VdL: Volksverdummung mit Helikopter-Deal

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VdL: Volksverdummung mit Helikopter-Deal

Beitrag von Toska » 27.11.2014, 10:00

Das ehemalige Nachrichten-Magazin betätigt sich mal wieder als Flurzeitung des Propaganda-Ministeriums und titelte:

Bundeswehr: Von der Leyen beendet Hubschrauber-Chaos
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 05198.html

Das ist 'ne ziemliche Frechheit, was die da abziehen. Sowohl Spiegel als auch Verteidigungsministerin VdL. :evil:

Kernpunkte des neuen Deals mit Airbus / Eurocopter:

Die 22 sowieso noch bestellten NH90 werden geliefert. Sollen dann in Deutschland stationiert und mit Bündnispartnern im Einsatz geteilt werden. Will ich mal sehen, wie die Belgier im Kongo und die Franzosen in Mali (oder sonstigen Kriegsgebieten) mit deutschen Helikoptern fliegen. :wink:

Es sollen 11 weitere Tiger Kampfhubschrauber eingekauft werden. Ein Ersatzteil- und Logistik-"Paket" dafür wurde aber abbestellt. Um die total desolate Ersatzteil-Situation der Tiger zu befriedigen, sollen dafür 11 Tiger aus dem Bestand der BW zu Ersatzteil-Spendern verwurstet werden, da die früheren Modelle sowieso nur für weitere Millionensummen auf halbwegs einsatzfähigen Stand gebracht werden könnten.

Da die Bundesmarine in Sachen Hubschrauber derzeit total in die Röhre schaut und selbst für Prestige-Projekte daheim (Hamburger Hafenjubiläum oder Kieler Woche) nichts flugbereites hat, soll die 2011 abgeblasene Ausschreibung für 18 Stück NH90 "Sea Lion" erneuert werden. Damit soll sowohl die Seenotrettung in Nord- und Ostsee (derzeit mit geleasten Zivil-Hubschraubern abgewickelt) als auch Tender und Fregatten bestückt werden. Aufgabenspektrum: Seenotrettung, U-Boot Bekämpfung und Sensoren-Plattform für die Fregatten, die ohne Hubschrauber vom Design her sonst kastriert sind.

Und das ist der Skandal schlechthin. Da kann der Staatsanwalt schon mal warmlaufen, denn das wird Tote geben.

Mal vorneweg: Mit "Seelöwen" betitelten Projekten hat sich noch keine deutsche Marine besonders hervor getan. Dieser hier wird ebenso ein Reinfall werden. Der Grund dafür?

Der MH90 hat (wie sich beim Flugunfall in Temez gezeigt hat) diverse Probleme. Nicht nur rostet er extrem schnell. Nein, die Triebwerke dürfen nach dem Ausschalten nicht innerhalb von 3h wieder (wie in Temez) angefahren werden. Sie kühlen nach dem Abschalten ungleichmäßig aus, so dass sich die Turbinenwelle verzieht. Beim Wiederanfahren ohne ausreichend lange Abkühlzeit fressen sich dann die Schaufeln in das Turbinengehäuse. Mit "Glück" kommt es dabei nur zum Triebwerksausfall und Feuer. Im schlimmsten Fall fliegt einem das Ding um die Ohren. In Temez kam dann noch hinzu, dass nach dem pyrotechnischen Auslösen des Feuerlöschers die komplette Bord-Elektronik verrückt spielte und nichts mehr ging: Kein Funk, keine Navigation, kein Radio, keine Multifunktions-Displays. Laut Bundeswehr sind das zwei unabhängige Fehler, die nichts miteinander zu tun haben. Tatsächlich sickerte aus dem Umfeld der BW durch, dass die Platinen und die Verkabelung in der Overhead-Konsole des Cockpits zu schwach ausgelegt sind. Fällt ein Generator aus, so schmort der Mist komplett durch. Der Geschwader-Kommodore saß selbst am Steuer und hat das Ding mit den mechanischen Notfall-Instrumenten und "Gefühl Marke Hosenboden" (plus tausende Stunden Flugerfahrung) irgendwie noch in Temez auf die Rampe geknallt, ohne dass dabei Totalschaden entstand. Beim Ausfall der Elektrik fuhr zudem noch die Heckklappe des NH90 von selbst auf und verhielt sich wie ein riesiges Windsegel. Das ganze passierte Tagsüber, bei gutem Wetter und direkt über dem Flughafen und mit einer extrem erfahrenen Crew, die zudem mit dem NH90 voll vertraut war. Soviel Glück wird man nicht immer haben.

Der NH90 in der Transportversion oder wie der MedEvac (beim Temez-Unfall) ist zulassungstechnisch ein Hubschrauber der Kategorie B, Klasse II. Fällt ein Triebwerk aus, so kommt er (selbst im Bodeneffekt) mangels Leistung sofort von ganz alleine runter. Egal wie, denn es fehlt die Power für den Schwebeflug mit nur einem Triebwerk. Selbst bei Absprengen der Winde, Abwurf aller Aussenlasten und Notablass des Treibstoffs hat er keine Reserve um zu Schweben oder eine Dreipunkt-Landung hinzulegen. Stattdessen wird er dann ähnlich wie ein Flugzeug auf einer Piste gelandet und braucht rund 300 Meter Rollweg, bis er steht. Oder er klatscht halt am Ende des Auftriebs ziemlich unsanft auf den Acker. Eine Landung auf einem Acker kann man sich dann auch gleich abschminken, da die Räder einsinken und/oder bei einer Bauchlandung sowieso ein Überschlag vorprogrammiert ist.

Marine-Hubschrauber MH90 Sea Lion: Der kann alles schlechter, als ein 35 Jahre alter Sea King oder ein Lynx. Weniger Reichweite, weniger Zuladung, weniger Platz für Sensoren. Mit U-Jagd-Ausrüstung hat er schon ohne die üblichen zwei Torpedos als Außenlasten (oder zwei Wasserbomben) 113% maximales Abfluggewicht bei vollen Tanks überschritten. Mit einem Torpedo Zuladung dann 138% Überladung bei vollen Tanks. Kann also nur mit weniger Sprit starten, obwohl seine Reichweite sowieso schon geringer ist, als die des Sea King. Schwebeflug mit Dip-Sonar dürfte bei der Zuladung auch extrem riskant sein. Kommt es in 30 Metern Höhe zum Triebwerks-Ausfall, hat die Crew keine Zeit mehr, noch irgendwas abzuwerfen oder abzulassen, bevor sie im Bach landet.

Wenn auf hoher See bei einem Sea Lion ein Triebwerk ausfällt, hat kein Flotten-Tender und keine Fregatte die 300 Meter Rollweg, welche die Kiste braucht. Nach spätestens 30 Metern steht der im Hangar. Egal ob Tor auf oder zu. Wenn er es noch zurück zum Schiff schafft.

Der absolute Gag: Mit ziviler Zulassung dürfte der NH90 in Deutschland (über Land) in so gut wie keiner Rolle fliegen und auf See schon dreimal nicht. Rettungshubschrauber müssen eine Zertifizierung der Kategorie A haben und auch bei Ausfall eines Triebwerks außerhalb des Boden-Effektes mit voller Zuladung noch Schwebeflug einhalten können. Ist Winden-Einsatz mit Menschen als Last an der Winde vorgesehen, muss ein Hubschrauber zwingen in der Lage sein, auch nach Ausfall eines Triebwerks noch voll funktionsfähig zu sein. Deswegen darf für Rettungsflüge und im Offshore-Betrieb nur Kategorie A, Leistungsklasse 1 eingesetzt werden. Für die "Bürger in Uniform" reicht halt auch ein Dreirad mit angeflantschtem Ventilator. Solange Eurocopter dransteht.

Der NH90 schafft all dies noch nicht mal leer und kostet "nackt" knapp dreimal soviel, wie vergleichbare Militär-Hubschrauber. Obwohl all diese Punkte schon bekannt waren, bevor die ersten Vorserien-Modelle auf dem Hof standen, hat man weiterhin an dem Projekt festgehalten. Selbst nach den ersten drei Unfällen mit dem NH90, die weitere Schwachpunkte offenbarten, will man jetzt noch einen draufsatteln.

Und da schreibt der Spiegel dreist: Bundeswehr: Von der Leyen beendet Hubschrauber-Chaos :roll: :lol: :lol: :lol:

Nix da. Das Drama wird noch Jahrzehnte andauern und vermutlich erst beendet, wenn die abzusehenden Unfälle mit Todesfolge sich häufen und mal irgend ein anderer Verteidigungsminister (oder besser noch der Generalinspekteur, der nichts dafür kann) dafür über die Klinge springen darf. Aber der Spiegel wird auch dann wieder die "passenden" Schlagzeilen haben.

Da kann man nicht soviel essen, wie man kotzen könnte. :roll:
Grüße,

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Beitrag von cubi » 27.11.2014, 11:46

Erinnert an den Starfighter! Hat Deutschland in den 60ern und 70ern fast die Hälfte der erfahrenen Kampfpiloten gekostet, nur weil Franz Josef Strauss die Bombe wollte!

BtW, was erwartest du von der Bild am Montag?
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Beitrag von Toska » 28.11.2014, 02:19

cubi hat geschrieben:BtW, was erwartest du von der Bild am Montag?
Komplett nichts mehr. Außer dass sie vielleicht Eduard von Schnitzler ausgraben und als Chefredakteur einstellen. :roll:

Noch'n lustiger Gag zum NH90: Ob er die gesetzlichen Mindestanforderungen für ein Luftfahrzeug erfüllt, soll erst 2018 bei der endgültigen Musterabnahme entschieden werden.

Entwickelt wurde das Ding nach den 1990 geltenden Luftfahrt-Vorschriften für Militär-Gerät. 1996 hat man das mal angepasst. 2008 trat eine neue EU-Richtlinie in Kraft, die Militär-Fluggerät im Prinzip die gleichen hohen Sicherheits-Standards auflegt, wie zivilem Fluggerät. Wenn die also erst 2018 die Musterabnahme machen, kann die nur nach den *dann* geltenden Gesetzen passieren. Da kann man sich dann nicht rausreden, dass zu Entwicklungsbeginn andere Gesetze galten und es halt 28 Jahre dauerte, bis man mal "TÜV-Luft" für das Muster beantragte. Derzeit fliegen die NH90 auch nur mit Ausnahme-Genehmigungen, um das zu umgehen. Nach der derzeitigen Gesetzeslage (EU-Richtline von 2008) hat der NH90 keine Chance unter Einhaltung von Recht und Gesetz zugelassen zu werden.

Ist klar, was dann aus Politiker-Kreisen kommt: "Dann müssen wir das Gesetz halt mal ändern." :lol:

Auf augengeradeaus.net wird dazu in den Kommentaren auch gerade noch 'ne interessante Geschichte postuliert: Der einzige noch halbwegs fliegende Hubschrauber des Heeres ist der CH-53. Das wird sich in Kürze ändern. In der Sitzung von Vorgestern hat man entschieden, Israel 30 CH-53 Rotorköpfe zu schenken. Die hat man in den letzten Jahren für Millionen an Euro renoviert und sind die unverzichtbaren Goldklumpen im Ersatzteil-Lager. Die BW hat nur unwesentlich mehr als diese 30 Stück in der Material-Reserve. Der Klarstand bei den CH-53 dürfte also in Kürze (trotz Kannibalismus) gegen Null gehen. Ein Nachfolgemodell dafür ist derweil noch nicht mal angedacht.

Das wäre ja auch erst in 30 Jahren fertig. :lol:
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Beitrag von Herr Rossi » 28.11.2014, 08:48

Toska hat geschrieben:
cubi hat geschrieben:BtW, was erwartest du von der Bild am Montag?
Komplett nichts mehr. Außer dass sie vielleicht Eduard von Schnitzler ausgraben und als Chefredakteur einstellen. :roll:
OMG, danke Toska... das hat mir einen heiteren Morgen gebracht! :D

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Beitrag von Toska » 05.12.2014, 07:39

Das Thema NH90 hat noch ein paar Zoten geschlagen:

Direkt nach dem Unfall in Termez hat die Bundeswehr nur das Problem mit dem "sich selbstzerlegenden" Triebwerk interessiert, zumal auch den Australiern und Franzosen schon einige um die Ohren geflogen sind. Erst am 14. November wurde dann mal wegen des Schmorbrands im Overhead-Panel im Cockpit geschaut, der für die ganzen anderen Systemversagen (Ausfall der kompletten Elektronik und das Ausfahren der Heckrampe) verantwortlich war.

Bereits vier Tage später verkündete der Flugsicherheitsausschuss zusammen mit dem General Flugsicherheit, dass das Problem mit der verbrannten Platine ein Einzelfall sei und dass keine Gefährdung der gesamten NH90 Flotte besteht.

Das wurde so entschieden, obwohl laut erstem Bericht das Abschaltventil des einzigen noch laufenden Triebwerkes (!) vom Schmorbrand betroffen war und es dadurch zum Ausfall des verbleibenden Triebwerks hätte kommen können. Der General zuständig für die Flugsicherheit ging sogar so weit zu sagen, dass sei Restrisiko und würde in vielleicht 100 Fällen einmal auftreten. Sportliche Aussage, zumal der offizielle Unfallbericht noch nicht vorliegt und frühestens nächstes Jahr kommt. Die Aussagen waren komplett eindeutig und man hat sich keine Tür offen gehalten, wie man das sonst bei noch laufenden Unfall-Untersuchungen macht. Das ist in etwa so, als wenn während eines laufenden Strafverfahrens am Landgericht sowohl der Bundesgerichtshof als auch der Bundesinnenminister schon mal den Freispruch verkünden.

Diese Aussage (und die dann erfolgte Freigabe der NH90-Flotte) kam dann (so'n Zufall) auch unmittelbar vor der Verkündigung des neuen 8 Milliarden Euro Deals zwischen der Bundeswehr und Airbus. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

Auf Augengeradeausnet (Link weiter unten) in den Kommentaren haben mal ein paar Insider und Ehemalige (soweit man das sagen kann) mal gefachsimpelt: Die elektrische und galvanische Trennung von sicherheitsrelevanten Stromkreisen ist für ein Luftfahrzeug absolut zulassungsrelevant und extrem wichtig. Zwei Triebwerke bedeutet zwei getrennte Stromkreise und alles wichtige ist mindestens doppelt vorhanden. Im Normalfall sind die Busse verbunden. Bei Ausfall kritischer Systeme wird automatisch getrennt und man kann mit der verbliebenen Hälfte Notbetrieb machen, ohne dass die defekte Seite da reinfunkt. Das ist auch in der militärischen Luftfahrt Usus und ohne das gibt es definitiv keine Zulassung für den Flugbetrieb oder den "TÜV-Luft" für den Typ.

Anscheinend sind beim NH90 jedoch wichtige Komponenten zusammen mit unwichtigen Komponenten auf der gleichen Platine (Triebwerks-Steuerung zusammen mit Scheibenwischer und Rampensteuerung) und/oder sind zumindest so nahe zusammen verbaut, dass eine gegenseitige Beeinflussung dennoch stattfinden kann. Konkret geht es hierbei anscheinend um einen Notabschalt-Hebel in der Mitte des Overhead-Panels, der an sich erst am Boden (oder kurz vor dem Aufschlag) betätigt werden soll und der bis auf die batteriebetriebenen Notsysteme komplett alles abschaltet. Ist quasi der Not-Aus des NH90. Nur der Verdacht, dass da möglicherweise keine saubere Trennung im Overhead-Panel ist, bzw. ein Ausfall eines Triebwerks auch den Not-Aus aller Systeme im Flug auslösen kann, sollte an sich sofort eine gründliche Untersuchung nach sich ziehen, um das definitiv und nachhaltig zu entkräften. Weil es halt kein Bagatelle ist, sondern ganz fett ins Eingemachte geht und die Flugsicherheit dieses Modells mal eben ganz gravierend in Frage gestellt wurde.

Dennoch war das Thema in vier Tagen ohne genauere Untersuchung sofort vom Tisch. :eek:

Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu ahnen: Diese Entscheidung hatte nichts mit Vorschriften, Gesetzen oder gesundem Menschenverstand zu tun. Sondern ist einzig und alleine der Politik verschuldet, jetzt bitte nicht den nächsten Ausrüstungsskandal der Bundeswehr in die Presse zu rücken und das gleich mal zur Bagatelle abzustempeln. Das wird noch knallen und es werden (irgendwann mal) Köpfe rollen. :roll:

FWIW: Die angesprochenen Kommentare sind hier zu finden und es lohnt sich, ganz vorne anzufangen: http://augengeradeaus.net/2014/11/nh90- ... /#comments
Grüße,

Toska
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