LG Hamburg & Google Analytics

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Toska
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LG Hamburg & Google Analytics

Beitrag von Toska » 22.03.2016, 02:32

Ich setzte ja selbst Google Analytics nicht ein, aber aus den aktuellen News mal das hier:
Google Analytics ist eines der beliebtesten Analysetools für Webseitenbetreiber überhaupt. Bei der Einbindung dieses Dienstes auf der eigenen Webseite sind jedoch insbesondere datenschutzrechtliche Anforderungen (konkret vor allem jene des Telemediengesetzes und der Auftragsdatenverarbeitung) zu beachten. Sollten diese Voraussetzung nicht erfüllt werden, besteht unter anderem die Gefahr, von Wettbewerbern abgemahnt und auf Unterlassung und Ersatz der Abmahn- und Gerichtskosten in Anspruch genommen zu werden.

Genauso hat in einem aktuellen Fall das Landgericht Hamburg per Beschluss im Wege der einstweiligen Verfügung entschieden (Az. 312 O 127/16, PDF). In dem Fall wurde es einem Webseitenbetreiber untersagt, auf seinem Internetangebot den Analysedienst Google Analytics einzusetzen, ohne die Besucher des Internetangebots zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten zu unterrichten. Den Streitwert hat das Gericht auf 20.000 € festgesetzt.

...

Für den Abgemahnten bzw. im Fall des Erlasses einer einstweiligen Verfügung, den Antragsgegner, können am Ende Kosten in vierstelliger Höhe entstehen, die er dem Antragsteller zu ersetzen hat. Hinzu kommt, dass spätestens mit Zustellung der einstweiligen Verfügung der weitere Einsatz von Google Analytics nur noch möglich ist, wenn sofort die oben geschilderten Anforderungen umgesetzt werden. Andernfalls droht ein empfindliches Ordnungsgeld.

Quelle: https://www.delegedata.de/2016/03/landg ... analytics/
Wie gesagt: Ich setze es nicht ein (hab mein eigenes Piwik laufen). Aber das sind so Faxen, wegen denen ich froh bin, dass mir die deutsche Gesetzgebung am Arsch vorbei gehen kann. 20.000 Euro Streitwert wegen so einem Pipifax. Das steht in keiner Relation zu irgend einem Schaden - egal ob imaginär oder reell. Und es berücksichtigt auch nicht die finanzielle Situation der Firma, gegen die da angegangen wird. Es spielt da keine Rolle, ob der Beklagte die Metro AG ist, oder ein Kaugummi-Verkäufer mit Internet-Bauchladen.

Meiner Meinung nach tut der Gesetzgeber alles, damit die kleinen Krauter im Internet einpacken können. Denn die können sich keine dedizierte Rechtsabteilung leisten, welche für 28 EU Staaten die Umsatzsteuer durchreicht und jeden Furz auf der Webseite auf dessen Gerichtsfestigkeit abklopft.
Grüße,

Toska
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Beitrag von Lord_Vader » 22.03.2016, 07:30

GA ist bei mir in uBlock blockiert. Mir daher Wurscht. ^^

Allerdings bin ich mir gerade nicht sicher ob das ein Resultat der DE Neuland Denke, inklusive der Überzeugung das jenes Internet lokal in Ländergrenzen zu verorten ist oder einfach nur ein weiterer Versuch der Verlage mit Hilfe der Regierung Google anzupissen.
<~>
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Beitrag von Toska » 22.03.2016, 08:47

Ich halte das für diese Neuland-Denke - gepaart mit dem Bestreben der Lobby, Konkurrenz mit allen Schikanen zu unterbinden. Vor allem mit Schikanen.

Ich geb mal zwei konkrete Beispiele:

Du hast einen Online-Shop, der nur in Englisch ist, weil deine Kundschaft zu 98% international ist. Firmensitz Deutschland. Der Gesetzgeber schreibt dir vor, wie der "jetzt kaufen"-Knopf beschriftet sein muss. Die genehmigten Phrasen sind alle in Deutsch. Hast du die nur in Englisch, riskierst du eine Abmahnung. Selbst wenn du eine Englische Fassung eines der erlaubten Texte hast. Die zweite Abmahnung bekommst du dann dafür, dass deine AGB's nur in Englisch sind und die Dritte dafür, dass deine Rechnung in Englisch war. Ob sich dann für eine handvoll Deutsche Kunden lohnt, alles zweisprachig anzubieten sei dahingestellt, zumal die angestrebte Kundengruppe alleine schon rein vom Einsatzzweck der Ware Englisch können muss. Sonst würden die den Scheiß ja auch nicht kaufen. Du kaufst ja auch kein Buch oder Film in einer Sprache, die du nicht verstehst und verklagst dann den Verkäufer deswegen.

Beispiel zwei: Du verkaufst Software online und es geht dabei um Klein- und Kleinstbeträge. Denk an Apps für Mobilgeräte oder anderen Ranz. Es kauft jemand aus Frankreich für 99 Cent eine App bei dir. Privatkunde. Du musst deswegen die Umsatzsteuer aufschlagen, die in Frankreich für genau diese Warengruppe dort gilt und musst die Umsatzsteuer an den französischen Fiskus abführen. Dazu musst du extra einmalig über eine EU-Seite ein Konto bei den französischen Steuerbehörden aufmachen. Nehmen wir mal an, das sind auch 19% Ust. und du musst den Betrag natürlich an den französischen Fiskus überweisen. Für die Überweisung der 18 Cent Frosch-Steuer zahlst du dann 6 Euro Gebühren für die Auslandsüberweisung. Aber es geht noch besser: Danach musst du dann bis an dein Lebensende (oder bis zur Pleite) monatlich Steuererklärungen für Frankreich abgeben, auch wenn nie wieder ein französischer Privatkunde was bei dir kauft. Es gibt keine Freibeträge für Minderumsatz und kein vereinfachtes Verfahren. Und den Zirkus musst du für alle 27 EU-Länder machen, sobald der erste Privatkunde von dort was bei dir kauft - zusätzlich zur deutschen Steuerformalitäten. Oh, und die kleinsten Vergehen oder Versäumnisse bei dem Zirkus sind dann gleich mit Strafen in der Größenordnung 20.000-50.000 Euro dotiert. Zusätzlich riskierst du eine Abmahnung, wenn die angezeigten Preise die falsche Umsatzsteuer haben. Also immer schön die Umsatzsteuertabellen aller relevanten Warengruppen für 28 EU-Staaten für alle deine Produkte auf dem neuesten Stand halten. Und sicher stellen, dass ein Kunde aus z.B. Lettland nicht die Umsatzsteuer für Portugal angezeigt bekommt. Du hast dort keine Kunden? Was für Preise willst du denn dann anzeigen? Eben: Kannste nicht, denn sonst: Abmahnung.

Das sind so Sachen, die kann sich nur ein Sadist ausdenken. Oder jemand, der vollkommen bekloppt ist.
Grüße,

Toska
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Beitrag von BobbyShaftoe » 22.03.2016, 22:21

ich dachte, dafür gibt's diesen quark?
https://www.bzst.de/DE/Steuern_Internat ... _node.html
Fuck the pope (but use a condom).
Man kann vor vielem davon laufen, aber nicht vor seinen eigenen Füßen.

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Beitrag von Toska » 23.03.2016, 00:50

Bobby Shaftoe hat geschrieben:ich dachte, dafür gibt's diesen quark?
https://www.bzst.de/DE/Steuern_Internat ... _node.html
Korrekt. Das ist so in der EU-Direktive 2008/8/EC geregelt (Link weiter unten). Aber du musst halt jeden gammeligen Verkauf an Privatkunden im EU-Ausland darüber abwickeln. Automatisiere das mal. Oder finde eine Shoplösung, die das macht. Trotz allem: Du musst dann jeden Monat Nullsteuer-Erklärungen für alle Länder abzugeben, aus denen mal ein Kunde bei dir gekauft hat. Auch wenn zwischenzeitlich keine weiteren Verkäufe dahin stattfanden.

Gerade für Kleckerkram ist das sowas von Schwachsinn, dass man sich an die Birne fasst. Wie gesagt: Die Überweisungsgebühren der Steuerschuld können da höher sein, als die Steuerschuld und der Produktpreis zusammen. Interessiert die nicht. Der Unsinn mit den Nullsteuer-Erklärungen (Verstoß dagegen: 20.000 Euro Strafe) und die totale Abwesenheit von Schwellwerten, ab denen das überhaupt greift, macht das total hirnverbrannt.

Logischer wäre es: Deine Verkäufe an Auslandskunden in der EU haben den gleichen Steuersatz wie in Deutschland. Du führst die Ust. wie gehabt an den deutschen Fiskus ab und der verteilt das dann an die Steuerbehörden der Länder, in denen du Kunden hast.

Stattdessen macht man die Online-Verkäufer zum ausgelagerten Steuer-Eintreiber für alle EU-Staaten. Das verstößt gegen das rechtsstaatliche Prinzip "keine Besteuerung ohne Repräsentation". Denn selbst über die EU-Wahlen hast du keinen Einfluss auf die Steuerpolitik, Steuergesetze und Steuersätze der einzelnen EU-Länder. Zudem wird das Verursacher-Prinzip umgekehrt und die komplette Haftung liegt beim Shop-Betreiber, der ja keinen Einfluss darauf hat, wo der Kunde her ist und auch nur begrenzt Möglichkeiten hat, die persönlichen Daten des Kunden auf Echtheit zu verifizieren. Du hast ja (anders als bei EU Geschäftskunden) noch nicht mal eine ECC VAT ID des Kunden, die du auf Schlüssigkeit überprüfen kannst. Macht ein Kunde falsche Angaben, machst du dich dann ggf. strafbar, weil du die Umsatzsteuer nicht oder in das falsche Land überwiesen hast.

Selbst bei EU Geschäftskunden hast du die Idiotie, dass du halt nicht nur die ECC VAT ID des Kunden prüfen musst (und zusammenfassende Meldungen darüber abgeben musst). Nein: Du brauchst auch einen Wisch, auf dem der Kunde bestätigt, die gekaufte Ware nicht wieder nach Deutschland einzuführen. Hast du den Wisch nicht, dann stehst du dem Finanzamt gegenüber für die entgangene Umsatzsteuer gerade. Erkläre mal schnell, wie das bei digitalen Downloads am besten gelöst werden soll, wenn du den Wisch mit Original-Unterschrift in Papierform zusammen mit der Rechnung für 10 Jahre aufbewahren musst. Kein Kunde macht so einen Quatsch freiwillig mit. Würde man selbst ja auch nicht machen. Fazit: Du kannst nur noch mit aufgeschlagener Ust. an EU-Geschäftskunden verkaufen. Wollen die Kunden die Erstattung der Ust., so muss erst der Wisch herbei und dann eine Storno-Buchung und eine neue Rechnung ausgestellt und zugestellt werden. Dreifacher Verwaltungs-Aufwand und unmöglich zu automatisieren.

Der Gag ist dann noch: Die EU-Direktive 2008/8/EC mit der Abführung von Ust. an die 28 Finanzämter der EU gilt explizit auch für Firmen außerhalb der EU. Auch die müssen sich bei Verkäufen an Privatkunden in der EU über das Portal anmelden, die Ust. aufschlagen, abführen und ggf. dann monatliche Nullsteuer-Erklärungen abgeben.

Da wird es dann richtig absurd: Du kaufst in Japan einen Comic als E-Book und von einem Shop in den Philippinen einen Klingelton fürs Handy (Nur als Beispiel. Gibts sowas noch?). Schlägt der japanische Shop die deutsche Ust. auf? Der philippinische Shop? Führen sie die Ust. an Gollum ab? Machen sie die monatliche Steuer-Erklärung beim deutschen Fiskus über MOSS? Mit Sicherheit nicht. Warum auch? Die wissen ja nicht mal, dass die EU auf einmal so komische Gesetze hat und sie sich gerade für ein Vergehen im Cent-Bereich eine Strafe von 20.000 Euro eingehandelt haben. Obwohl sie alle Gesetze ihres Herkunftslandes auf den i-Punkt genau beachten.

Und das mit Japan ist nicht an den Haaren herbei gezogen. Die EU-Seite dazu listet z.B. die Konstellation US-Firma verkauft an spanischen Privatkunden explizit in ihrem Beispiel auf und führt an, dass die US-Firma dann spanische Ust. berechnen und über MOSS abführen muss: http://ec.europa.eu/taxation_customs/ta ... dex_en.htm

Die meinen das wirklich ernst. Und alle Online-Shop Betreiber im Ausland werden dann gleich mal mit schikaniert und kriminalisiert, auch wenn sie mit der EU-Gesetzgebung nichts am Hut haben. Denn wer sich sagt: "EU? Interessiert mich nicht" und trotzdem ohne Ust. an EU-Privatkunden verkauft, der hat halt einen Wettbewerbsvorteil. Bis irgendwann an einem EU-Flughafen mal die Handschellen klicken. Man macht sich keine Gedanken darum, wie man diese blödsinnigen Gesetze international durchsetzen kann und für eine gerechte Anwendung ohne Wettbewerbsverzerrung sorgt.
Grüße,

Toska
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