Fussballgott hat geschrieben: ↑11.07.2024, 09:12
Was ist denn hiervon wohl zu halten:
https://www.tagesspiegel.de/internation ... 00212.html
Der Artikel bezieht sich auf einen
Wall Street Journal Bericht ("High-Tech American Weapons Work Against Russia—Until They Don’t"), wonach sich die Russen mittlerweile recht fix auf westliche Waffen einstellen und so deren Wirksamkeit reduzieren.
So hätten etwa die Excalibur-Artilleriegeschosse im Sommer 2022 russische Panzer und Artillerie mit chirurgischer Präzision getroffen. Doch Russland sei es gelungen, deren GPS-Lenkung und die Zünder zu stören, sodass sie ihre Ziele nicht mehr präzise trafen oder sogar detonierten. Auch die Präzision von GPS-gesteuerten Raketen, die von den Himars-Systemen abgefeuert werden, habe abgenommen.
Ja, die Russen hatten schon immer sehr viel EW und manches davon funktioniert sogar. GPS (auch militärisches) nutzt eben ein bestimmtes Spektrum und braucht gewisse Signalstärken. Und es ist halt seit Dekaden im Einsatz und da kennt man die Funktionsweise genau. Entsprechend lässt sich das auch lokal und auch mit entsprechend Aufwand durchaus auch Regional stören. Siehe Kaliningrad. Da fahren die Russen seit Monaten einen Jammer auf Volllast, um ziviles und militärisches GPS zu stören. Das hat auch Einfluss auf den zivilen Luftverkehr.
Die Ukraine hat GPS-gesteuerte Munition erhalten und sicherlich auch das eine oder andere in eigene Munition (und Drohnen) eingebastelt. Zum einen Arty-Granaten mit GPS (verschiedene Typen), zum anderen (ganz famos) die Ground Launches Small Diameter Bombs, JDAMs und andere. Manche dieser Waffen haben "Fallbacks" wenn GPS nicht geht und nutzen dann Trägheitsnavigation und ggf. andere Mechanismen. Aber das hat dann halt ggf. Auswirkungen auf die Genauigkeit. Bei manchen Waffen mehr als bei anderen. JDAMs (von ukrainischen Su-27, MiG-29 oder Su-24 abgeworfen) stecken das noch einigermaßen weg, wenn GPS ausfällt und haben genug "Bums", um dann doch noch irgendwo in der Nähe Schaden anzurichten. Die Frage ist dann aber auch: Wie weit musste die Waffe im "degradierten Nav-Modus" fliegen? Je später die Waffe in den Wirkungsbereich des GPS-Jammers gerät, um so geringer ist in der Regel die Abweichung.
Manche Waffen sind aber deutlich stärker von Genauigkeitsfehlern betroffen als andere. Die von MLRS verschossene Ground Launches Small Diameter Glide-Bomb ist eigentlich eine Bombe für den internen Waffenschacht der F-22 und F-35. Die hat man für die Ukraine auf eine HIMAR-Rakete geschnallt, kurz getestet und dann der Ukraine übergeben. Die haben die dann mal im Einsatz gehabt und schnell gemerkt: "Das bringts nicht!" Und wie ein Analyst dann sagte: "Die sind im Krieg und haben keine Zeit für Experimente. Wenn was nicht funktioniert, kommt es ins Eck." Die Probleme beim MLRS-Verschuss der Gleitbombe sind wohl die enorme Beschleunigung beim Start und die Elektronik ist dafür wohl nicht ausgelegt. Und die Waffe hat NUR GPS als Zielsucher und wenn GPS dann gestört ist? Dann war es das.
Hier ist dann auch interessant, dass die F-16 sicherlich mit einem ganzen Stapel lasergelenkter Bomben geliefert wurden und mit Targeting Pods und wenig Aufwand ist dann GPS-Jamming auch kein Thema mehr. Plus: Die Ukraine ist mittlerweile recht gut darin, die Jammer auszuschalten. Home-On-JAM ist eben auch ein vorhandener Zielmodus für Waffen wie HARM und diverse andere Dinge, die "Bumm" machen.
Fussballgott hat geschrieben: ↑11.07.2024, 09:12
Da das Abräumen der S3-500 ja offenbar gut funktioniert hat, kann es ja eigentlich ganz so schlimm (noch?) nicht sein, oder?
Für HIMARS gibt es alle möglichen Typen von Raketen und manche davon haben und nutzen GPS, andere nicht. Selbst mit GPS ist das dort dann ein Modus von mehreren und ohne geht es dann auch. Zudem werden weichgepanzerte Ziele wie Flugabwehrstellungen gerne mit einer ganzen Salve Raketen mit Mix aus Unitary-Warhead und Cluster-Munition angegriffen und da reicht dann auch eine Genauigkeit von einem halben oder ganzen Fußballfeld.
Zur russischen Luftabwehr auch noch zwei interessante News aus den letzten Tagen: NATO F-35 sind ja mehrmals nahe an Kaliningrad und auch der Krim oder der russischen Küste am Schwarzmeer entlang geflogen. Die F-35 ist EXTREM gut darin, EM-Emissionen aufzufassen und klassifiziert dann automatisch die erkannten Emitter und misst diese ein. Früher brauchte man drei F-16 (oder vergleichbar) über die Karte verteilt, die das einmessen. Das kann dann durchaus mehrere Minuten dauern. Eine
F-35 macht das automatisch, schneller, genauer und auf größere Distanz. Aber: Im letzten Jahr hat man immer wieder mal geschaut, was die Russen wo an EM-Emittern und Radaren stehen haben und hat dann Signale gefunden, die noch nicht in der Datenbank der F-35 waren und dann schnell per Software-Updates nachgerüstet wurden. Eben weil die Russen auf einmal Modis einsetzten, die wohl bislang nur für den Kriegsfall reserviert waren und die man im Westen so noch nicht gesehen hatte. Und das Wissen ist halt sofort auch innerhalb der NATO durchgereicht worden.
Der andere Punkt: Die Russen haben wohl noch hunderte S-300 und S-300V eingelagert. Aber teilweise seit Jahrzehnten unter freiem Himmel. Da ist noch Elektronik aus den 1970'ern und frühen '80'ern drin. Also Amstrad-Level Geraffel. Zum einen gibt es da keine Teile mehr für, noch Leute, die das reparieren und bedienen können. Es gibt Leute, welche die SAT-Bilder dieser Lager auswerten und die haben dort in den letzten zwei Jahren kaum Bewegungen gesehen. Was halt darauf hindeutet, dass der Kram tatsächlich Schrott ist.
Stattdessen hat man
das hier gesehen. Die Russen haben 11 von 17 Luftverteidigungsstellungen in Fernost komplett blank geräumt und auch den Rest schwer ausgedünnt. Plus: Neubauten von S-300/S-400 oder gar S-500 (war bislang ein Unikat!) gibt es wohl auch keine oder nur in so geringer Stückzahl, so dass es nicht ins Gewicht fällt. Bei Bauzeit von 2-2.5 Jahren für S-400 ist das zu erwarten. Indien hat mehrere (hab die genaue Zahl vergessen) bestellt und bekam wohl schon mitgeteilt, dass die Russen erstmal "Eigenbedarf" angemeldet haben.
Noch eines: Mit den F-16 kann man erwarten, dass die Ukrainer dann auch HARM-Modis nutzen können, die vorher beim Einsatz aus der Su-27/MiG-29 nicht möglich waren. Dann "platzt" den Russen das Zeugs noch öfter.