Herr Rossi hat geschrieben: ↑15.10.2022, 11:59
Mag sein, aber die Vorgeschichte ist nunmal wie sie ist und da spielen viele alte und neue Konfliktelemente mit rein, bei denen mir die pauschale Analyse "Imperialismus" einfach zu kurz geht.
Definition von
Imperialismus: "Als Imperialismus (von lateinisch imperare „herrschen“; imperium „Weltreich“; etwa bei Imperium Romanum) bezeichnet man das Bestreben eines Staatswesens bzw. seiner politischen Führung, in anderen Ländern oder bei anderen Völkern politischen und wirtschaftlichen Einfluss zu erlangen, bis hin zu deren Unterwerfung und zur Eingliederung in den eigenen Machtbereich. Typischerweise geht das damit einher, eine ungleiche wirtschaftliche, kulturelle oder territoriale Beziehung aufzubauen und aufrechtzuerhalten."
(Quelle)
Was Russland in der Ukraine macht, ist nichts anderes als Imperialismus. Und ja: Wir alle kennen mindestens noch zwei andere "Super-Power", die ebenfalls ganz ungehemmt Imperialismus betreiben: USA und China. Russland hat bis 2014 versucht, der Ukraine vorzuschreiben, welche Bündnisse und Wirtschaftsbeziehungen sie (Ukraine) unterhalten darf und welche nicht. Deren gewählte Politiker wollten (warum auch immer) was anderes und das ist legitim. Was Russland dann tat, war nicht legitim: Bürgerkrieg und Separatismus anfeuern, Söldner und reguläre Truppen schicken, Territorium (Krim) annektieren und dann in 2022 halt der offene Krieg, den sie intern als "Polizeiaktion" abtaten und sie mittlerweile (nach FSB-Berichten)
90.000 Mann Verluste gekostet hat.
Die abspaltung des Kosovo durch NATO/USA/EU halte ich genauso verwerflich und für Imperialismus und das hab ich auch früher schon oft genug gesagt. Spielt aber keine Rolle. Und "legitime Sicherheitsinteressen Russlands" im Bezug auf Bündnisse der Ukraine? Sorry, das ist kein Argument. Wir als Deutsche hatten auch "legitime Sicherheitsinteressen", die gegen eine Stationierung von Sowjet-Truppen in der DDR sprachen und es hat damals nie jemanden in Moskau interessiert.
Aber OK, das ist halt ein Thema, bei dem man durchaus anderer Ansicht sein kann.
Zum Thema Starlink und Elon Musk noch ein Nachtrag: Der ex-Botschafter der Ukraine in Deutschland hat Elon Musk tatsächlich ein "Fuck off!" und "Ich kann dir garantieren, dass in der Ukraine keiner deinen Tesla-Schrott kaufen wird!" hinterhergeworfen. Starlink ist zum UNVERZICHTBAREN primären Kommunikationsmittel der ukrainischen Streitkräfte geworden. Was machte Musk? Er nahm seinen Ball und ging nach Hause. Die Kosten für Starlink in der Ukraine sollen nun vom Pentagon oder anderen übernommen werden. Und die Ukraine setzte Musk dann auf die
Myrotvorets "kill list". Manche argumentieren, das sei keine Kill-Liste, weil der ukrainische Sicherheitsdienst auch schon Leute auf der Liste verhaften und später ohne Prozess wieder freigelassen hat. Es ist jedenfalls eine Liste von angeblichen Staatsfeinden und das ist dann schon ein ziemlicher Hammer. Musk war wohl nur für 15 Minuten auf der Liste, dann hat man ihn wieder runter genommen.
Eines noch ganz am Rande: Ich hab die Tage ein SEHR interessantes 38-Minuten Interview mit
Frank Abels (dem Entwickler der PzH2000) gefunden. Wirklich SEHR interessant und ich kann das nur empfehlen.
Kurzer Abriss: Frank Abels war Kompaniechef bei der Panzertruppe der BW und wurde (nach einigen Irrungen und Wirrungen) als Experte geschickt, um die PzH70 zu inspizieren, an der die Industrie bereits seit 1972 für insgesamt 12 Jahre entwickelt und die Unsumme von damals 1,2 Milliarden DM versenkt hatte. Zu dem Zeitpunkt gab es da nur den einen Prototyp auf Leo 1 Chassis und der hat die Anforderungen der BW komplett nicht erfüllen können: 10 Schuss pro Minute, 5-6 Schuss Multiple-Round-Impact, 30 Sekunden nach Schuss die Stellung verlassen. Der Bundesrechnungshof hat denen dann die Pistole auf die Brust gesetzt und gesagt: "Kommt endlich zu Potte, oder kauft was von der Stange." Abels erklärt sehr ausführlich die Probleme der PzH70 und jene Dinge, welche der von ihm entwickelten PzH2000 (auch heute noch) Alleinstellungsmerkmale geben. Er diagnostiziert auch, warum die Ukraine so viele technische Probleme mit der PzH2000 hat:
Die ist halt EXPLIZIT dazu entwickelt, in Stellung zu fahren, aus dem Stand 5-6 Schuss Multiple-Round-Impact rauszuballern und dann in 30 Sekunden wieder in Fahrt zu sein. Denn so lange braucht ein KOMPETENTER Gegner, um die PzH2000 einzumessen und Gegenfeuer rauszuhauen. Das können die Russen halt nicht (mehr) und das hat die Ukraine wohl dazu veranlasst, die PzH2000 durchaus mal in Stellung stehen zu lassen und Dauerfeuer von 10 Schuss pro Minute rauszuhauen, bis entweder alle 60 Schuss Vorrat verballert waren, oder was kaputt ging. Steht das Rohr auf 60 oder gar 65 Grad Neigung für maximale Schuss-Distanz? Dann ist die Belastung halt auch am höchsten. Und: Das Nachladen geht per Druckluft (nicht Hydraulik, weil zu langsam!). Es läuft zwar ständig ein Kompressor, aber dem geht bei Dauerfeuer ohne Stellungswechsel irgendwann auch "die Puste" aus, weil das Druckluft-Reservoir dafür nicht ausgelegt ist. Und dann kann es halt passieren, das die Ladung nicht im Rohr landet, sondern zurück rutscht, bevor der Verschluss zu ist. Mit möglicherweise gravierenden mechanischen Konsequenzen. Die Belastung des Gesamtsystems bei korrekter taktischer Verwendung nach den Design-Vorgaben aus dem Auftragsbuch ist halt erheblich geringer, als im Stand Dauerfeuer zu fahren. Lustig fand ich jedenfalls, dass er zur Haltbarkeit des Rohres auch keine Angaben machen konnte. Mit Hinweis darauf, dass das halt von Pulverladung und Schussdistanz, Kadenz und Rohrneigung abhängt und daher stark variieren kann.
Aber der Gag ist wohl: Bei der BW hat man das auch nie wirklich bis Anschlag ausgetestet, weil es wohl nicht interessierte.
Interessant fand ich auch seine Behauptung, dass die PzH2000 die einzige Panzerhaubitze sei, die Multiple-Round-Impact kann, zumal die Denel G6 und die koreanische K9 Thunder das angeblich auch können. Er erklärt, warum die das nicht können. Das ist ein bisschen Haarspalterei, aber im Prinzip hat er Recht. Grund: Die schaffen keine 5-6 Treffer mit gleichzeitigem Impact, sondern nur maximal drei - weil die halt keine 10 Schuss pro Minute können. Die französische CEASAR kann das übrigens auch nicht, weil deren Lade-Automatik (eigentlich semi-automatik) viel zu träge ist. Zudem kann die PzH2000 halt Multiple-Round-Impact bereits bei Mindest-Distanz von 17km und die Konkurrenz kann das erst ab 25km. Was im Video nicht angemerkt wurde (obwohl ein Schaubild dazu gezeigt wurde): Der Nachfolger der PzH2000 (die RCH 155 auf Boxer-Chassis) kann das auch.
Alles in allem? Sehr kurzweiliges und informatives Video.