreiten der Polizei berechtigt gewesen, hätte diese Szene keine so großen Verbreitung gefunden, wetten?
Den Punkt verstehe ich ehrlich gesagt nicht.
Das Bundesverfassungsgericht hatte übrigens schon mal einen Fall, der in etwa hierzu passt, zu verhandeln. Da ging es u.A. auch um die Parole "Ausländer raus":
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 0-013.html
Nach Auffassung der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts verstoßen die strafgerichtlichen Verurteilungen gegen die Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
Die Strafgerichte müssen den Sinn einer zu beurteilenden Äußerung zutreffend erfassen und zudem auf der Ebene der Auslegung grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem durch die Meinungsfreiheit beeinträchtigten Rechtsgut vornehmen. Zwar muss gegenüber der Menschenwürde das Grundrecht der Meinungsfreiheit stets zurücktreten. Soweit aber angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts die Menschenwürde beeinträchtigt, ist eine besonders sorgfältige Begründung erforderlich. Ein Angriff auf die Menschenwürde ist nur dann gegeben, wenn der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt wird. Dem entspricht es, dass die Strafgerichte bei der Parole "Ausländer raus" nur unter Hinzutreten weiterer Begleitumstände von einem Angriff auf die Menschenwürde ausgehen.
Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die strafgerichtlichen Verurteilungen nicht.
Das Landgericht hat der Aussage auf dem Plakat einen Sinngehalt gegeben, den das Plakat aus sich allein heraus nicht hat und der auch nicht anderweitig durch die übrigen Ausführungen des Landgerichts in verfassungsrechtlich tragfähiger Weise begründet wird. In dem von den Beschwerdeführern entworfenen Plakat wird nicht die Minderwertigkeit von Ausländern ausgesprochen wie zum Beispiel durch die pauschale Zuschreibung sozial unerträglicher Verhaltensweisen oder Eigenschaften. Eine solche Zuschreibung ergibt sich auch nicht aus der Bezeichnung "Ausländer" in dem Wort "Ausländer Rück-Führung", das dem Begriffspaar "deutsches Augsburg" und "lebenswert" gegenübergestellt wird. Die Worte "Aktion Ausländerrückführung" sagen dies ebenfalls nicht aus. Zwar macht das Plakat unmissverständlich deutlich, dass die Initiative der Beschwerdeführer Ausländer "rückführen" will. Der Umfang und die Mittel, ob nun beispielsweise durch Anreiz oder Zwang, werden jedoch nicht benannt. Dem Plakat ist daher nicht ohne weiteres zu entnehmen, dass Ausländer entrechtet oder zum Objekt gemacht werden sollen beziehungsweise als rechtlos oder Objekt angesehen werden. Um zu einer diesbezüglichen Deutung des Plakates zu gelangen, hätte das Landgericht konkrete Begleitumstände benennen müssen, die dieses als unter den Umständen einzig vernünftige Deutung hinreichend begründen. Derartige Begleitumstände sind aus den Ausführungen des Landgerichts nicht ersichtlich.