Hyaena hat geschrieben:Ich denke, die Trump-Administration testet die Grenzen aus und schafft es aktuell, die eigene Basis an sich zu binden. Alles andere dürfte denen egal sein. Letztlich brauchen sie ja auch nur die Leute, die sie gewählt haben. Beim nächsten Wahlkampf werden die Leute dann auf jeden Fall das glauben, was er verspricht. Immerhin scheint er sich ja daran zu halten bzw. eben halten zu wollen.
Sehe ich auch so, allerdings mit Bauchschmerzen. Ich diskutiere recht viel US-Innenpolitik mit einem US-Kumpel und er sieht das ebenso. Nimm mal den Trudeau in Kanada. Der ist als Lichtgestalt der Linken und Globalisierer angetreten und hat die Wahl ziemlich klar gewonnen. Jung, dynamisch, sportlich, witzig und wortgewaltig. So etwas kommt an und war erfrischend anders. Kanadische Politik war bis dahin eher verknöchert und staubtrocken. Selbst wenn man politisch nicht mit ihm auf einer Linie ist, konnte man dem Trudeau zunächst sicherlich was abgewinnen. Der hat in den ersten Wochen auch so einige Umbrüche in der Politik von Kanada durchgeführt und viel von dem umgesetzt, was er im Wahlkampf versprochen hat.
Seine Anhänger (und auch die überwiegend liberale oder linke Presse) lassen ihm nun durchgehen, dass er in manchen Dingen richtig üble Projekte durchwürgt, welche sie ansonsten komplett verteufeln würden. Fefe schrieb vor ein paar Wochen auch was dazu. Schaut selbst:
https://blog.fefe.de/?q=Trudeau
Bei Trump dürfte das (bis auf die bei ihm anhaltende schlechte Presse) auch so laufen und seine Anhänger werden eher in Erinnerung halten, dass er seine Wahlversprechen so weit wie es ging gehalten hat. Auch wenn er das bei manchen wegen gesetzlicher der institutioneller Widerstände halt nicht schafft. Und das Einreiseverbot (für 120 Tage) ist da noch die unsinnigste Aktion und reinstes Schaulaufen. Bis auf für die Betroffenen halt. Weniger witzig ist, dass sich bei Trump halt schon relativ deutlich abzeichnet, dass nach wie vor Business auf seiner Tagesordnung ist und für die seinen sicherlich ordentlich was abfallen wird. So unverschämten Nepotismus sah man bei Vorgänger-Regierungen eher erst nach dem ersten Jahr im Office. Vielleicht ist das diesmal nur anders, weil die Presse schon bei den ersten Anzeichen davon schon sofort losheult und das bei anderen erst tat, wenn es sowieso für alle offensichtlich war.
Wo Trump halt 'ne komplette Niete ist sah man die Tage: Im Gespräch mit Putin sprach der russische Präsident halt von sich aus die START-Verträge an, welche Trumps Vorgänger-Regierungen gekündigt hatten. Selbst das Pentagon war deswegen damals betrübt, weil es wichtige Kontrollmechanismen zur gegenseitigen Überwachung und einige ganz brenzlige Rüstungsentwicklungen auf beiden Seiten behindert hat, von denen keiner wollte, dass er andere sie hat.
Die Folge war: Die USA haben nach dem Ende von START nur ihr AEGIS-auf-dem-Land in Alaska, Polen und Rumänien aufgelegt. Und die Russen haben rund ein Dutzend militärische Projekte bis zur Einsatzreife gebracht, die alle unter START in dieser Form nicht möglich gewesen wären. Darunter eine Giftpille, welche die USA den Russen weder zutrauten noch jemals zulassen wollten: Nuklearbestückbare Cruise-Missiles mit großer Reichweite, die man nicht nur an große Bomber, sondern auch an relativ kleine Jäger hängen kann. Dann halt noch die ABM-Fähigkeit der S-400 und S-500 und einiges andere. Auch wenn sich die Russen im technologischen Vorsprung sonnen: So ganz wohl ist denen dabei auch nicht, weil sie halt die USA damit in Zugzwang setzen. Und da die Antwort der USA aus Geldmangel nicht proportional ausfallen kann, kommt möglicherweise irgend ein fetter Hammer, den man auch nicht möchte.
Putin sprach deswegen START an und wollte sehen, wie man das gemeinsam mit Trump wieder aktivieren kann, um diesen Geist erneut in die Flasche zu bekommen. Und Trump wusste nicht, was START ist und musste sich das erst von einem Berater erklären lassen. Selbst dann wischte er es vom Tisch und sagte angeblich: "Wenn wir das gekündigt haben, dann war es wohl ein schlechter Vertrag!" Putin dürfte mit einem ziemlichen Kopfschütteln aus dem Gespräch raus sein.
Und da muss man klar sagen: Diese furchtbare Ignoranz Trumps in solchen Dingen ist natürlich extrem gefährlich. Schlimmer noch: Er scheint sich mit Leuten umgeben zu haben, die ihm nach dem Maul reden und ihn dann nicht einbremsen, wenn er sich mit Anlauf in so einen Fettnapf wirft und darin suhlt.
Übrigens: Verteidigungsminister Mattis hatte eine Untersuchung durchgeführt, um die wahre Verteidigungsfähigkeit des US-Militärs auszuloten und die Bilanz war war wie erwartet verheerend. Neu ist, dass man das an die große Glocke hängt - obwohl es in Teilen ja schon länger bekannt oder zumindest so erwartet wurde:
- Navy: Die kleinste und am wenigsten fähige US-Marine seit +100 Jahren. Fast komplette Flotte veraltet und die wenigen Neubauten gehen alle am Bedarf vorbei.
- Army: Von 58 Brigaden sind nur 3 sofort einsatzbereit. Der Rest bräuchte im V-Fall +30 Tage, um Lücken bei Personal, Ausbildung und Ausrüstung zu schließen und selbst dann wird es eng.
- Airforce: Noch nie hatte die Luftwaffe durch die Bank so viele schrottreife Altertümchen im Einsatz wie jetzt und die Piloten so wenig Flugstunden.
- Marine Corps: Material-Versorgung grauenhaft, zu wenig Personal, zu wenig Training und durch ständige "Feuerwehr-Einsätze" ausgeblutet, müde und verschlissen.
- Marine Corps Aviation: +50% der Flugzeuge wegen Ersatzteilmangel am Boden. Training für Flugscheinerhalt bestehender Crews nicht mehr gewährleistet, darüber hinausgehendes Training oder gar Einsätze unmöglich.
- Heeresflieger: Verfügbarkeit von Fluggeräten unter aller Kanone und logistisch überfordert. An sich sollen die Heeresflieger die Speerspitze der Army bilden, aber mangels Übung und Material hat man die grundlegenden logistischen Fähigkeiten dafür eingebüßt. Die letzten Deployments von Apaches in Kampfeinsätze waren z.B. alle Dramen, die nie ohne vermeidbare Unfälle von Mensch und Maschine über die Bühne gingen.
Fast noch wichtiger: Die DLA (Defense Logistics Agency) ist die zentrale Logistik-Behörde für die US Streitkräfte. Alle Lagerhaltung, Beschaffung und Instandhaltung auf Depot-Level laufen darüber. Egal ob jemand eine neue Klobrille braucht, einen Panzer oder neue Brennstäbe für einen Flugzeugträger. Und die sagen, dass die Lager für viele wichtige Gebrauchsartikel leer sind und man seit langem am absoluten Limit und oftmals darüber hinaus sei. Für einen Konflikt mit hoher Intensität sei man nicht gerüstet und da sei insbesondere auch die Munition sowohl daheim als auch in den "Forward-Depots" gemeint. Also auch das, was man in Europa, Korea, Japan, Diego Garcia und Israel eingelagert hat. Gerade die asiatischen Anreihner dürften aufhorchen, dass viel der in Afghanistan und Irak verballerten Munition aus den US Depots in Korea und Japan kamen und diese Bestände nicht wieder aufgefüllt wurden. Der Quartermaster der DLA hat das jedoch so geschickt vernuschelt und in Schachtelsätze verbaut, das man schon genau hinhören musste. Besonders kritisch sei die Situation bei jeglicher Präzisionsmunition und insbesondere den TLAMS. Obwohl die US-Navy alleine einen Beschaffungsbedarf von 1000 Stück in 2015 anmeldete, wurden lediglich 96 Stück noch in 2015 als Anschaffung für alle Streitkräfte der USA genehmigt und dann die Produktion eingestellt. Ein Nachfolger ist noch nicht in Sicht.
Da nützt dann auch ein "scharfer Hund" wie Mattis im Pentagon nichts, wenn der gute Mann außer abgetretenen Kampfstiefeln nichts zu werfen hat.
Als Spaß am Rande: The Register hatte mal für England überlegt, wie man am besten und billigsten die Fähigkeitslücken bei deren Marinefliegern kompensieren könnte. Ohne Milliarden in die Beschaffung von Zukunftsprodukten zu stecken. Da könnten sich die "Verarmten Staaten von Amerika" sicherlich auch ein Scheibe abschneiden:
https://www.theregister.co.uk/2016/11/1 ... l_problem/
@Hyaena:
Ich denke auch, dass sowohl in Deutschland als auch in Frankreich nicht viel passieren wird. Bei uns müsste die AfD 51% der Stimmen holen, um was ändern zu können. Ansonsten passiert das gleiche wie in Österreich und alle Altparteien koalieren in einer Art und Weise (oder dulden eine "traditionell" besetzte Minderheitsregierung aus CDU+SPD+Anhang) um bloß dieses "Unheil" zu verhindern. Ich bin schon geneigt zu sagen: Für eine GroKo aus nur CDU/CSU+SPD wird es vermutlich nicht mehr reichen und wir bekommen garantiert mal mindestens ein Dreigespann. Die schaffen dann vermutlich keine komplette Legislaturperiode, weil es vorher schon knallt.
Frankreich? Es kann durchaus passieren, dass (wie von dir angedacht) Le Pen den ersten Wahlgang gut besteht und dann unterliegt. Nach dem ersten Wahlgang sind die Trotz- und Wechselwähler dann so erschrocken, dass sie vermutlich abspringen. Insbesondere wenn es in Frankreich relativ ruhig bleibt und die anderen Parteien kein großes Eigentor mehr schießen. Mit den politischen Strukturen in den Niederlanden kenne ich mich zu wenig aus, um Wilders Chancen einzuschätzen. Mal schauen, was das gibt.