Im Kern bin ich da voll bei dir, allerdings gibt es da den kleinen Unterschied, dass eine Regierung jede Staatsanwaltschaft zurückpfeifen kann, wenn sie das denn möchte. Die Staatsanwaltschaften sind nachgelagerte Behörden der Innenministerien und somit Teil der Exekutive. Umgekehrt können Regierungen Staatsanwaltschaften aber aktiv auf die Opposition ansetzen und das passiert natürlich auch (ganz besonders seitdem die sich ihren Politikerbeleidiungsparagraphen geschaffen haben). Ein Herr Krah hat dann mal schnell eine Hausdurchsuchung an der Backe (nicht wegen Beleidigung), so wie vor ihm auch schon dutzende andere oppositionelle Stimmen. Wer im Strafrecht verfolgt wird ist in Deutschland faktisch eine Angelegenheit der Exekutive, jedenfalls bei all den Personen, wo etwas politisch wirkmächtig wird oder werden kann.Toska hat geschrieben: ↑15.05.2024, 17:21Wie gesagt: Auch ich nehme aus meinem persönlichen Empfinden heraus in diesem Fall bei Höcke Vorsatz und volles Wissen um sein Handeln als gegeben an. Ebenso wie ich es als komplett gegeben annehme, dass Olaf Scholz sich eben doch bei CUM-EX genau erinnert, was er wann gemacht hat. Selbstverständlich muss er sich nicht selbst belasten und hat ein Aussageverweigerungsrecht und auch da liegt die Beweislast bei der Staatsanwaltschaft.
Das ganze Spiel ist im Grunde genommen das vollkommene Gegenteil von der Erzählung wie so ein toller Rechtsstaat doch eigentlich funktionieren sollte.
Im übrigen bin auch ich der Meinung, dass dem Höcke dieser Satz nicht zufällig rausgerutscht ist. Die AFD ist im Spektrum der in den Parlamenten vertretenen Parteien nun mal die Partei, die am weitesten rechts steht und natürlich fischt man dann auch die extremen Ränder ab. Das war noch nie anders. Umgekehrt hat eine linke Partei dann auch ihren stalinistischen Flügel. Kann man scheiße finden, ich finde es im Kern aber eher irrelevant, weil geben tut es diese Leute halt und zumindest ich sehe nicht, dass man dort irgendwelche Mehrheiten finden kann, die ausreichend groß sind, um das Land zu kippen. Der Extremismus der vermeintlichen Mitte erscheint mir da deutlich bedrohlicher, eben weil daraus solche Urteile entstehen und Menschen mit völlig unverhältnismäßigen Aktionen verfolgt und drangsaliert werden und sie dafür tatsächlich sogar Mehrheiten haben.
Der Vollständigkeit halber hier der Kommentar von seinem Anwalt Vosgerau zum Urteil:
Quelle habe ich von Twitter:+++ Zum Ausgang des Höcke-Prozesses +++ eindeutiges Ergebnis der Beweisaufnahme, aber Tatsachen spielten keine Rolle +++ "in dubio pro reo" auf den Kopf gestellt +++ nun ist der Bundesgerichtshof am Zug
Björn Höcke wurde zu 100 Tagessätzen à 130 Euro verurteilt. Herr Vosgerau, Sie haben Ihn vor Gericht vertreten. Sie hatten auf Freispruch plädiert. Höcke erhielt keine Gefängnisstrafe. Sind Sie zufrieden mit dem Urteil?
Ulrich Vosgerau: Eine Gefängnisstrafe kam nie in Betracht, da Björn Höcke nicht vorbestraft ist. Trotzdem ist das Urteil ein Skandal, daß kann man gar nicht klar genug sagen. Der Vorsatz wurde nicht erwiesen, sondern unterstellt. In der Sache ist das die Umkehrung der Unschuldsvermutung.
Wie bewerten Sie den Prozeß? Den Umgang mit Ihrem Mandanten und Ihnen als Anwalt?
Vosgerau: Wir haben klar beweisen können – durch Einführung der Fachliteratur zur SA sowie zur Sprache und Symbolsprache der Nationalsozialisten – daß die seinerzeit durch das Oberlandesgericht Hamm in die Welt gesetzte Annahme, es handele sich bei der Formel „Alles für Deutschland“ um das Motto oder eine ansonsten wichtige Losung gerade der SA, unhaltbar ist. Das Gericht hat diese klar widerlegte Annahme dennoch als Tatsache zugrundegelegt und Höcke dann auch noch Kenntnis von der vermeintlichen Tatsache unterstellt. Die mündliche Urteilsbegründung lief im wesentlichen darauf hinaus, man glaube Höcke nicht. Er wurde also verurteilt, weil er angeblich Kenntnis von einer Tatsache gehabt habe, die es also solche gar nicht gibt.
Weil er Geschichtslehrer ist?
Vosgerau: Nein, diese ursprüngliche, wirklich groteske Linie, daß das Auswendiglernen wirklicher oder vermeintlicher NS-Parolen Schwerpunkt des Geschichtsstudiums wie des Schulunterrichts an Gymnasien sei, hat man dann wohl doch fallengelassen. Statt dessen soll Höcke von anderen AfD-Politikern, wie z.B. Ulrich Oehme, alle Einzelheiten der Auslegung des Paragraphen 86a Strafgesetzbuch erfahren haben. Wenn man dies aber vermutet, dann hätte man den als Zeugen laden und befragen müssen, ob er je mit Höcke gesprochen hat und wenn ja, worüber. Höcke hat glaubhaft kundgetan, daß er Oehme nicht näher kennt. Das Gericht meint aber: nach aller Lebenserfahrung würden die beiden sich kennen und sich, obwohl beide keine Juristen sind, ständig über Einzelheiten der Auslegung des Strafgesetzbuches unterhalten.
Hatten Sie diesen Ausgang erwartet?
Vosgerau: Nein. Denn es war von Anfang an klar, daß die Staatsanwaltschaft den Vorsatz nicht würde nachweisen können. Und nach der wirklich sehr eindrucksvollen, anderthalbstündigen Anhörung unseres Sachverständigen Karlheinz Weißmann wurde überdies klar, daß es bereits den objektiven Tatbestand gar nicht gab. Höcke konnte über die vermeintliche „Losung der SA“ schon allein deswegen nichts wissen, weil es hier nicht zu wissen gab. Allenfalls hätte der theoretisch darüber informiert sein können, daß das Oberlandesgericht Hamm die Formel „Alles für Deutschland“ im Jahr 2006 einmal irrtümlich zur „Losung der SA“ erklärt hat. Das war er aber nicht.
Werden Sie das Urteil anfechten?
Vosgerau: Ja, wir werden vor dem Bundesgerichtshof in Revision gehen.
Nicht in Berufung?
Vosgerau: Es gibt gar keine Möglichkeit, in Berufung zu gehen. Das Urteil wurde von einer großen Strafkammer gesprochen – die für gewöhnlich für Schwerkriminalität, also Mord und Totschlag zuständig sind. Die Staatsanwaltschaft kann jedoch – und tat so in diesem Fall – bei besonderer Bedeutung auch andere Verbrechen vor der großen Strafkammer eines Landgerichtes anklagen. Das halte ich übrigens für verfassungswidrig, weil die Staatsanwaltschaft so in die Lage versetzt wird, einen politisch unliebsamen Angeklagten wie Björn Höcke dem gesetzlichen Richter zu entziehen und ihm zugleich die zweite Tatsacheninstanz, eben die Berufungsinstanz, zu rauben. Dabei wäre die wäre hier besonders wichtig, weil das Landgericht eben seine Urteilsfindung hier auf die Prämisse gestützt hat, daß Tatsachen bei der Verurteilung keine Rolle spielen müssen.
Wie wird der Prozeß der Revision dann aussehen?
Vosgerau: Wir werden binnen einer Woche Revision einlegen, dies macht man beim Landgericht selbst. Zur Begrünung der Revision müssen wir zunächst auf die schriftliche Urteilsbegründung warten, das wird hier einige Wochen dauern. Dann wird das Urteil durch den Bundesgerichtshof auf Rechtsfehler geprüft.
Die Fragen stellte Sven Versteegen
https://twitter.com/UlrichVosgerau/stat ... 1434002849