Klar, was da jetzt so fliegt, das ist Bastelstunde, "Jugend Forscht" und "Versuch und Irrtum". So einige von den Kleindrohnen der Ukraine haben sich so bewährt, dass man die Dinger regelrecht in Serie rausknallt. Zwar in Hinterhöfen und Klitschen gebaut, aber stapelweise mit Teilen, die man jeweils in "Verpackungseinheit: 40-Fuß-Container" bestellt hat. Diese Drohnen sind in der Ukraine mittlerweile so proliferiert, dass fast jede Einheit bis auf Kompanie-Ebene runter was hat. Plus dann nochmal die dedizierten Drohnen-Einheiten, die nichts anderes machen. Und der stetige Nachschub von den Dingern ist auch gesichert.|MURDOCK| hat geschrieben: ↑12.09.2024, 20:58Weiß ja nicht, ob es sich wirklich in Richtung Drohnen entwickelt.
Wenn du da eine vernünftige aufgestellte Armee hast mit ordentlich Artillerie, dann putzt die den Radius in dem sie wirken kann aber ordentlich leer. Ich rede jetzt von dem präzisieren Westzeug. Dann noch anständige Luftverteidigung im Nahbereich und entsprechende Luftunterstützung.
Das, was man da gerade sieht, ist doch eher aus der Not heraus geboren und Not gegen Elend.
Oder übersehe ich da einfach was?
Klar, du hast natürlich da noch die ganzen anderen dedizierten Waffen und da wird auch alles genutzt, was da ist. Nimm mal klassische infanteristisch geschleppte Panzerfaust:
NLAW: 12,5 Kilo
Panzerfaust 3: 15,6 Kilo
Javelin: 22,3 Kilo
Die Menge, die ein Zug da mitschleppen kann ist demnach recht beschränkt. Und wenn man die Wahl hat eine einschüssige "vernünftige" 15-22kg Waffe zu wuppen? Oder lieber einen Six-Pack Drohnen im Rucksack zu haben, die dann sogar noch weniger wiegen und weniger Platz wegnehmen und auch für einen "Mission-Kill" ausreichen können? Von den Kosten mal nicht zu reden. Letztere sind dem Infanteristen natürlich egal, aber im Endeffekt sorgt das schon dafür, dass er entweder 'ne 249.000 USD Javelin haben kann, die für einen Schuss gut ist. Oder der Dienstherr kann fast 1000 Drohnen zum selben Preis bekommen und davon hat die Einheit (und andere) dann deutlich mehr Nutzen.
Man muss aber auch mal sehen, was abseits der Bastelstunden so verfügbar ist:
Switchblade 300
Switchblade 600
Und selbst die sind schon ein alter Hut und seit rund 2011 im Einsatz. Wie üblich bei professionell gefertigten Waffen sind die Dinger verhältnismäßig teuer, weil sie sowohl lange Lagerzeit als auch wochenlanges rumwuppen und harschen Umgang und Einsatz in Arktis, Tropen-Sümpfen und Wüsten wegstecken sollen und müssen. Und vermutlich auch noch alle möglichen Zertifizierungen und Unbedenklichkeitserklärungen haben mussten, die für Waffen als auch für Fluggeräte so gelten. Die Switchblade 300 soll so um die 50.000 USD pro Einheit kosten. Dafür bekommt man dann auch 200x "Bastelstunde", wenn man es wie die Ukraine selbst zusammen frickelt.
Aber: Der Trend geht eben auch zu vernetzten Drohnenschwärmen. Ich kanns gerade nicht finden, aber da gibt es ein schönes gerendertes Demo-Video, wo ein kleiner MLRS-Werfer auf der Ladefläche eines Toyotas ein dutzend MLRS-Raketen startet und damit einen Drohnenschwarm irgendwo 10-20km entfernt im Zielgebiet aussetzt. Der schwebt dann da rum und wartet auf Ziele und wenn der was findet (autonom oder von einem Operator gelenkt), regnen die Dinger im Verbund oder einzeln ab und machen alles platt.
Das sind alles Dinge, die mit heutiger Technik schon gehen und die sicherlich auch schon irgendwo im Labor, in Testzentren oder vielleicht sogar schon irgendwo im Schuppen stehen. Wie schlecht selbst erstklassige Armeen schon gegen 08/15-Hobby-Drohnen aufgestellt sind, sah man ja auch als die Israelis in Gaza rein sind. Die kolumbianische Polizei und Militärs sehen das auch gerade, weil die FARC wohl auch mal schlau geworden ist und jetzt Drohnen für Terroranschläge einsetzt und damit Patrouillen-Fahrzeuge, Militärposten oder Polizeistation ansprengt.
Das Thema nimmt leider noch keiner ernst genug und gegen solche Drohnenschwärme hilft derzeit nur Gepard, Skyguard oder vergleichbares. Und das muss eben mobil sein, überall mit der Truppe hin mitkönnen und dann auch in Stückzahlen da sein, die erheblich über die 18 Stück hinausgehen, welche die BW gerade anschaffen darf. Und dann sind das noch immer fette und teure Geräte, die gut sichtbar auf freiem Feld stehen und selbst einen guten "Magneten" für alles an Feindmunition abgeben, was der so im Arsenal hat. Die Israelis graben auch gerade wieder die M113 mit der 20mm Vulcan-Kanone und dem aufgeschnallten Radar aus, die seit Vietnam bei den USA (und anderen) für Luftnahverteidigung gedacht war. Eben weil man sonst (derzeit) noch nichts brauchbares gegen Drohnen hat. Trophy wäre da auch Overkill und müsste so sensibel eingestellt werden, dass mit Fehlauslösungen zu rechnen ist, wenn da mal eine Taube oder Möwe am Panzer vorbeifliegt.
Glaub ich nicht. Ich denke das mit den Klein- und Kleinstdrohnen wird noch massiv zunehmen und der Trend wird auch im infanteristischen Bereich von dedizierten Panzerabwehrwaffen weggehen. Sicherlich nicht komplett, aber hoffentlich als Ergänzung. Klar: Javelin ist an sich für ALLES der reinste Overkill und eben dafür ausgelegt, dass auch ein Wachsmalstift-fressender Analphabet die einsetzen kann. Da muss schon einiges schief laufen, dass man damit NICHT trifft und das Ziel NICHT komplett in Fetzen fliegt. Das hat eben auch sein fettes Preisschild umhängen und man kann nicht so viele davon mitnehmen, wie man eigentlich gerne hätte. Und die typischen "man portable Anti-Tank" Waffen haben alle eine (effektive) Reichweite, die irgendwo so zwischen 2-4 km liegt und selten mehr. Da bist du schon mit einer Keinstdrohne, die 15-20 Minuten Flugzeit und 80-120 km/h Geschwindigkeit hat flexibler aufgestellt. Selbst wenn du kein Ziel damit findest? Dann holst du das Drecksding zurück, lädst den Akku wieder auf (oder tauschst ihn aus) und hast wieder was in der Hand. Gerade die Wiederverwendbarkeit macht es eben auch interessant, dass Ding mal "nur" zur Aufklärung der Lage oder "aus Verdacht" zu starten.
Der große Unterschied ist eben noch die Geschwindigkeit. Eine Rakete fliegt schneller, als eine Drohne. Dafür aber auch nicht so weit. Aber: Mit genug Drohnen siehst du den Gegner auch früher und musst ihn nicht so nah ranlassen, dass du schon in seiner Feuer-Reichweite bist und nur noch eine Panzerabwehr-Rakete schnelle Abhilfe schafft.
Wart' mal ab. Früher oder später kommt die Ukraine mit Drohnen an, denen man "Stinger", "Starstreak" oder ähnliches angeschnallt hat. Das war auch einer der Spekulationen beim Abschuss der Su-30 neulich. Eine mittelgroße Drohne oder gleich eine Baba-Yaga mit ordentlich Flugzeit und Traglast irgendwo in der Schneise geparkt, welche die Russen für Hubschrauber oder Kampfjets nehmen? Früher oder später hat man damit mal Glück. Und wenn nicht? Dann holt man das Ding wieder zurück und versucht es später nochmal.
Unterm Strich: Beim Kosten/Nutzen-Faktor und gerade auch Verfügbarkeit sind diese durchaus primitiven Drohnen derzeit den dedizierten Waffen haushoch überlegen. Natürlich halten die nicht so lange, sind relativ primitiv und haben weniger "Bums". Aber selbst wenn das professioneller angegangen wird? Für eine Javelin bekommst du fünf Switchblade-300. Und wie gesagt: Selbst das ist schon fast antike Technik auf iPhone 4 Niveau. Im Prinzip läuft es auf das selbe hinaus, wenn sich ein russischer Panzer, BMP, BTR oder auch ein westliches Fahrzeug wie eine PzH2000 oder ein Leo eine Drohne einfängt? Dann hat man mit einem Bruchteil der Kosten einer typischen Panzerabwehr-Waffe denen mal mindestens den Tag versaut und die Mission ist für die Jungs vorbei. Wenns dumm läuft? Dann ist für die Besatzung nicht nur die Mission vorbei.
Von daher denke ich, dass in etwa 10 Jahren die klassische Rohr-Arty (und auch andere Großgeräte) immer deutlich erkennbarer zum Altertümchen werden. Und auch, dass man bei Panzerabwehr-Waffen von Geschwindigkeit auf mehr "Loitering-Time" und Reichweite setzt und es da einen Mix aus klassischer Rakete und sowas wie Mörser- oder Rocket-Assist gestarteter Loitering-Munition geben wird. Infanteristisch werden Drohnen früher oder später auf die Größe einer Handgranate schrumpfen und fast ebenso leicht zu bedienen sein. Wegzudenken sind sie jedenfalls nicht mehr und man kann nur jede Armee mitleidig belächeln, die diesen Trend verschläft.