Ukraine

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Re: Ukraine

Beitrag von Toska » 24.06.2023, 23:21

Herr Rossi hat geschrieben:
24.06.2023, 19:47
Und nun hat Lukaschenko angeblich erfolgreich vermittelt.

Was für eine schräge und absurde Story! Als ob man nach sowas einfach auf Anfang zurückspulen könnte.
Ja, das ist/war eine absolut irre Show. Unglaublich, in welcher Rekordzeit sich Russland in einem "Failed State" verwandelt hat.

Was ich besonders spannend finde: Putin hatte ja in seiner Rede richtig ausgeteilt und die Rebellen Verräter genannt und "Folgen" und "Konsequenzen" angedroht. Nicht nur den Söldnern, sondern auch allen, die sich nicht loyal verhalten. Das dürfte mittlerweile eine lange Liste sein. Prigozhin hatte ebenfalls klargemacht, was er wollte: Zwei bestimmte Köpfe im MOD müssten rollen: Schoigu und Gerasimow. Gesichert ist: Putin keine seiner groß rausposaunten Forderungen umsetzen können. Prigozhin aber offensichtlich auch nicht. Gut, alles, was wir aktuell über den Deal wissen, stammt vom Kreml. Was tatsächlich ausverhandelt wurde, bleibt vorerst unbekannt. Besonders spannend ist das Schicksal Schoigus und Gerasimows. Putin ist aus dieser Situation nicht gerade gestärkt hervorgegangen. Traditionell russisch gesehen sollte es nun eine ganze Reihe von "Selbstmorden" und "Unfällen" geben, aber vielleicht ist Putins Macht nun soweit erodiert, dass es selbst dafür nicht mehr reicht. Jemanden im Endstadium der Paranoia an der Macht zu lassen klingt jedenfalls nicht wie eine solide Zukunftsplanung für die Beteiligten und die Hintermänner dieses "Putsch-Inszenierung".

Die Ukraine hat das Spektakel angeblich genutzt, um am Unterlauf des Dnjepr in der Nähe der zerstörten Antonovsky-Brücke über zu setzen, aber momentan tue ich mich schwer, da irgendwelchen Frontberichten zu glauben.
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Re: Ukraine

Beitrag von Toska » 25.06.2023, 18:31

EIne der Fragen, die sich gestern Nacht stellte war: Geht Prigozhin alleine ins Exil nach Weißrussland, oder nimmt er rund 25.000-30.000 "Freunde" mit?

Man hört schon erste (unbestätigte) Meldungen, dass es letzteres sei. Und Kyiv ist halt nicht weit weg von dort. Nur: Diese Truppenverlegung (Kadyrov's Schergen nach Rostov-am-Don und Prigozhin/Wagner nach Weißrussland) hätte man auch ohne den ganzen Zirkus machen können, der die Russen mehr als ein halbes dutzend Fluggerätschaften gekostet hat. Darunter wohl auch 2-3 recht spezielle Hubschrauber für EW, mit denen man die Kommunikation der Wagner-Söldner stören wollte.

Zudem: Die Moral scheint in Russland auch gut gelitten zu haben: Sowohl Armee, Luftwaffe, VDV als auch auch einige Wagner-Söldner fühlen sich wohl ziemlich verarscht angesichts des dargebotenen eldendigen Schauspieles. Bei Wagner haben angeblich einige derer wenigen Piloten hingeschmissen, weil sie mit dem sinnlosen Abmurksen ihrer ehemaligen Kollegen nicht einverstanden waren. Zudem: Niemand in Russland kann sich mehr sicher fühlen. Weder Beamte, Funktionäre, noch Oligarchen, noch FSB- oder GRU-Offiziere, die früher glaubten, sie seien als Garanten der Macht quasi unantastbar, solange sie die Musik spielten, die der Dienstherr befahl.

Putin hat gestern sein Gewaltmonopol in Russland aufgegeben.

Prigozhin hat gezeigt, dass ein "Warlord" im afrikanischen Stil durchaus in der Lage ist, der Politik Bedingungen zu diktieren. Somit ist nun klar und erwiesen, dass Fraktionen in Russland mit Waffen und Entschlossenheit im Prinzip alles entscheiden können. Oligarchen werden sich das genau ansehen und sicherlich jetzt erst recht in "private security" investieren. Deren Wachschutz und Bodyguards steigen ggf. bald nicht mehr in Minivans und SUVs, sondern in APCs und MRAPs und tauschen Glocks und MP-7 gegen automatische Langwaffen und schultergestützte Luft- und Panzerabwehr.
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Re: Ukraine

Beitrag von Toska » 26.06.2023, 03:12

Ich hab hier mal zwei interessante Links:

Ukraine Control Map: Ukraine Control Map continuously updated by people at Project Owl OSINT (@projectowlosint). Super Karte mit den soweit bekannte Positionen russischer und ukrainischen Einheiten.

Poulet volant auf Twitter. Das "fliegendes Huhn" schreibt zwar in französisch, hat aber recht geile Karten zum aktuellen Geschehen. Wie zum Beispiel hier oder hier.
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Re: Ukraine

Beitrag von Toska » 26.06.2023, 05:44

Ich hatte ja noch versprochen, zu den von Rossi geteilten Links meinen Senf abzugeben. Das hole ich jetzt mal nach. Das wird ein längerer Topic und vieles von dem, was ich jetzt aufgreife, hab ich an sich schon weiter vorne im Topic an mehreren Stellen mal angesprochen:
Herr Rossi hat geschrieben:
21.06.2023, 19:15
Ein amerikanischer Thinktank hat eine interessante Analyse zum Gesamtkomplex des Ukraine Kriegs veröffentlicht [...]

Und: Russland wird daraus gestärkt hervorgehen, denn sie lernen damit im aktiven Einsatz die wirksamen Techniken, die es für einen Krieg gegen die NATO braucht. Mag Toska evtl. anders sehen, kein Ding, und ich habe ja auch faktisch deutlich weniger Plan von diesen ganzen Kriegsthemen, aber das Endergebnis wird es so oder so offenbaren.
Grundsätzlich: Ja, viel Doktrin aus WWII und dem Kalten Krieg ist heute einfach für die Tonne. Sowohl bei den Russen, als auch bei der NATO. Deswegen tritt man auch nicht mehr mit Divisionen gegeneinander an, sondern hat das auf BTGs runterskaliert. Weil halt auch die Massen-Heere mit Großformationen (Division: ~15.000 Mann) in Zeiten, wo man keine Wehrpflichtigen und kaum Reservisten hat eben nicht mehr praktisch sind. Es gibt natürlich Länder wie Finnland, Schweden oder Israel, die ein ausgeprägtes Readiness-Konzept haben und FUNKTIONIERENDE Strukturen, die ein schnelles Anschwellen des "Friedens-Heeres" auf "Kriegs-Heer" per Fingerschnippen vorgesehen haben und bei denen das auch heute noch funktionieren dürfte. Schweiz hatte das auch mal, aber die haben sich da mittlerweile kaputtgespart. Und selbst da ging man dazu über, die stehenden und zu formierenden Einheiten auf BTG-Größe zu skalieren.

Es ist aber nicht nur wegen der fehlenden Manpower so, dass Divisionen heute nur noch organisatorische Strukturen sind, in der Praxis die dazugehörigen BTGs aber unabhängig agieren sollen. Die Aufklärung und Munition mit Flächenwirkung machen große und relativ unbewegliche Truppenkonzentrationen oder statische Verteidigungspositionen heutzutage relativ sinnlos. Der Ukraine-Krieg hat gezeigt, dass Minenfelder nach wie vor extrem wirksam sind und man dagegen (auf beiden Seiten) zu wenig wirksames Material hat.

Man muss nur mal bedenken, was für ein Gamechanger das erste halbe Dutzend HIMARS für die Ukraine bedeutet hat. Selbst heute haben die vermutlich nicht mehr als 30-40 davon und nur eine Handvoll moderne SPGs wie die PzH2000, CAESAR oder die polnische Krab. Die bloße Präsenz ein paar dieser Systeme an der Front hat für die Russen direkt die Welt zusammen brechen lassen, weil kein Kommandoposten, kein Munitionsdepot oder Truppenansammlung innerhalb von 60-100km sicher war. Selbst 2-3 Munitions-LKW oder Tanklaster waren dann gleich Prio-Ziele und fix ausradiert, sofern die irgendwo länger als ein paar Minuten standen. Die USA alleine haben rund 640 HIMARS - das nur mal als Hausnummer. Und dann rechne mal die paar StormShadow rein, welche die Ukraine bekommen hat. JEDER Schuss ein Treffer und *jeder* davon dürfte den Russen ziemlich weh getan haben.

Den Russen jetzt noch irgendwelche Fähigkeiten oder Aufwucht-Potential für die Zukunft anzudichten halte ich für verfehlt. Sie haben in diesem Krieg deutlich gezeigt, dass sie alles verlernt, vergessen und vergammeln haben lassen. Sie haben keine der Lektionen aus den letzten 70 Jahren weltweiter Konflikte auch nur irgendwie verinnerlicht:

Kommunikation: Mangelhafte Technik, nicht genug Crypto-Coms - weder für die Stäbe, noch für die Verbindung mit den Truppen, noch der Truppen untereinander und selbst auf Zugebene hat man was vernünftiges.

Koordination: Der russische CIC hat seine Truppen nicht im Griff, da Heer, Luftwaffe, VDV, Marine(-Infanterie), Söldner und Luhansk/Donetz-Truppen alle ihre eigene Suppe kochen und nicht miteinander reden, oder sich sogar wegen Rivalitäten gegenseitig ins offene Messer laufen lassen.

Ausbildung: Ist in Russland Sache der Regionalkommandos der einzelnen Militärdistrikte. Frisch ausgerüstete Truppen bekommen so gut wie keine einzige "Lessons-Learned" aus dem Ukraine-Konflikt vermittelt und werden schlecht ausgestattet und schlecht ausgebildet mit rostigen Flinten und überlagerter Munition in die Bresche geschmissen.

Logistik: Die sind da noch bei WWII stehen geblieben. Keine palettierte oder containerisierte Logistik, alles nur per Zug oder quasi per "Schüttgut" auf gammeligen LKWs, die schon vor dem Verlassen des Kasernenhofs von sich aus den Geist aufgeben und auf Reifen aus China angewiesen sind.

Arty (Rohr und Rak): Technik aus den 1970'ern. Keine Reichweite, keine Präzisions-Munition, verschlissene Rohre, bei MLRS mühsames Nachladen der einzelnen Raketen per Hand, uralte Munition, kein vernünftiges Counter-Battery-Radar, zu unflexibles Tasking von Arty-Schlägen, keine vernünftige Aufklärung oder Battle-Damage-Assessment nach den Strikes.

Panzer / APCs: Da sind die Russen mittlerweile so blank, dass die Jahrzehnte brauchen, um sich davon zu erholen. Und die "Neubauten" wären technisch auf einem Stand der Technik, der wiederum Generationen hinter dem aktuellen Stand der Technik ist, weil man die Technik nicht hat, die "Lessons Learned" aus dem Ukraine-Krieg nicht umsetzen kann (oder will) und wegen Embargos nur suboptimale Komponenten in unzureichender Menge aus dubiosen Quellen bekommt.

Abstandswaffen: Für das NATO-Arsenal an intelligenten Abstandswaffen müsste man einen eigenen ultralangen Topic aufmachen, weil das eine extrem lange Liste geben würde. Und da findest du für jeden Einsatzzweck gleich mehrere brauchbare Kandidaten, die aktiv von diversen NATO-Ländern im Arsenal gehalten werden. Wenn man sich dagegen die russischen Arsenale anschaut, dann findet man da überwiegend Museumsstücke oder einige Leuchtturmprojekte in homöopathischen Dosen. Und selbst die sind in Sachen Leistungsfähigkeit in vielen Kategorien abgeschlagen - mit einigen Ausreißern wie bei der R-37M Luft-Luft-Rakete (AA-13). Dafür mangelt es komplett an funktionierender SEAD-Bewaffnung oder brauchbarer Abstands-Bewaffnung für Kampfflugzeuge für Luft-Boden unterhalb von Kalibr, die über eine reine Terror- oder Flächenwirkung hinweg geht. Das ist für einen modernen Luftkrieg absolut nicht mehr zeitgemäß - selbst gegen Ukraine, welche ja nur noch Reste einer Luftwaffe haben, dafür aber durchaus noch Flugabwehr.

Organisatorische Defizite: NATO ist ein Haufen meistens zerstrittener möchte-gerne (aber: kann-nicht) Primadonnen am Rockzipfel der USA. Dennoch: Man kann davon ausgehen, dass in einem Konfliktfall alle am selben Strang ziehen (und auch meistens in die gleiche Richtung), dass die Kommunikation funktioniert (sowohl auf politischer, strategischer als auch taktischer Ebene bis zu den Einheiten runter) und dass man auch nach mehreren Jahren Konflikt die Anzahl der Irrläufer, Qengeleien, Reibereien und auch die unvermeidbaren "Friendly-Fire"-Incidents an 1-2 Händen abzählen kann. Selbst wenn du ein Bataillon NATO-Neulinge wie Finland neben UK, USA, FR und DE einsetzt? Die werden koordinierter und organisierter und vorgehen können, als ein BTG regulärer russischer Armee, VDV, Marine-Infanterie, Grenztruppen, Söldner und DPR/LDP-Truppen. Eben auch, weil die NATO-Einheiten standardisiert sind, auf den gleichen Comms und eine zentrale Führung in Frontnähe haben. Und bei den Russen ist das so, dass diese ganzen im Feld befindlichen Einheiten nicht miteinander können oder wollen: Unterschiedliche NICHT integrierte Führungsstrukturen, Rivalitäten, Eitelkeiten und man hat DIESE Art der Interoperabilität und das gemeinsame Operieren ja auch nie ernsthaft geübt.

ALLE Bestrebungen der Russen, sich in den letzten 20-30 Jahren militärisch zu reformieren und zu modernisieren sind in Scham und Schande gescheitert. Sie haben keine neuen Waffen (ggf. mal Prototypen davon in kleinen Dosen), keine neuen Doktrinen, keine Logistik, keine funktionierende Kommunikation oder Aufklärung, kaum AWACS, keine brauchbare SAT-Aufklärung, das Thema Drohnen komplett verpennt, kein aktuelles Kartenmaterial und egal ob das Großgerät oder persönliche Einsatzausrüstung ist: Es fehlt an allem und das was da ist, ist vergammelt. Warum scheiterten die Modernisierungsversuche? Die Gründe sind vielseitig. Putin hatte mal einen sehr fähigen Verteidigungsminister, der alles umgegraben hat und durchaus sein Bestes gab, die Mißstände abzustellen. Der hat sich dann aber nicht lange gehalten, weil sein Aufbruch in die Moderne halt auch bedeutet hätte, dass ein ganzer Haufen Pfründe, Privilegien und Geldquellen von Armee-Generälen und Funktionären weggebrochen wären. Denn die russische Führungsriege des Militärs lebt aktiv und parasitär auf Kosten des Militär-Apparates. Und das ist so festgefahren und institutionell, dass es keinen mehr kümmert: "Geister-Soldaten", die nur in den Kassenbüchern existieren. Deren Lohn geht zur Hälfte an den General, die andere Hälfte bleibt irgendwo in der Kasse der Zahlstelle. Material, welches bestellt und (angeblich) geliefert wurde und natürlich auch in den Büchern auftauchte, aber tatsächlich irgendwo versickert ist oder anderweitig vertickt wurde. Ganze Geschwader Kampfflugzeuge und Hubschrauber oder Panzer, APCs und LKWs stehen auf Halde, weil sie kannibalisiert wurden. Teilweise um ein paar Stück einsatzbereit zu halten, teilweise weil man die Teile auf dem Schwarzmarkt verscherbelt hat und Ersatzteile sowieso nicht zu bekommen sind, oder nach Bestellung irgendwo "versickert" sind. Die ganzen Großübungen der Russen der letzten Dekade? Bei denen ich auch mal davon ausging, dass die wirklich was gebracht haben? Das waren potemkinsche Dörfer, bei denen es hauptsächlich darum ging, hinterher Erfolge zu melden, die mit der Realität nichts gemeinsam hatten. Das waren gescriptete Events, die unter Aufbietung der letzten fahr- und fliegbaren Einheiten irgendwie möglichst rasch und unkompliziert abgewickelt wurden, aber kaum realen Gefechtssituationen darstellten.

Forschung/Entwicklung/Rüstung: Die ist genau so parasitär wie der Rest von Russland strukturiert. Wenn Putin heute sagt: "Baut mir 1000 Panzer, hier ist die Kohle dafür!", dann kommt in Uralvagonzavod bestenfalls die Hälfte von diesem Geld an. Und davon versickert dann nochmal das meiste bei Zulieferbetrieben, bevor auch nur der erste neue Panzer am Montageplatz Form und Gestalt annimmt. Und das ist in Russland in allen Bereichen so.

Der einzige Unterschied zwischen den russischen Streitkräften und afrikanischen Warlords ist, dass die Russen halt (angeblich) auch noch funktionierende Atomwaffen haben. Ansonsten agieren sie genau so korrupt, brutal, unmenschlich, unkoordiniert und zerstritten und stehen bei Ausrüstung und Ausbildung der Truppen auch kaum einen Deut besser da.

Machen wir mal einen Zeitsprung zurück auf Anfang Februar 2022 und stellen die Einheiten der Russen wieder so auf, wie sie den Konflikt begonnen haben. Und dem gegenüber stellen wir ein Ukraine, welches in der NATO ist. Am 24. Feb 2022 schlagen die Russen los. Noch am selben Tag wird Artikel 5 erklärt und NATO mobilisiert. Indessen fliegen die ersten NATO Bomber und Jets schon in Warteschleife und schlagen dann los. B-2, B-1 und B-52 sind schon längst in der Luft und werden über Dänemark und Deutschland das letzte mal in der Luft betankt. Bevor auch nur die ersten NATO Bodeneinheiten Polen komplett passiert haben, ist die Kolonne der Russen nördlich bei Kyiv schon ein rauchender Krater. In den 2-3 Wochen, welche die USA für ein REFORGER brauchen, dürfte zwischen Murmansk und Astrakhan keine Piste, keine Munitionsdepot, Logistik-Zentrum oder Kommunikationszentrum mehr stehen. Die russische Luftwaffe existiert nicht mehr, die russische Marine ist alle Überwassereinheiten los und bis zu dem Zeitpunkt, an dem NATO-Bodenformationen ihren "move to contact" mit russischen Truppen absolviert haben, sind die so in Grund und Boden gebombt und ohne Sprit und Munition, dass der Kampfwert gegen Null geht. Dass es dann auch in Fernost knallt lasse ich hier mal außen vor.

Selbst WENN man Russland von heute die NATO von heute *nur* mit Technik von 1991 gegenüberstellen würde, sähe es auch nicht viel anders aus. Das ist noch das absolut irre an der Geschichte.

Und hier muss man halt ganz klar sagen: Der Ukraine-Krieg ist nicht repräsentativ für einen modernen Konflikt unter Peer-Nationen, weil die Komponente "AirPower" bislang nur eine absolut minimale Rolle spielt. Im ersten Golfkrieg der USA hat man 39 Tage Luftkrieg vorangestellt. Im Krieg gegen Jugoslawien sogar 78 Tage. Im 2. Irak-Krieg fanden Boden- und Luftangriffe zeitgleich statt, aber der Unterschied war da bereits durch technologische Fortschritte relativiert: Musste man 1991 noch eine ganze Staffel schicken, um ein Ziel garantiert zu klump zu schmeißen, reichte danach lediglich 2-4 Jets, weil die Waffen einfach präziser waren und die Gefahr für die Piloten geringer, weil: Abstandswaffen. Und da sind wird gerade auch schon wieder 20 Jahre weiter, wogegen bei den Russen die Zeit (und die Technik) quasi 1991 stehen geblieben ist.

Man hat das auch deutlich in vielen Videos in der Ukraine gesehen: Russische Jets fliegen noch heute Angriffsprofile, bei denen sich westliche Piloten vermutlich totlachen. Und selbst dann treffen sie bestenfalls das gleiche Stadtviertel, aber nicht das eigentliche Ziel.

Und da kratze ich jetzt nur an der Oberfläche. Wenn man russische und westliche Systeme, Taktiken, Ausrüstungsgegenstände, Logistik, Kommunikation und Aufklärung 1:1 gegenüber stellt, ziehen die Russen bei allem den kürzeren. Mittlerweile selbst bei der Menge und das war bislang deren einzige Trumpfkarte.

Apropos Menge und da auch im Bezug auf die Einsatztaktik sowohl im Großen als auch im Kleinen: Die Russen haben im Ukraine-Krieg auch gezeigt, dass sie im Prinzip mit der selben Taktik des kalten Krieges vorgegangen sind: Die hochwertigsten und am Besten ausgestatteten Einheiten machen den Durchbruch bis zur Erschöpfung ihrer Möglichkeiten. Dann kommen die Einheiten der zweiten Linie und rücken vor, wärhend die abgekämpften und deziemierten Einheiten der ersten Garde sich neu formieren oder rekonstituiert werden. Danach kommen die Reservisten in die Bresche und danach die einberufenen Wehrpflichtigen. Welle auf Welle, bis man durch ist.

Das haperte aber schon daran, dass die EInheiten der ersten Garnitur an sich nicht "battle-ready" waren und an sich nur mit einer Übung gerechnet hatten. Man war da wieder nur mit minimalem Aufwand präsent und vielen Karteileichen und nur halbwegs funktionierendem Equipment. Hatte auch nicht genügend Material (Mun und Ersatzteile) mitgebracht (weil: Übung!) und um Logistik hatte sich auch keiner gekümmert, weil man ist ja "nur kurz" für ein Schaulaufen dort. Wird ja keiner so doof dein, die Ukraine angreifen zu wollen! Nachdem diese Einheiten dann in den Kampf geworfen wurden und über ihre eigenen Füße stolpernd irgendwo liegen blieben? Mal mit Feindkontakt, mal nur ohne Sprit oder im Stau? Es kam keine zweite, dritte oder vierte Welle, weil die Russen keine mehr hatten und sie für diese "3-Tage Special Military Operation" nicht für nötig hielten. Und selbst danach wurde es nicht besser, weil man alle "guten" (lol) Einheiten bislang so verheizt hatte, dass die sich inzwischen 2-3x neu formieren mussten. Mit schlechterem Material und noch schlechter ausgebildeten Personal.

Dem muss man aber noch einen wichtigen Punkt voranstellen: Sowohl die politische als auch die militärische Führung Russlands hatte schon vor dem ersten Schuss verloren, denn alle Annahmen und alles "gesicherte Wissen" sowohl über den Zustand des Gegners als auch der eigenen Verfassung basierten auf Wunschdenken und nicht auf Fakten. Und dieses Wunschdenken und die falsche Faktenlage basierten auf institutioneller Inkompetenz und Ignoranz, wie sie halt gerne in Diktaturen und Despotien der Fall sind. Wer da die ungeschminkte Wahrheit sagt und nicht die den Herrschenden gefälligen geschönten Phrasen? Der hält sich da nicht lange.

Wenn man all diese Faktoren zusammen nimmt? Das russische Militär (ALLE Teilstreitkräfte) ist unreformierbar kaputt. Institutioneller Totalschaden in ALLEN und jeglichen Bereichen. Ich hatte das ein paar Seiten zurück schon mal angesprochen: Selbst WENN die Chinesen den ganze Divisionen an allen Militärgerätschaften fabrikneu auf den Hof stellen und sie mit Munition dafür zuschütten: Die Russen würden es selbst dann nicht gebacken bekommen. Weder in kurzer Zeit noch langfristig, weil deren Militär strukturelle und konzeptionelle Grundlagen der Kriegsführung nicht mehr beherrschen. Und das vom einfachen Soldaten bis rauf zu den Lametta-Trägern. Die würden auch damit wieder sinnlose Massen-Attacken durchführen und sich im Arty- und MLRS-Hagel gegenseitig über den Haufen fahren und dann ohne Sprit und Munition irgendwo liegen bleiben.

Mark my words: Die Russen sind auf dem Stand afrikanischer Warlords angekommen. Die brauchen locker 30 Jahre und MEHRERE grundlegende und halbwegs erfolgreiche politische, ökonomische und militärische Reformen, um sich davon auch nur annähernd zu erholen. Und davon sind wir noch ganz weit weg.

Dass amerikanische Think-Tanks das ggf. anders sehen? Mag sein. Es wäre halt schlecht für die Rüstung, wenn man die Russen nicht mehr als Grund für weitere Aufrüstung vorschieben könnte. Und die Russen sind uns halt eben "näher", als die Chinesen. Und die sollte man eher auf dem Radar haben, als die Russen.
Grüße,

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Re: Ukraine

Beitrag von Herr Rossi » 26.06.2023, 21:34

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Re: Ukraine

Beitrag von Toska » 27.06.2023, 04:43

Herr Rossi hat geschrieben:
26.06.2023, 21:34
Mag davon ab an sich ja durchaus sein, dass die NATO technisch und von der Ausbildung her besser aufgestellt ist, aber wenn du bei Russland bemängelst, dass von den Ausgaben für Rüstung hinten bei der Endproduktion nichts ankommt, wie siehst du es denn dann bei den NATO Ländern? Die amerikanische Rüstungsindustrie verschlingt Unsummen an Geldern, die Dimension ist grob 15 mal so hoch wie die von Russland, und man muss nun bereits verkünden, dass die Lager leer sind?
Die Lager sind m.E. nur bei 155mm Arty-Granaten wirklich in so weit leer, dass man nicht selbst blank dastehen will. Aber sowohl in den USA als auch Europa wird die Produktion dafür gerade wie bescheuert hochgefahren. Deutschland hatte bis vor kurzem keine Fertigung dafür mehr und die Tage kündigte Rheinmetall an, dieses Jahr (glaube ich) 300.000 Granaten rauszuhauen, nächstes Jahr 450.000, plus nochmal 300.000 wenn sie eine spanische Firma komplett übernommen haben. (Die Zahlen aus dem Kopf und vermutlich nicht 100% genau. Weiter vorne im Topic hatte ich die genauen Zahlen aus der Pressemeldung). Die US Rüstung ist gerade dabei, den B-3 Bomber, einen Nachfolger der F-22 und einen Navy Jagdbomber der 6. Generation zu bauen. Plus dazu noch einen neuen mittleren Utility-Hubschrauber mit Push-Prop und dazu einen Nachfolger für den Apache. Zudem haben die USA in den letzten 10-15 Jahren mehrere neue Abstandswaffen für alle möglichen Zwecke aufgelegt: Anti-Schiff, Luft-Luft, Luft-Boden, Boden-Luft und diversen Kleinkram weiterentwickelt, der sowieso schon in den Arsenalen war. Die gammeligen ungelenkten Zuni-Raketen? Bekannt aus dem Korea- und Vietnam-Krieg? DIe haben neue Sprengköpfe bekommen und sind nun per Laser, GPS und Radar lenkbar und trotzdem noch super günstig.

Von daher: Die Weiterentwicklung bei den USA ist deutlich zu erkennen. Teilweise inkrementell bei bestehenden Systemen, plus auch revolutionäre neue Dinge, die kurz vor der Einführung stehen und teilweise schon in der Prototypen oder Testphase sind.

Bei den Russen muss man nach Neuentwicklungen und Verbesserungen mit der Lupe suchen. Die Su-57 ist ein Witz. Armata und die Kurganetz APC Produktfamilie? Die sind so gut wie tot, weil da Technik rein sollte, die Russland vorerst nicht mehr gebacken bekommt.
Herr Rossi hat geschrieben:
26.06.2023, 21:34
Die NATO hat wieviele Mitglieder? 30? Darunter sind mit die stärksten Wirtschaftsnationen der Welt (vom BIP her, was für die Realwirtschaft zugegeben nicht viel heißen muss)? Die hätten von der theoretischen Leistungsfähigkeit her die Ukraine mit Waffen und Munition derart vollpumpen können und zum Teil haben sie es auch getan, dass Russland hätte eigentlich instant zusammenbrechen müssen.
Der politische Wille war nicht da, weil man ständig Rücksicht auf irgend welche "roten Linien" von Putin genommen hat. Die USA alleine hätten der Ukraine hunderte M1 Kampfpanzer, an die tausend Bradleys, Arty/MLRS ohne Ende und mehrere Staffeln F-15, F-16 und F/A-18 hinstellen können, ohne blank da zu stehen. Dass die BW seit der "Friedensdividende" und besonders dank Schröder und Merkel schon immer von allem zu wenig hatte, habe ich ja oft genug bemängelt. Sich als (bald nicht mehr) "stärkste Industrienation Europas" nur 230 und später dann 330 Panzer auf Halde stellt, war schon immer blanker Irrsinn.
Herr Rossi hat geschrieben:
26.06.2023, 21:34
Mir erscheint es durchaus realistisch, dass der technische Level der verschiedenen russischen Einheiten massiv schwankt. Das Land hat von 1990 bis grob 2005 einen unvergleichlichen Niedergang erlebt. Dass man das nicht in ein paar Jahren kompensieren kann, geschenkt. Sie haben aber in dieser Krisenzeit immerhin Tschetchenien gewonnen und auch Syrien haben sie in der Form gedreht, dass die Regierung Assad gesichert wurde.
Meanwhile floh der ganze vereinigte NATO Haufen kleinlaut aus Afghanistan, wo man noch nicht mal gegen große Technik antreten musste, sondern gegen "Sandalenkrieger". Wo war da die große Überlegenheit der NATO Technik und der überragenden Ausbildung? Clausewitz hat dazu ein paar Theorien warum sowas passieren kann.... :P Kriege gewinnt man nicht einfach nur mit Technik, soviel traue selbst ich mir mit meinem fehlenden militärischen Wissen aufgrund dessen zu, was die Geschichte zeigt und was ich selbst in meinem Leben beobachtet habe.
Wäre NATO in Afghanistan, Irak und Syrien ebenso vorgegangen, wie die Russen in Tschetschenien, Georgien und Syrien, dann wären diese Konflikte "gewinnbar" (Ansichtssache) gewesen. Zumindest wenn "Ende des feindlichen Widerstandes" das Ziel ist. Aber ganze Städte dem Erdboden gleichmachen und Vertreibung, Deportierung und Genozid sind halt mit "westlichen Werten" bestenfalls in ganz kleinen Dosen kompatibel, wogegen sie bei den Russen zum Modus Operandi gehören und die es noch nie ohne versucht haben.
Herr Rossi hat geschrieben:
26.06.2023, 21:34
Und bei einer Sache -weil das verfolge ich wirklich schon lange- gehe ich null mit dir mit: die Wirtschaft in Russland! Das Land hat einen enormen Aufschwung unter der Regierung Putin erlebt.
Die Russen können noch so viel Geld auf ihr Militär und Rüstungsfirmen werfen, wie sie wollen. Die bekommen das nicht mehr gebacken. Das, was Russland gerade in die Kassen gespült wird? Wieviel kommt denn davon wirklich irgendwo dem Staat, der Bevölkerung, der Rüstungsindustrie, der Infrastruktur, Bildung und Gesundheitswesen zu? Kommt da nun ein Rubel mehr an? Eher nein, denn Mehreinnahmen Russlands bedeuten lediglich, dass die Führungskader und Oligarchen noch fettere Auslands- und Schwarzgeldkonten bekommen.

Und selbst wenn die es wirklich schaffen, mehr Geld in Rüstung zu buttern: Die haben noch 30-40 Jahre an Rückstand aufzuholen. Manches kannst du halt nicht von der Stange im Ausland oder bei den Chinesen kaufen, weil die Technik nicht frei gehandelt wird und auch die Produktion so speziell und so kleinteilig und hochtechnisiert ist, dass man das nicht mal eben so oder ohne extrem großen und langanhaltende Investitionen gebacken bekommt.

Schau dir an, wie viele Jahrzehnte die Chinesen gebraucht haben, die verkackten MiG-29 und Su-27 Triebwerke komplett selbst in brauchbarer Qualität zu bauen. Erst so langsam werden die WS-10 und WS-15 brauchbar. Beim WS-10 hat mat seit 1990 gewerkelt und erst ab 2009 ging sie in kleinen Stückzahlen in die ersten Fighter. Beim WS-15 hat die Entwicklung von 2006 bis März 2023 gedauert, bis die sich mal getraut haben, die in die ersten Serienmodelle ihrer Fighter einzubauen. Und der "zündende Funke" kam erst dadurch, dass Deutschland so blöd war, denen das Know-How bei der Herstellung monokristalliner Turbinenschaufeln quasi frei Haus zu liefern, als man den Chinesen erlaubte eine deutsche Spezialfirma dafür aufzukaufen. Und selbst das alleine reichte nicht ganz, weil da noch mehr Technik drin steckt, welche die Chinesen noch meistern müssen.

Und wie gesagt: Russland ist bei sowas alleine schon deutlich schlechter aufgestellt, weil sie die hochtechnologisierte Industrie nicht haben. Weder in der Breite, noch in der Tiefe. Und das wird sich auch nicht ändern, denn der russische Markt alleine ist zu klein, um solche spezialisierten Industrien zu tragen und daran ändern auch die BRICS so schnell nichts. Solange Russland eine brutale und menschenverachtende Kleptokratie ist und bleibt, bekommen die kein Bein mehr auf den Boden. Und was die Chinesen angeht? Eine multipolare Weltordnung mit den Russen am Tisch ist denen natürlich lieber, als wenn sie alleine als einzige verbliebene Großmacht in Opposition zum Westen stehen. Aber auch der chinesische Altruismus und Support für die Russen hat sein Limit. Sie werden Russland stützen, aber nicht wieder zu Glanz und Gloria verhelfen. Sie wären ja schön blöd, wenn sie das nur in Erwägung zögen, denn "gute Nachbarn" war man noch nie und die Chinesen hätten gerne ein paar Landstriche und Ressourcen zurück.
Grüße,

Toska
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Re: Ukraine

Beitrag von Herr Rossi » 27.06.2023, 18:30

,,,
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Re: Ukraine

Beitrag von Roland von Gilead » 28.06.2023, 08:06

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Re: Ukraine

Beitrag von DarkSoul » 29.06.2023, 05:11

Das mit Captain Amerika und Iron Man war witzig .... Dong :hammer:

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Re: Ukraine

Beitrag von Toska » 29.06.2023, 08:36

Herr Rossi hat geschrieben:
27.06.2023, 18:30
War der Bestand an schultergestützten Luft- und Panzerabwehrraketen nicht auch recht schnell zu Ende? Bei den Javelines gab es doch sogar vom Hersteller recht früh bereits Presse, wo er beklagte, dass die letzte Produktion Jahrzehnte zurückläge und man nicht einfach so wieder anfangen könnte.
Zur Verfügbarkeit von Javelins hab ich gerade nichts. Was Stingers angeht? Die sind momentan nicht soooo sonderlich relevant, weil die russischen Flieger nur selten so tief und so nahe exponieren, dass sie von den vielen zirkulierenden MANPADS in Bredouille gebracht werden können. Und dann hat die Ukraine neben Stinger auch noch StarStreak (UK), Fliegerfaust und haufenweise russisches Zeug. Gestern hat die Ukraine mal wieder für 100 Mio USD Russenflieger runtergeholt. Eine Su-25 mit einem Strela-MAPAD und dann noch eine Su-35, Su-34 und einen Mi-8. Letztere mit S-300 und vermutlich IRIS-T. Die haben sie bei Kherson aufgefahren, um die Dnjepr-Querung gegen Luftschläge zu sichern.
Herr Rossi hat geschrieben:
27.06.2023, 18:30
War da nicht mal eine Zahl im Raum, dass Russland 50.000 Granaten am Tag verschießt
Ja, aber die Zeiten sind rum. Ich hab gerade keine aktuellen Zahlen, aber die waren im Februar runter auf bestenfalls mal 10.000-15.0000 Schuss Arty am Tag, nur um dann tagelang deutlich darunter zu liegen. Hinzu kommt halt, dass gerade jetzt in der zu Ende gehenden Vorbereitungsphase der Offensive die Ukraine denen gezielt die Depots und Eisenbahnlinien mit StormShadow zerschmissen hat und daher die Versorgungslage mit Munition noch schlechter für die Russen ist. Plus: An den Zahlen, welche die Ukraine veröffentlicht (sofern man denen glaubt) sind seit Wochen Logistik, Arty, Luftabwehr und EW deren Primärziele. Was die denen alleine an Artillerie-Systemen zerschmissen haben ist beachtlich. Hinzu kommt auch noch der Verschleiß, weil die Rohre nicht ewig halten.
Herr Rossi hat geschrieben:
27.06.2023, 18:30
Ich habe gerade mal versucht zu recherchieren was die russische Industrie an Granatproduktionen schafft und bin dabei auf das hier gestoßen:
https://www.degruyter.com/document/doi/ ... 3-1015/pdf
Eine Produktion von 100.000 Schuss pro Jahr ist recht dürftig.
Herr Rossi hat geschrieben:
27.06.2023, 18:30
"Ihm zufolge habe Russland bei Kriegsbeginn 10 Millionen Artilleriegranaten besessen und könne pro Jahr 3 bis 4 Millionen herstellen."
Das schaffen sie sicherlich nicht.
Herr Rossi hat geschrieben:
27.06.2023, 18:30
Wenns am Ende auch nur ein Teil davon sein sollte, weil die Schätzung zu hoch liegt, so kriegen die offensichtlich dennoch mit einem wirklich kleinen Budget im Vergleich zur NATO eine recht ordentliche Stückzahl hin.
Die USA blasen ihre Produktion auch gerade auf und werden in zwei Jahren 90,000 Schuss 155mm Arty-Granaten PRO MONAT herstellen. Hier mal der Artikel von Rheinmetall, den ich neulich nicht gefunden hatte. Die haben in 2022 60,000 Panzer-Granaten und 70,000 Arty-Granaten hergestellt. Im GANZEN Jahr. Neuer Stand 2023: 240.000 Panzer-Granaten (120mm) pro Jahr und 450.000 - 500.000 Arty-Granaten pro Jahr sind drin und das ist noch vor dem Kauf der spanischen Munitionsfirma.
Herr Rossi hat geschrieben:
27.06.2023, 18:30
Ist das vielleicht auch einer der Gründe weshalb sie den Krieg so führen wie wir das sehen? Das einsetzen, was man ausreichend hat?
Was helfen einem Hightech Gerätschaften, wenn die Munitionsbestände nicht ausreichen um einen hoch aktiven langjährigen Krieg damit zu führen?
Die Russen setzen ein, was sie haben. Ob in ausreichender Stückzahl oder nicht. Sogar Unikate, Museumsstücke und Dinge, die man bestenfalls noch als Schrott bezeichnen kann. Eben weil man von nichts mehr wirklich genügend hat. Dass Munition in Kriegszeiten immer knapp ist und an sich keine Planung von Verbrauch und Bevorratung jemals aufgegangen ist? Geschenkt. Das ist auch die Lektion aus dem Yom-Kippur-Krieg, die nie einer wahrhaben wollte oder dank sparsamer politischer Entscheider richtig umsetzen durfte. Plus: Munition überlagert eben auch und muss irgendwann benutzt oder entsorgt werden. Die Russen haben vermutlich noch haufenweise Arty-Munition, die aber so brandgefährlich überlagert ist, dass sich keiner mehr traut, die Munitionsbunker auch nur schief anzusehen. Sofern die in den letzten Jahrzehnten nicht schon von selbst geplatzt sind.
Herr Rossi hat geschrieben:
27.06.2023, 18:30
CEO Gregory Hayes von Raytheon Technologies zu dem Problem:
it's something that we're over talking to the, the Poles who just bought F-35s, and they, they bought only enough missiles for about a two-week campaign.
Nicht nur die Polen. Deutschland muss in seinen gekauften F-35 halt auch ausschließlich US-Munition verwenden. Meteor? IRIS-T? Taurus? Kann man alles knicken. Und was hat man gekauft? Genug Munition für rund 20-30 Einsätze. Aber nicht nur da: Auch anderswo hat die BuReg halt voll gespart. Die Korvetten der Marine haben nur genug Anti-Schiffs-Raketen für die Hälfte der Flotte. Kommt eine von Patrouille zurück und eine ander läuft aus? Munition umladen!
Herr Rossi hat geschrieben:
27.06.2023, 18:30
Oder anders: Wenn Russland es schafft sich in einem Krieg mit der NATO 1-2 Monate soweit wegzuducken, dass der ganze Hightechwaffenregen möglichst wenig Schaden anrichtet, dann ist die alte gammelige Waffentechnik der Russen mit einer veritablen Munitionsversorgung dahinter auf einmal wieder sehr effektiv, denn der ganze Hightechpark der NATO ist dann wertlos.
Die Russen haben sicherlich hunderttausende Arty-Granaten pro Monat blind irgendwo in die Pampa gefeuert, ohne sich zu kümmern, ob sie was treffen. Quote erfüllt und gut! Kein "battle damage assessment", keine Feuerkorrektur, einfach Granate ins Rohr und weg damit. Die Ukrainer hatten von vorneherein Drohnen zum spotten und für Feuerkorrektur und mussten mit der Munition sparsam umgehen: More bang for the bucks!

Von daher: Die Russen können sich nicht wegducken. Selbst wenn nicht jeder Schuss der Ukrainer ein Treffer ist: Die wissen, wohin und worauf sie zu halten haben und deren Präzision dürfte durchgehend recht gut sein.
Herr Rossi hat geschrieben:
27.06.2023, 18:30
Russland und Deutschland haben ein ähnliches Militärbudget und dann Vergleich mal den Fuhrpark und die Produktionsfähigkeit der beiden Rüstungsindustrien. War der hohe Output nicht auch im zweiten Weltkrieg ein wichtiges Element der Roten Armee (jetzt nicht am Anfang, da hatten sie ja nicht viel)?
Rüstungsproduktion in Kriegszeiten ist immer ein extrem wichtiger Faktor und ich denke, dass die Russen diesmal in dem Bereich komplett abgeschlagen sind. Flugzeuge und Helikopter bekommen sie so gut wie nicht nachproduziert und bei Panzern ist man damit ausgelastet, alten Schrott bis runter zu T-62 und T-55 wieder fit zu machen. Die Produktion des Armata wurde zugunsten weiterer T-90 aufgegeben und selbst da dürfte der Output extrem gering sein, weil da zu viel "neumodischer" (lol) Kram drin ist, den die Russen derzeit nicht importieren oder selbst herstellen können. Bei APCs sieht es noch übler aus. Man will lieber simple BMP-3 haben, aber die Produktionslinie wurde schon zugunsten der Produktion des BMD-4 eingestellt und der hat sich als zu kompliziert und zu teuer in der Herstellung rausgestellt und bietet im Kampf sogar weniger Schutz als ein BMP-3. Im Prinzip stehen die Russen also bei der Schützenpanzer-Produktion relativ blank da.
Herr Rossi hat geschrieben:
27.06.2023, 18:30
Jetzt hält der Krieg in der Ukraine zwar noch an, allerdings kann zumindest ich hier keine Besonderheit im Vergleich zu den anderen Kriegen sehen. Ganz im Gegenteil sticht der Irakkrieg massiv heraus. Die USA führen ihre Kriege daher ganz sicher nicht prinzipiell schonender für die Bevölkerung.
Ich will mich nicht zum Fürsprecher der USA aufschwingen, aber ich sehe da schon deutliche Unterschiede. Im Prinzip haben die Russen noch jede umkämpfte Stadt so lange und so undiskriminiert mit Flächenwirkung beschossen, dass am Ende nur noch Ruinen übrig geblieben sind. Nicht als "ultima Ratio" oder "Ups, nach dem Gefecht gab es etwas viel Collateral-Damage!", sondern aus Prinzip und Kalkül. Die Bilder vom Brandschatzen ganzer Siedlungen und der Abtransport von TVs, Waschmaschinen bis runter zu Kloschüsseln (gerne auch in gestohlenen Zivilfahrzeugen) ist ja auch ganz famos und echt russische Traditionspflege. Ebenso wie Vergewaltigung, Zwangsdeportation und Massen-Hinrichtungen von Zivilisten. Dass die Amis einen an der Waffel haben und auch nicht zimperlich sind? Klar, aber DAS kann man nicht vergleichen.

Aber eines noch: Die Wagner-Söldner sind bislang auch überall in der Welt, wo sie aufgetaucht sind, mit EXTREMER Brutalität und Menschenverachtung vorgegangen. Selbst für russische Verhältnisse. Und da hat Russland sich immer rausgeredet: "Pfft! Was können WIR dafür? Das sind nicht unsere!" Im Gegenzug wurde Wagner dann als internationale Terrororganisation eingestuft. Ist ja "offensichtlich" kein staatlicher Akteur für die Verantwortlich.

Putin gestern so:
Bildschirmfoto vom 2023-06-29 02-33-58.png
Putin über Wagner PMC
Quelle

Damit reicht er seine Reservierung in Den Haag ein. :lol:
Herr Rossi hat geschrieben:
27.06.2023, 18:30
Russland hat eine Atomindustrie, Weltraumindustrie, Chemische Industrie, Waffenindustrie und auch diverse IT Konzerne. Hochtechnologie ist darüber hinaus auch in anderen Ländern ein arbeitsteiliger Prozess.
Die Weltraumindustrie hat Russland so an die Wand gefahren, dass sie kaum noch funktionierende Spionage-Satelliten hat, ihr Engagement an der ISS abwickeln wird und seit 1991 keine Neuentwicklungen mehr gebacken bekommen hat und (Anfang 2022) für den Bau einer einzigen Soyuz anderthalb bis zwei Jahre brauchte. Die letzten beiden Soyuz/Progress Missionen zur ISS waren auch beide fast fatal, weil die Dinger kapitale Defekte hatten. Waffenindustrie? Oben erwähnt: Ist komplett im Niemandsland angekommen: Die hochtrabend angekündigten neuen Systeme sind wegen Sanktionen, Materialmangel und explodierter Kosten nicht machbar und selbst Altertümchen kann man nur noch schwer bauen, weil auch da Material fehlt, oder Know-How, die Produktionslinien nicht mehr da sind (oder defekt) und am Ende kommen nur geringe Stückzahlen in minderwertiger Qualität raus. Atomindustrie? Russland hat sich irgendwann mal entschieden, dass das Geld nicht für alle militärischen Sperenzchen und Wünsche reicht und hat sich entschieden, beim Atomarsenal am wenigsten zu streichen. Und gerade das ist gerade am wenigsten nützlich. Und selbst da sind Zweifel angebracht, wie viel und was davon wirklich noch funktioniert.

Was internationale Zusammenarbeit Russlands angeht? Indien ist raus und ist dabei, sich von den Russen abzuseilen. Zum einen hat man gesehen, dass Russland niemals den Wissenstranfer und aktive Teilhabe an der Entwicklung zulassen würde, den Indien sich wünschte. Und zudem ist man zu oft von den Russen bei Qualität, Preis und Lieferzusagen aufs Kreuz gelegt worden. China brauchte russische Technik nur noch für den Triebwerksbau und hat da mittlerweile selbst Fortschritte erreicht, die weitere Bittbesuche in Moskau überflüssig erscheinen lassen. Russland hat keine Partner, was Entwicklung von Waffensystemen angeht und der Markt für russische Waffen in aller Welt trocknet aus. Zum einen, weil NATO die Bestände für die Ukraine aufkauft und Russland selbst gerade sein eigener bester Kunde ist und nichts mehr für den Export hat. Zum anderen haben die Chinesen quasi kampflos die Märkte in Afrika übernommen, die Russland aufgeben musste. Und zum anderen? Die russische Waffendemonstration in der Ukraine war halt auch nicht gerade verkaufsfördernd. Selbst Pakistan wird dieses Jahr mehr Kampfflugzeuge exportieren, als Russland und die Türkei baut mehr pfuschneue Kampfhubschrauber (für den Eigenbedarf), als Russland. Momentan würde ich den Output an Waffen und Munition gerade der Türkei als größer bewerten, als den Russlands. Vielleicht nicht unbedingt in jeder Kategorie, aber definitv was Modernität und Qualität angeht.
Herr Rossi hat geschrieben:
27.06.2023, 18:30
Allein aus China wird sich übrigens der jährliche Export von Gütern nach Russland von grob 60 Mrd Dollar auf locker 120 Mrd Dollar erweitern. Da dürfte einiges an Technik dabei sein, die sie selbst nicht herstellen können, für ihre komplexeren Technikprodukte aber benötigen. So wie es für den Rest der Welt auch ist.
Ich hab da recht schöne Post-Mortem-Analysen von chinesischen Chips und Komponenten in russischen Waffen gesehen. Beispielsweise in russischen Drohnen, Raketen, Funkerei und einigen Spielereien in gepanzerten Fahrzeugen. Die Fahrzeuge waren alte Kisten, aber komplettiert und - so weit es ging - ein wenig modernisiert. Die Chinesen haben auch eine militärische Chip-Produktion und die Chips sind halt besonders robust, gehärten gegen Interferrenzen und können extreme Temperaturschwankungen ab. Was die Chinesen den Russen aber bislang an Chips geliefert haben, sind wohl ausschließlich COTS-Produkte ("commercial off the shelf). Und selbst da halt durchaus wohl mal ganze Chargen mit hoher Fehlerquote, welche noch als Ladenhüter rumgammelten. In den Orlan-Drohnen war zum Beispiel ein chinesischer IC drin, der für die Funke und Navigation zuständig war. Der IC ersetze einen russischen Chip, der wiederum einen von Texas Instruments ersetzte, den die Russen wohl so nicht mehr bekamen. Der chinesische Chip war extrem anfällig gegen Jamming was die Navigation anging und die Funkerei wurde schon durch einige zivile Radiosignale bestimmter Frequenzen und Intensität aus dem Tritt gebracht. Unterm Strich war der chinesische Chip sogar schlechter für diesen Zweck, als der russische. Gerade im militärischen Bereich wird es fix schwierig, adequaten Ersatz für diverse elektronische Komponenten zu bekommen. Der Markt dafür ist sehr kontrolliert und überschaubar und selbst "gute Nachbarn" (wie die Chinesen) tun sich schwer, ihr gutes Zeug mit Rivalen zu teilen.

Zu Ukraine / Russland:

Russland: Die Nacht der langen Messer hat wohl angefangen und man macht Hausputz bei Putschisten und all jenen, die während des "Sturms auf Moskau" kollaboriert oder sich weggeduckt haben. General Surovikin (CIC) ist weg vom Fenster, ebenso sein Stellvertreter Colonel-General Yudin. Beide sind nun Gäste in Lefortovo. Der russische Innenminister General Alexander Travnikov hatte einen tödlichen Unfall mit einem ATV (waren wohl keine Fensterplätze mehr frei!). Und es gibt Gerüchte, dass reguläre russische Streitkräfte die Kommandeure der Wagner-Gruppe in Syrien festgenommen haben und die Kontrolle über die Wagner-Truppen dort übernommen haben.

Und Verteidigungsminister Schoigu? Putin teilte ihm im Rahmen einer Zeremonie mit: "Sie haben den Bürgerkrieg tatsächlich gestoppt, klar und harmonisch und koordiniert gehandelt." Und Lametta für Schoigu gab es dann auch gleich. :lol:

Ukraine: Arthur Rehi mit den neuesten News. Der ukrainische Brückenkopf bei Kherson hält und wird ausgebaut und ansonsten sieht es auch recht positiv aus. Und da ist noch eine weitere Flussquerung - in der Nähe des gesprengten Damms.

Edit: Eines noch: Die Lancet-Drohnen der Russen haben den Ukrainern bislang recht gut zugesetzt. Auch einige Leos haben sich davon welche eingefangen. Anscheinend hat man jetzt in Sachen EW ein Kraut dagegen gefunden, denn als die Russen den Brückenkopf bei Kherson mit ganzen Schwärmen von Lancets beschoss, kam wohl nicht eine durch. Mal sehen, ob sie das an anderer Stelle auch replizieren und einsetzen können.
Grüße,

Toska
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Re: Ukraine

Beitrag von Roland von Gilead » 29.06.2023, 09:44

Hab gestern auch einen Beitrag gesehen das die Lancet Drohnen wohl momentan die stärkste und gefürchtete Waffe ist, die die Russen einsetzen.

https://www.n-tv.de/mediathek/videos/po ... 24772.html
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Re: Ukraine

Beitrag von Herr Rossi » 29.06.2023, 11:35

,,,
Zuletzt geändert von Herr Rossi am 27.03.2024, 22:46, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Ukraine

Beitrag von Roland von Gilead » 29.06.2023, 15:08

also ich war es nicht!

@ Toska zu dem Thema überlagerte Munition passt das gut:

https://twitter.com/BrennpunktUA/status ... 3292271616

:hehehe:

Schade - Twitter ist wohl nur noch mit Account einsichtbar .....
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Re: Ukraine

Beitrag von Toska » 30.06.2023, 10:37

Roland von Gilead hat geschrieben:
29.06.2023, 15:08
@ Toska zu dem Thema überlagerte Munition passt das gut:

https://twitter.com/BrennpunktUA/status ... 3292271616
Arty-Granaten von 1939? Mutig sind sie ja. Oder verzweifelt. :hehehe:

Wagner hat dem russischen MOD wohl auch einen Haufen auf den Tisch gesetzt. Die haben den Telekommunikationsprovider Dozor gehackt und dessen Technik gebricked. Zu den Kunden gehören das MOD, die Northern Fleet, ein Atomkraftwerk, Teile der Armee, FSB und einige Außenposten. Die Reparatur wird wohl Tage bis Wochen dauern.

Und zwischen MOD/GRU und FSB ist es wohl auch am kochen.

Indessen rollen die Russen einen Zug mit T-54/55 an die Front. Gesehen auf der Krim.
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Re: Ukraine

Beitrag von Roland von Gilead » 01.07.2023, 22:36

Wer nicht zahlt, sieht weniger Musk führt Lese-Limit bei Twitter ein

https://www.n-tv.de/wirtschaft/Musk-fue ... 31882.html

und nicht angemeldet ist sieht gar nichts mehr. :blume:
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