Beschaffungsdramen:
Laut Bild will Deutschland eine „dreistellige Nummer an PzH2000 Laufen“ an die Ukraine liefern. Auslieferung 2024-2029. Rheinmetall war ja sowieso komplett aus dem Häuschen, dass die Ukraine teilweise 20.000 Schuss und mehr aus Läufen rausgejagt hat, die auf 2000 Schuss ausgelegt sind. Dementsprechend abgenudelt und teilweise auch außer Gefecht sind einige der ukrainischen PzH2000 auch jetzt. Die Läufe zu fertigen ist recht komplex und aufwändig, von daher hat die BW wohl schon Läufe von eigenen PzH2000 abgeschraubt und in die Ukraine schicken müssen und Rheinmetall hat entsprechend die Produktion angekurbelt, um den Bedarf irgendwie ein wenig decken zu können.
Aufrüstung in Deutschland: Um auf das militärische Niveau von 2004 zu kommen, braucht die Bundesregierung bei Kampfjets noch 15 Jahre, bei Panzern 40 Jahre, bei selbstfahrenden Haubitzen 100 Jahre. So zumindest NTV. Das ist sicherlich nicht übertrieben, auch wenn man bei den Zahlen von 2004 bei NTV die OSZE-Zahlen zu Grunde legte. Also was an Großwaffen in Deutschland (auch bei "der Wirtschaft“) rumstand – und nicht unbedingt das, was die BW wirklich im Bestand hatte.
Schweden hat ein Rüstungspaket von 443 Mio USD durch sein Parlament gepeitscht. Alles Zeugs für die Ukraine. Interessanterweise sind da auch Ersatzteile für die Gripen mit drin. Also den schwedischen Kampfflieger, den die Ukraine noch nicht hat. Der Punkt ist der: Die Gripen wäre für die Ukraine IDEAL. Am besten das E-Modell. Kann alle westlichen Waffen tragen, kann von Straßen aus operieren und die Logistik und Wartung ist auf LKWs aufgesattelt. Am heimischen Horst docken die an die Hangars an und ansonsten bei Einsätzen auf improvisierten Flughäfen stehen die irgendwo im Gebüsch. Das Problem ist eben, dass Schweden keine Gripen abzugeben hat und erst recht keine E-Modelle. Die müssten erst noch gebaut werden. Und das ist gerade der Punkt bei diesem Beschaffungspaket:
Schweden stellt da Mittel bereit, damit die eigene Wirtschaft schon mal die Teile bestellen kann, die man braucht, um in Zukunft die Gripen für die Ukraine zu bauen. Der schwedische Verteidigungsminister sagte dann auch: Zum jetzigen Zeitpunkt würde eine Einführung der Gripen bei der Ukraine sowieso keinen Sinn machen, weil die noch mit der Einführung der F-16 vollends beschäftigt sind. Das wäre eher später von Relevanz. Eben dann (so in zwei Jahren oder mehr), wenn die Schweden die Flieger zusammengepuzzelt haben.
Letzter Punkt zum Thema: Ukrainische Versorgungslage bei Luft-Luft-Raketen und S-300 Raketen ist recht mau. An die MiG-29 und Su-27 kann man keine westlichen Luft-Luft-Raketen dranhängen, ohne da extrem am Flieger basteln zu müssen. Radar und Feuerleittechnik sind einfach nicht kompatibel. Selbst IRIS-T oder AIM-9X (beide Infrarot) geht nicht wirklich und man kann davon ausgehen, dass man es zumindest versucht oder sich genau angesehen hat. Was die Ukraine braucht, sind Wympel R-27 (AA-10 „Alamo“) Raketen. Und die gibt’s eben nur aus Russland. Die Ukraine ist mit ihrem Bestand fast durch und alle, die was abgeben konnten und wollen, haben schon R-27 an die Ukraine abgegeben.
Ähnlich steht es bei Raketen für die ukrainische Flugabwehr aus. Also für deren S-300 (SA-10, SA-12, SA-20) und BUK (SA-11, SA-17). Man hatte einige BUK zu FrankenSAMs umgebaut, damit sie US-amerikanische SeaSparrow-Raketen verschießen können. Dafür gibt es weltweit noch genug Raketen, da viele Marinen die noch einsetzen und die Rakete mit ziemlich vielen Radarsystemen klarkommt. BUK ist eher für den mittleren Entfernungsbereich: 10-25km je nach Version und da passt das durchaus mit der SeaSparrow.
Die ukrainischen S-300 (verschiedene Typen) hatten Raketen für bis zu 150-200km. Russland selbst hat da für seine S-300/400 auch Raketen, die bis zu 400km können, aber die haben sie bislang nicht exportiert. Die Ukraine ist mit ihrer Munition für die S-300 fast durch und alle, die liefern konnten und wollten haben es bereits getan. Da ist bald Schicht im Schacht und die S-300 lässt sich nicht mal eben auf Patriot-Raketen oder SM-2 oder sonst was umrüsten.
Die Lösung: Raytheon hat angekündigt, Raketen für die Ukraine zu bauen. Nicht direkt unlizensierte Kopien der R-27 oder der 9M83. Aber man hat sich die Pläne und Muster angeschaut und will was bauen, was auf moderne westlichen Komponenten zurückgreift, die Maße und Gewichte der R-27 und der 9M83 einhält und ohne Modifizierung an russischen Fliegern (die R-27) oder in S-300 eingesetzt werden kann. Nur die "Schnittstelle" zum Flieger oder zur SAM "spricht russisch" und der Rest ist halt "Made in USA". Mit dem entsprechenden Leistungszuwachs und einem Stand der Technik, der locker 35-40 Jahre weiter ist, als das, was die Russen selbst verbaut haben. Vorteil: Keine Umbauten an Su-27, MiG-29 oder S300 nötig.
Und: Es gibt neben der Ukraine sicherlich noch genug andere Export-Kunden, die den Kram mit Kusshand nehmen. Eben weil sie selbst noch genug Waffensysteme im Einsatz haben, die das Zeugs brauchen. Darunter auch einige NATO-Partner wie zum Beispiel Polen (MiG-29) oder einige andere ex-Ostblock-Staaten und sogar Griechenland, die auch noch S300 rumstehen haben.
Frontverlauf Ukraine:
Sowohl In Kursk als auch in Donezk gab es durchaus Frontveränderungen und nicht unbedingt zu Gunsten der Ukraine. In Kursk gab es zwei massive Gegenangriffe der Russen und die Ukraine hat an einer Stelle rund 5 km aufgegeben, um die Front zu konsolidieren. In dem Bereich, in dem man neulich die ganzen Brücken (auch die Ponton-Brücken) zerschmissen hat? Dort gab es den zweiten größeren Gegenangriff der Russen und mechanisierte Kräfte haben da wohl den Fluss überquert.
Bei Prokrovsk im Donbass (wichtiges Logistik-Zentrum der Ukraine) ist die Lage weiterhin angespannt, aber stabil. Den Frontbogen bei Shumy, den die Ukraine geräumt hat? Den haben die Russen dann fix besetzt:
Generell hat die Ukraine zwischen Shumy, Spirne und Bilohoriwka (bei Sjewerodonezk) in den letzten sieben Tagen Boden aufgeben müssen, aber da sind bestenfalls Äcker und ein paar kleinere Dörfer und das ist da nicht so dramatisch. Wichtig ist, dass Prokrovsk gehalten wird, denn sonst fällt die Logistik für einen breiten Frontbogen bis Kramatorsk weg, weil da sonst keine Straßen in Ost oder Nord-Ost-Richtung sind.
Zum Aufmarsch der Truppen in Weißrusslands an der ukrainischen Nordgrenze: Ein Analyst merkte an, dass die regulären Truppen Weißrusslands generell nur 30% Sollstärke haben und man hat für die "Übung" dort auch keine Reservisten in nennenswerter Anzahl einberufen. Das deutet eher auf ein Schaulaufen und eine "Drohkulisse" hin. Auch um Russland zu zeigen "Vladi, wir tun ja was!" und um im gleichen Zug der Ukraine zu sagen "Jungs, solange wir die Reservisten nicht einberufen? So lange ist das nur Show. Also keine Panik."
Edit: Eines noch zu Drohnen und der damit verbundenen Innovation auf dem Schlachtfeld:
Hier hat man eine Panzerhaubitze quasi eingegraben und die Besatzung schießt per Zug am langem Seil aus dem Erdbunker.
Eben weil die Dinger für FPV-Drohnen und Lancets ein gefundenes Fressen sind. Und da muss man dann auch mal wieder die Kosten-Nutzen-Frage stellen: Eine Panzerhaubitze kostet einige Millionen. Eine dumpfe stupide 155mm-Granate kostet das Stück rund 2000 Euro. Gerne auch mehr, wenn "Komplikationen" drin sind. Wie GPS, Bottom-Bleed oder Rocket-Assist, Steuerflächen und die Logik dafür. Eine FPV-Drohne kostet zwischen 200-500 USD und man kann davon auch in verteilten Hinterhofwerkstädten beachtliche Stückzahlen pro Monat mit wenig Aufwand herstellen.
Artillerie war lange der König des Schlachtfeldes, aber die Ära neigt sich (zumindest bei Rohr-Arty) gerade mit rasanten Schritten dem Ende zu. Selbst wenn die Arty 60-90km weit schießen kann? Dann ist sie noch immer in Reichweite von Drohnen und kann prima von denen aufgeklärt und aufs Korn genommen werden. Solange gegen Kleindrohnen kein Kraut gewachsen ist, wird sich das auch nicht ändern. Und gleiches gilt auch für anderes Großgerät, welches an vorderer und vorderster Front eingesetzt wird.