Naja, was Merkel angeht kann man eigentlich nur enttäuscht sein. Tornados und Tankflugzeuge zu schicken? Selbst wenn man den völkerrechtlichen Aspekt mal außen vor lässt. Denn die UN Resolution entbindet einen nicht davon, zunächst bei Syriens Regierung um Erlaubnis zu fragen, bevor man mit Kampfflugzeugen in deren Luftraum operiert. Abgesehen davon: Warum müssen die Tornados ausgerechnet in die Türkei? Hier hätte man ein klares Zeichen setzen können und die Tornados entweder auf Zypern (RAF-Stützpunkt Arkotiri oder auf Papos) stationieren können. Die Tornados der Engländer fliegen von Arkotiri aus. Jordanien ist logistisch weiter weg und war (und ist noch) als zweites Standbein im Gespräch. Warum nicht Israel? Kann keiner erklären. Im Gegensatz zu Jordanien sitzen die Israelis auch mit im EUCOM - wenn auch nur als Beobachter. Stattdessen stärkt man indirekt Erdogan den Rücken und muss bei ihm um Unterschlupf und Durchflugrechte betteln.
Die Koordinierung der Aufklärungs-Missionen soll dann aus Katar in den UAE erfolgen, weil da die "Anti-Daesh-Koaltion" ihren Stab hat. Da sitzt dann auch Saudi-Barbarien und die restlichen Golf-Staaten mit am Tisch, obwohl diese derzeit ihren Hauptaugenmerk und ihre kompletten Militär-Fokus auf den Krieg im Jemen richten, der für sie katastrophal verläuft.
Zu den Tornados selbst hat Fefe ja die Tage zweimal was geschrieben: Dazu mehr Hintergründe: Wir haben drei Typen Tornados: Recce (Aufklärung), ECR (Elektronische Kriegsführung und Kampf gegen Luftabwehr) und IDS (der "klassische" Jagdbomber). Es gab noch eine ADV-Variante für den Luftkampf, aber die haben wir nie angeschafft.
Sechs Tornados sollten geschickt werden. Aufgabe: Aufklärung mit dem Recce-Lite Pod. Die Bilder werden damit nicht auf Naßfilm aufgenommen, der dann am Boden entwickelt werden muss, sondern digital und die Daten können per direkte Funkverbindung (Reichweite so maximal 150km je nach Gelände und Flugprofil) oder per SATCOM an eine Bodenstation übermittelt werden.
Probleme:
Die Tornados haben kein SATCOM, weil dafür nie Geld da war. Übermittlung geht nur per Funk und auf kurze Reichweite (150km). Oder halt: Daten nach dem Flug am Boden auslesen. Entfernung Incirlic -> Aleppo: 175km. Jordanien? Noch übler: Amman -> As Suwayda in Syrien: +400km. Von den Basen in Nord-Israel nach Damaskus: 100-150km. Zypern -> Aleppo oder Homs: 300-400km.
Wir haben 5 nur RECCE Tornados (und 8 Pods?). Wieviele davon Einsatzbereit sind? Sicherlich nicht alle. Von 198 Jägern (Tornado + Eurofighter) hatten wir die Tage mal nur 38 uneingeschränkt einsatzfähig. Davon nur 8 Eurofighter und 30 Tornados. Trauerspiel - wenn man bedenkt, dass wir acht Eurofighter für Air-Policing im Bundesgebiet brauchen und sechs für das Air-Policing im Rahmen der Nato-Verbindlichkeiten im Baltikum. Da blieb dann noch weniger als Null für die Pilotenausbildung oder den Erhalt des Flugscheins.
Tornado IDS und ECR können ebenfalls den Recce-Lite Pod tragen. Aber nur wenn ASSTA-3 oder 3.1 an Hard- und Software eingerüstet sind. Und das gibt es erst seit diesen Sommer und daher nur in homöopathischen Dosen in der Luftwaffe. Daher bekommen wir auf die Schnelle keine sechs verlegbaren Tornados zusammen, die Recce-Lite tragen und nutzen können. Man braucht die Zeit bis Januar, um das zu fixen.
Die
einzige Bodenstation zum Empfang der Recce-Lite Daten der Luftwaffe ist derzeit in Spanien (wegen einer Übung) und muss von dort direkt in die Türkei verlegt werden.
Man kann derzeit keine sechs Tornados verlegen (und vor allem keine RECCE), da über Weihnachten die Logistik der Tornado-Geschwader auf SAP umgestellt wird. Das beinhaltet auch die Ersatzteilhaltung und Verbrauchsmittel der Flieger und die "Wartungsbücher", die jedes einzelne Flugzeug hat und in denen jeder Handschlag am Flieger dokumentiert wird. Ohne Einstellung des Flugbetriebes müsste man halt wochenlang Daten aus Kladden von Hand ins System nachpflegen. Deswegen sollen die eigentlichen sechs Tornados erst im Januar los. Doch wer SAP kennt ....
Und wie Fefe heute schrieb (und Augen-Geradeaus letzte Woche): Die ECR-Tornados eignen sich prima, um die eigenen Systeme zur Radar-Erkennung mit den Daten (und Fähigkeiten) der neuen russischen Radars in Syrien zu füttern. Man kann damit schön ausmessen, was für Signale die wann aussenden, wo die stehen, welchen Einfluss verschiedene Flugprofile auf die Radar-Erkennung haben und so weiter. Man lernt dabei auch die Betriebsmodi der Russen-Radare besser kennen und kann neue Methoden (und Mittel) zur deren Bekämpfung entwickeln.
Die ganze Aktion ist (bis auf die Tankflugzeuge) rein politisch und eine Show-Einlage. Es hätte mehr gebracht, die von Israel gemieteten Heron-Drohnen zu schicken, als die Tornados. Zumal man dann nahtlos und ständig Aufklärungsdaten hätte, anstelle von 5x die Woche Schnappschüsse eines schmalen Streifens aus anderthalb Flugstunden Tornado zu gewinnen. Bei sechs Tornados vor Ort kann man davon ausgehen, dass nicht täglich geflogen werden kann, weil sonst ganz schnell alle gleichzeitig (und für länger) in der Wartung sind.
Dann war da noch die Fregatte, welche unsererseits den französischen Flugzeugträger "eskortieren" sollte. Primär wäre für sowas halt die F-124 aus der Sachen-Klasse (Sachsen, Hamburg und Hessen). Die sind ideal für solche Aufgaben. Dummerweise wurden die in letzter Zeit für lange Dauereinsätze der NATO und UN verheizt. Eine liegt deswegen gerade in längerer Überholung auf Werft, die zweite geht in Kürze in die längst überfällige Material-Erneuerung und die dritte war auch in Beschlag (Nordic-Resolve) und danach Reif für die Überholung.
Blieben noch die vier F-123 der Bandenburg-Klasse. Ups! Geht auch nicht: Im Einsatz bei ATALANTA am Horn vor Afrika, Nordic-Resolve oder ebenfalls in der Werft. F-122 Klasse? Da haben wir doch noch fünf Altertümchen! Und pickte schließlich die Augsburg raus. Die ist schon im Mittelmeer und war bislang das Führungsschiff eines NATO-Verbandes vor Libyen und trug den Admiral dieser Flottille. War ja erst ein halbes Jahr dort unten und die Jungs (und Mädel) an Bord hatten Weihnachten sowieso noch nichts vor. Die darf das jetzt machen. Hubschrauber hatte sie allerdings auch keine an Bord, denn die sind bei der Marine wegen der Dramen rund um die schrottreifen Seaking und Lynx absolute Magelware. Notlösung: Eine andere deutsche Fregatte im Mittelmeer die auf dem Rückweg in die Werft ist, darf ihren Bordhubschrauber im Vorbeigehen abgeben. Der hat vielleicht noch ein paar Flugstunden Reserve bevor er auseinander fällt. Hätte das nicht geklappt, hätte man eine Korvette oder einen Minenräumer schicken müssen, weil sonst nichts anderes mehr greifbar war.
Hauptaufgabe der F-122 Klasse: U-Boot Abwehr. Ohne Schleppsonar nur eingeschränkt möglich (haben wir nicht) und ohne Hubschrauber sowieso nicht. Allerdings ist auch nicht so wirklich mit Daesh U-Booten zu rechnen. Phew! Glück gehabt!
Ich sags mal ganz deutlich: Was wir an Militär haben, wurde so konsequent an die Wand gefahren, dass wir weder Landesverteidigung noch jegliches Auslands-Engagement (egal wie groß oder klein) hinbekommen. Und wenn wir uns dann doch irgendwo beteiligen, dann geht das nicht ohne uns jedes mal bis auf die Knochen zu blamieren.
Zu den Tornado-Einsätzen bitte noch eines bedenken: Die Tornados sind recht zuverlässig und wir haben schon sehr, sehr lange keinen mehr verloren (auf Holz klopfend). Aber man weiß ja nie. Es braucht dazu ja auch nicht notwendigerweise Feindbeschuss. Wenn eine deutsche Besatzung über Syrien aussteigen muss und die Piloten dann ebenfalls am Schirm abgeknallt werden? Oder (wie der Jordanische Pilot) bei lebendigem Leib in einem Käfig verbrannt wird? Unsere Piloten gehen da ein erhöhtes persönliches Risiko ein und das wird meiner Meinung nach zu wenig thematisiert oder gewürdigt. Zumal wir beim Thema "Luftrettung" schon immer die Finger in die Ohren stecken und "Lalala" singen. Wir haben bislang keine Spezialtruppen, welche mit Transport- und Kampfhubschraubern in feindliches Gebiet fliegen und unsere abgeschossenen Piloten rauspicken
können. Das Programm dazu ist noch im Aufbau (seit Jahren) und wir haben nicht die Hubschrauber, die das abkönnen. Wir haben keine luftbetankbaren Hubschrauber mit Panzerung, Bordbewaffnung, Zusatztanks und erweiterter Selbstschutz-Ausrüstung. Eine Eskorte mit Tiger-Kampfhubschraubern der zwei Rettungshubschrauber? Ebenfalls undenkbar bei deren Klarstand, Ausrüstungsmängeln und eingeschränkter Reichweite.
Die Russen haben ihren Su-24 RIO ja auch nur aufpicken können, weil ein Iranischer General mit seinem Sonderkommando zusammen mit der Hisbollah (und russischer SAT-Aufklärung) so fix vor Ort war und man massiv mit Luftunterstützung und Artillerie alles niedergehalten hat, was sonst noch da rumstolperte.
Anscheinend schicken wir dennoch ein Kontingent der neuen (im Aufbau befindlichen) Luftrettung der Luftwaffe, obwohl die angeblich noch nicht voll einsatzbereit sind. Mit welchem Fluggerät? Wurde noch nicht gesagt. Muss vermutlich von den USA oder bei den Holländern oder Franzosen ausgeborgt werden. Hoffen wir mal, dass es nicht gebraucht wird.
Der letzte Punkt unserer "uneingeschränkten Solidarität" im Anti-Daesh Kampf (und der Unterstützung Frankreichs) sind unserer zwei Radar-Aufklärungs-Satelliten. Die sind wohl das Nonplus-Ultra und selbst die Amis haben Begehrlichkeiten bei den damit gewonnenen Daten. Keine Nation kann es sich leisten, ungefilterte Rohdaten aus der SAT-Aufklärung mit anderen Nationen zu teilen. Selbst unter Verbündeten nicht. Und wir werden unsere Daten mit Ländern wie UAE und Saudi-Barbarien teilen. Angeblich gefiltert, selektiv und mit eingebauter Unschärfe. Und selbstverständlich wird nichts mit den Russen geteilt.
Vernünftig ist das alles nicht. Wenn man sich mal einen Moment aus dem Block-Denken befreit und mal nachdenkt, wie man das Problem Daesh am besten angeht? Da käme man um eine
tragfähige und leistungsstarke Koalition nicht drum herum. Alle, die nichts leisten, oder doppeltes Spiel spielen (Türkei, Saudis, UAE, Israel und auch USA) sollten außen vor bleiben. Und dann bliebe einem nichts anderes übrig, als zu sagen: Lass uns mal mit Russen, der syrischen Regierung, den Kurden, den Franzosen, Iraq und Iran reden. Geht natürlich nicht. Selbst mit den NATO-Querköpfen aus Frankreich an unserer Seite müssen wir bis zum letzten unsere hündische Vassallentreue bewahren. Man macht sich nicht mal die Mühe, sich von der UN eine ordentliche Resolution geben zu lassen, die nicht nur aus billigen Allgemeinplätzen besteht und zu viele Fragen offen lässt.
Stattdessen hat Merkel die Tage nochmal bekräftigt, dass Assad weg muss. Sie macht sich damit mal wieder zur Hilfskraft der USA, deren Ziel es nach wie vor ist, jegliche staatliche Ordnung in Nordafrika, Levante und Nahem Osten zu zerschlagen, welche keine Regierung hat, die den Saudis genehm ist. Assad wir nach wie vor dämonisiert und dabei komplett außer Acht gelassen, dass vieles von dem, was man ihm anlastet bereits längst als üble Propaganda entlarvt wurde. Der einzige haltbare Punkt sind nach wie vor die Faßbomben. Und da macht es am Boden wenig Unterschied, ob einem was nach ISO-9000 Standards gefertigtes und TÜV-Geprüftes von Raytheon, Thales oder Rheinmetall auf den Kopf fällt, oder ob es im DIY-Verfahren im Hinterhof mit Teilen aus dem Baumarkt zusammen geschraubt wurde. Selbst wenn man Assad wirklich (irgendwann) los würde? Wer soll es nach ihm schaffen, das Land zusammen zu halten? Da steht keiner in den Startlöchern, der das könnte und der nächste "failed state" nach dem Schema Libyens und Afghanistans ist vorprogrammiert.
Einziges positives Highlight dieser Tage: Mittlerweile ist bewiesen, dass es die USA waren, welche Saringas (oder Komponenten dafür) über die Türkei nach Syrien und in die Hände von ISIS geschmuggelt haben. Die haben das dann eingesetzt und wollten es Assad in die Schuhe schieben. Warum Highlight? Es waren diesmal erstaunlicherweise keine deutschen Firmen dabei involviert. Gab wohl nicht genug Schmiergeld.
